2.188.1 (wir1p): Steuerfragen.

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Steuerfragen1.

1

Es geht um die Ausschußberatungen der bereits in einer Lesung im RT behandelten Steuergesetzentwürfe (siehe Dok. Nr. 82 Anm. 1). Zu den Vorstellungen der Gewerkschaften siehe Dok. Nr. 150; ferner Vortrag des RFM im Kabinett (Dok. Nr. 184).

Reichskanzler In der für morgen in Aussicht genommenen Sitzung der Steuerausschüsse könne über die Verhandlungen in Cannes sowie über die Erfassung der Sachwerte eine Erklärung der Regierung unter keinen Umständen abgegeben werden. Er empfehle daher, daß die erschienenen Parteien2 gemeinsam die Vertagung beantragten.

2

Zentrum, SPD und DDP.

Abg. Wels: Seine Partei wäre zur Vertagung bereit, es könne dann aber die zweite Lesung vorläufig nicht erfolgen.

Abg. Herold ist gleichfalls für Vertagung.

Abg. Koch stimmt der Vertagung zu, hält es aber für nicht empfehlenswert, die Ausschüsse nach Hause zu schicken. Vielmehr müsse man in der Zwischenzeit am Steuerkompromiß arbeiten. Er hält es für zweckmäßig, zu den Besprechungen über das Kompromiß die Deutsche Volkspartei zuzuziehen.

Reichskanzler Er könne eine Erleichterung der Verhandlungen über das Steuerkompromiß in der Zuziehung der Deutschen Volkspartei nicht erblicken,[508] denn wenn es den drei heute vertretenen Parteien schon schwer falle, sich zu einigen, würde es durch die Zuziehung der Deutschen Volkspartei nur noch schwieriger werden.

Abg. Wels weist auf die letzten Angriffe der deutschen volksparteilichen Presse gegen den Reichskanzler und Rathenau hin. Ein Zusammenarbeiten sei infolgedessen zur Zeit schwer möglich.

Zur Erfassung der Sachwerte bemerke er, daß die Mehrheitssozialdemokraten ständig betont hätten, sie müßten auf einem sichtbaren Opfer des Besitzes bestehen. Hieran festzuhalten, seien sie ihrer Ehre schuldig.

Reichskanzler Die Sozialdemokratische Partei müsse sich darüber klar werden, daß für die Sachwerterfassung nach den bekannten Vorschlägen3 eine parlamentarische Mehrheit nicht zu finden sei. Würde das Thema so gestellt, wie von der Sozialdemokratie formuliert, so würde dies zu einer neuen Regierung führen. Hierüber müsse sich die Sozialdemokratie klar sein. Entscheidend bei der ganzen Frage müsse das Ziel sein, das man durch die Sachwerterfassung erreichen wolle.

3

Siehe Dok. Nr. 6, insbesondere Anm. 1.

Das Ziel unserer ganzen Politik müsse der Abbau des Londoner Ultimatums sein. Es sei daher falsch, wenn man durch eine Sachwerterfassung im jetzigen Moment das Ultimatum zu etwa 80% für tragbar erkläre.

Wenn es sich einmal darum handeln würde, durch eine Sachwerterfassung von den Lasten des Versailler Vertrages im Großen loszukommen, so würde er durchaus dafür eintreten.

Man müsse versuchen, zu einem Kompromiß in den Bewertungsvorschriften zu kommen und nötigenfalls die Einziehung eines weiteren Teils des Reichsnotopfers in Aussicht nehmen.

Abg. Fischer: Auch er halte es nicht für nötig, die Steuerausschüsse nach Hause zu senden. Die drei eigentlichen Vermögenssteuern werde man zwar z. Z. nicht behandeln können, wohl aber die Umsatzsteuer, die Körperschaftssteuer, die Kapitalverkehrssteuer usw. Dies gäbe Arbeit für 3 bis 4 Tage.

Abg. Bernstein ist der Auffassung, daß die Heranziehung der Deutschen Volkspartei die Sachlage unnütz komplizieren würde4.

4

Vgl. dazu die Besprechungen über die Verbreiterung der Koalition im Oktober 1921, bei denen die Steuerfrage auch erörtert worden war (u. a. Dok. Nr. 102, P. 2, Dok. Nr. 106, Dok. Nr. 114 und Dok. Nr. 116.

Abg. Koch: Zur Erfassung der Sachwerte wolle er bemerken, er halte es nicht für richtig, die Substanz des deutschen Vermögens in die Konkursmasse zu werfen. Komme es etwa 1923 zu einer Art Zwangsvergleich, so sei in dieser Frage eine andere Situation gegeben.

Über die Heranziehung der Vermögen auf anderem Wege könne man reden.

Seines Erachtens seien Deutsche Volkspartei, Zentrum und Demokraten sich im Prinzip über die Steuern einig. Deswegen habe er vorgeschlagen, die Deutsche Volkspartei zu den Besprechungen zuzuziehen.

[509] Daß die Bildung der großen Koalition im Augenblick schwierig sei, verkenne er nicht.

Abg. Spahn: Die Sitzung morgen muß vertagt werden. Mit der Erfassung der Sachwerte darf man die jetzigen Steuervorlagen nicht belasten.

Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.

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