2.33.4 (wir1p): 4. Oberschlesien.

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4. Oberschlesien.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über die Lage, wie sie sich aus den Besprechungen mit den Entente-Diplomaten5 und aus Berichten von[77] Oberschlesiern ergäbe. Er bat noch um Prüfung, was etwa außer den geplanten Schritten noch zur Rettung Oberschlesiens unternommen werden könne.

5

Auf die dt. Note vom 15.6.1921 (s. Dok. Nr. 30, Anm. 6) hatte die frz. Reg. am 20. 6. dem dt. Botschafter in Paris die folgende Antwortnote übergeben: „Herr Botschafter! Sie haben mir durch Ihr Schreiben vom 16. Juni den Wortlaut einer Protestnote der Deutschen Regierung wegen der Ereignisse in Oberschlesien übermittelt. Dieses Schriftstück gibt eine Darstellung, gegen die Einspruch zu erheben ich verpflichtet bin. Die französische Regierung verkennt keineswegs die Ausschreitungen, deren sich die polnischen Insurgenten schuldig gemacht haben. Sie hat diese von Anfang an verurteilt, aber sie kann deshalb das Bild, das Sie von der Lage entwerfen, nicht als zutreffend anerkennen. Die IAK hat unaufhörlich die größten Anstrengungen gemacht, um die Achtung vor Leben und Eigentum zu gewährleisten, und ihre Bemühungen sind sehr oft von Erfolg gekrönt worden. Die alliierten Regierungen haben Schritte unternommen, um die Freilassung der Geiseln zu erwirken, deren Namen Ihnen mitgeteilt worden sind, und die polnische Regierung hat dem Aufstand keineswegs die Unterstützung zuteil werden lassen, welche Sie brandmarken. – Wenn im übrigen die Deutsche Regierung glaubt, eine Reihe von Beschwerden vorbringen zu sollen, muß sie diese an die IAK richten: diese trifft in ihrer Gesamtheit die Entscheidungen, und ich sehe mich meinerseits nicht in der Lage, Kritiken anzunehmen, die darauf hinzielen, den Präsidenten der Kommission allein verantwortlich zu machen. Überdies wäre die Lage heute anders, und die Ordnung wäre in Oberschlesien bereits wieder hergestellt, wenn die deutschen Selbstschutzorganisationen nicht eine Haltung eingenommen hätten, welche in gleicher Weise wie der polnische Aufstand eine Herausforderung der IAK darstellt. In demselben Augenblick, in dem die polnischen Insurgenten durch Taten ihre Bereitwilligkeit erwiesen, sich den Befehlen der IAK zu unterwerfen, in dem Augenblick, in dem sie begannen, sich zurückzuziehen und die Waffen niederzulegen, besteht die Gefahr, daß durch das Verhalten des Generals Hoefer und der Führer der deutschen Parteien in Oberschlesien die bereits erzielten Ergebnisse aufs Spiel gesetzt werden. Es kommt im gegenwärtigen Augenblick nicht darauf an, die eine oder die andere Ausschreitung aus der Vergangenheit ans Licht zu ziehen, sondern es handelt sich darum, durch Taten die Autorität der IAK wiederherzustellen. General Hoefer verkennt durch seine Haltung diese Autorität. Die Deutsche Regierung verfügt über hinreichende Machtmittel, um ihn zu der Einsicht zu bewegen, daß allein völliger Gehorsam gegenüber den Anordnungen der interalliierten Behörden die Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung beschleunigen kann, deren Sicherstellung den deutschen Selbstschutzorganisationen angeblich am Herzen liegt. – Es ist wahr, daß die Deutsche Regierung zu verschiedenen Malen die Versicherung abgegeben hat, dem General Hoefer Zurückhaltung angeraten zu haben; aber im gegenwärtigen Augenblick handelt es sich nicht um Zurückhaltung, sondern es handelt sich um Unterwerfung. Allein durch Unterwerfung aller unter die interalliierten Behörden kann die Ruhe in Oberschlesien wiederkehren. Die französische Regierung würde glücklich sein zu erfahren, daß sich alle Bemühungen der Deutschen Regierung in diesem Sinne bewegen.“ (Hoefer, Oberschlesien, S. 321 f.; auch zitiert in: Ursachen und Folgen Bd. 4, S. 62).

Der Reichsminister der Justiz ergänzte die Ausführungen über die Lage noch nach den ihm zugegangenen Berichten.

Der Reichsarbeitsminister empfahl außer der Beantwortung der Interpellation6 den Hauptnachdruck auf die diplomatische Aktion zu legen, daneben aber auch auf unsere Presse einzuwirken, daß sie möglichst detaillierte Angaben über die Geschehnisse bringe, die Mitteilungen in der Auslandspresse zu verbreiten und die Parteien zu beeinflussen, daß sie die ihnen nahestehenden Parteien, insbesondere in den Ententeländern aufklären und zu einer Beeinflussung ihrer Regierungen auffordern; desgleichen sollten auch die Gewerkschaften auf die gleichen Organisationen in den andern Ländern wirken.

6

Gemeint ist offenbar die Interpellation Petersen und Genossen, die nach den Maßnahmen der Reg. zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Oberschlesien gefragt hatte und die entgegen der Zusage eines Regierungsvertreters vor dem Parlament am 2.6.1921 (RT-Bd. 349, S. 3721 ) unerledigt blieb (RT-Drucks. Nr. 2067, Bd. 367 ).

Der Reichsminister des Auswärtigen übernahm es, für eine eingehende Behandlung von Oberschlesien in der Presse zu sorgen; im übrigen teilte der Reichskanzler mit, daß er für heute 6 Uhr die Parteiführer mit Einschluß der der Unabhängigen Partei, zu einer Besprechung laden wolle7.

7

In R 43 I kein Protokoll ermittelt.

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