2.133 (mu21p): Nr. 133 Vermerk Staatssekretär Pünders über den Stand der Koalitionsverhandlungen. 22. Februar 1929

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Nr. 133
Vermerk Staatssekretär Pünders über den Stand der Koalitionsverhandlungen. 22. Februar 1929

Nachlaß Pünder 361

1

Die Aufzeichnung trägt neben der Unterschrift des StS die Paraphen des RK, des MinDir. v. Hagenow und Wiensteins. Am unteren Rand des Blattes befindet sich die Signatur RMin. 1 a, die ausweist, daß diese Aufzeichnung eigentlich in den Aktenbestand der Rkei über die Regierungsbildung gehört.

Der gegenwärtige Stand der Regierungsverhandlungen am 22. Februar 1929 mittags ist folgender:

Das Landtagszentrum hat sich heute morgen mit dem Vorschlage der Volkspartei befaßt, daß das Zentrum aus seinen vorhandenen bzw. vorgesehenen Ministern den Verbindungsmann zwischen Reich und Preußen stellen soll. Der Vorschlag ist einmütig abgelehnt worden und diese Entscheidung Herrn Ministerpräsidenten Braun sofort mitgeteilt worden. Herr Ministerpräsident Braun hat daraufhin die Volkspartei des Landtags wissen lassen, daß er nunmehr die Verhandlungen als endgültig gescheitert ansehe. Es sei denn, daß die Volkspartei ihre gestrige Stellungnahme revidiert und doch noch auf einen der beiden gestrigen Vorschläge eingehe. In diesem Falle müsse aber die Volkspartei an ihn, den Ministerpräsidenten, herantreten, er persönlich würde keine Initiative mehr entwickeln.

Heute nachmittag 5 Uhr findet unter dem Vorsitz von Herrn Minister Stresemann eine nochmalige Aussprache der volksparteilichen Repräsentanten aus Reich und Preußen (Reichsparteivorstand) statt. Dem Vernehmen nach scheint noch eine gewisse Aussicht vorhanden zu sein, daß die Volkspartei nunmehr[445] doch noch auf einen der beiden gestrigen Vorschläge eingeht2. Ausgeschlossen erscheint, daß die Sozialdemokratie der Volkspartei das Kultusministerium überläßt3.

2

Zur Rede Stresemanns vor dem Parteigremium s. Vermächtnis III, S. 428 ff. Hierüber notierte Koch-Weser in seinem Tagebuch: „Als es endlich gelungen war, Braun von der falschen Idee, als ob es kein junctim zwischen den beiden Regierungsbildungen gäbe – schließlich liegt doch Preußen in Deutschland – abzubringen, versagte wiederum die preuß. Volkspartei und weigerte sich ihrerseits, das Angebot auf einen Fachminister in Preußen und den Minister Curtius als Doppel- und Verbindungsminister zwischen dem Reiche und Preußen anzunehmen, obwohl sich Stresemann darum bemühte. Stresemann hat dagegen gekämpft und sogar den Zentralausschuß seiner Partei gegen die Preußenfraktion angerufen, ist aber nicht durchgedrungen. Das Parkett von Großindustriellen und Rechtspolitikern hörte seine wirklich guten Ausführungen mit warmer Sympathie wie den Gesang eines Heldentenors an, aber nachher ging man zu praktischen Gegenständen über und stellte die Beteiligung an der Koalition allein darauf ab, daß man nur dann in die Koalition gehen werde, wenn keine Steuererhöhung beschlossen werde. Das war das Ende der vielgerühmten großen vaterländischen Aktion Stresemanns, dessen geniale Tatkraft aber wohl weiterhin unbestritten bleiben wird. Was nun wird, ist absolut unklar“ (BA: Nachlaß Koch-Weser  39).

3

Weitere Koalitionsverhandlungen fanden in der Rkei am 28. 2. und 1. 3. statt. An ihnen beteiligten sich die SPD, das Zentrum, die DVP, die DDP, die BVP sowie neben dem RK am 1. 3. auch der RFM. Ein vom RK ausgearbeiteter Entwurf „für ein gemeinsam zu beschließendes Communiqué über die Regierungsbildung“ wurde von der DVP im Gegensatz zum Zentrum abgelehnt (BA: Nachlaß Pünder  36). Am 2. 3. erstattete der RK dem RPräs. Bericht. „[…] und als er mit der Erklärung herausgekommen ist, er schlüge vor, daß alles beim alten bliebe, hat Hindenburg geantwortet, ‚nun dann ist ja alles gut‘“ (BA: Nachlaß Koch-Weser 39, Tagebuchnotiz vom 2.3.29). Siehe zu dieser Entwicklung der Koalitionsverhandlungen auch Schultheß 1929, S. 40 ff. und Stresemann, Vermächtnis III, S. 434 f.

Pünder

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