1.116.1 (wir2p): Reparation.

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Reparation.

Der Reichskanzler verliest neu eingegangene Telegramme von Staatssekretär Fischer und Botschaftsrat Dufour1.

1

In R 43 I nicht ermittelt.

Er stellt die Frage, ob seitens des Reichsfinanzministeriums den Delegierten der Repko bezüglich des Garantiefonds eine Summe genannt worden sei.

Minister Dr. Hermes: In den Ressortbesprechungen habe man eine Summe von 50 Millionen Goldmark für ausreichend erachtet2. Der Reichskanzler sei mit dem Vorgehen einverstanden gewesen. Staatssekretär Bergmann habe dann im Laufe der Unterhaltung mit Bradbury und Mauclère 50 Millionen genannt.

2

Vgl. Dok. Nr. 349 Anm. 4.

Der Reichskanzler Die gestrigen Besprechungen mit Mauclère und Bradbury haben ergeben, daß die Höhe der Summe nicht ausschlaggebend sei, sondern daß die Pfandbestellung an sich einen moralischen Erfolg darstellen solle. Er habe erklärt, daß die Summe nur sehr klein sein könne.

Minister Dr. Hermes: Es sei keinerlei Bindung über die Höhe erfolgt.

[1046] Der Reichskanzler Die Summe sei im „Petit Parisien“ schon genannt3.

3

50 Mio Goldmark „als Garantien für Holz- und Kohlelieferungen“ werden auch in der DAZ genannt, in einem Bericht über die frz. Presse, der die Überschrift „Ein angebliches Angebot des Reichskanzlers“ trägt (DAZ Nr. 370 vom 24.8.22).

Staatssekretär Dr. von Simson berichtet über die Unterredung mit Mauclère und Bradbury. Ein Pfand über den 31. Dezember hinaus habe Mauclère nicht verlangt. Die Höhe des Pfandes habe er mehr als moralische Frage angesehen. Es sei nicht erforderlich, jedes Manko an Holz und Kohle auf Heller und Pfennig zu ersetzen. Die Höhe sei noch offen. Bradbury habe erklärt, daß England an der Höhe des Pfandes uninteressiert sei, Kohle bekomme es nicht und für Holz werde es kein „manquement volontaire“ beantragen. Vielleicht komme man mit Belgien zu einer ähnlichen Abmachung. Die Frage der Auffüllung des Pfandes sei von Bradbury nur gestreift worden; er schien kein entscheidendes Gewicht darauf zu legen.

Zum Clearing habe er erklärt, daß die Zahlungen vom 15. August und 15. September sich in eine verwandelt hätten. Am 15. September seien also 1½ Millionen Pfund zu zahlen, die wohl aufgebracht werden müßten4. Für die Oktober- bis Dezember-Zahlungen könnten wir 500 000 Pfund für jeden Monat einstellen. Hier sei England zu Konzessionen bereit. Hänge das Moratorium von einer Einigung über diese Frage ab, so werde er England den Erlaß dieser Zahlungen empfehlen.

4

Die Zahlung war auf folgender Grundlage fällig: Da die frz. Haltung eine Entscheidung der am Ausgleichsabkommen beteiligten Mächte über das dt. Gesuch, anstelle der vorgesehenen 2 Mio Pfund für die Zeit eines Moratoriums nur noch 500 000 Pfund zahlen zu müssen, verhindert hatte (siehe Dok. Nr. 330 Anm. 1 u. a.), hatte die dt. Reg. unter Hinweis auf ihre Zahlungsunfähigkeit am 15.8.22 nur 500 000 Pfund überwiesen. – Am 17.8.22 hatte das britische Foreign Office einen Beschluß der Zusammenkunft der Ministerpräsidenten in London übermittelt, demzufolge die am 15.8.22 fälligen 2 Mio Pfund am 15.9.22 zu zahlen seien; gleichzeitig wurde das Abkommen vom 10.6.21 gekündigt. Es waren also bis zu einer Neuregelung noch 1,5 Mio Pfund der Augustrate zu zahlen (Aktenstücke zur Reparationsfrage vom 12. Juli bis 11. Dezember 1922, S. 32).

Die sonstigen Lasten des Friedensvertrags wollte Bradbury nicht besprechen. Wahrscheinlich aber werde er sich in der Reparationskommission dafür einsetzen, daß sie vom Moratorium miterfaßt würden. Englische Regierungskredite für Getreide seien unmöglich, private Kredite aber würden in London oder in New York wohl zu haben sein. Bei Rückzahlung solcher Kredite würde die Reparationskommission die Nahrungskredite wohl vorgehen lassen5.

5

Die dt. Reg. hatte Bradbury und Mauclère eine Ausarbeitung, vermutlich des RWiMin., mit dem Titel „Erschwerungen der deutschen Lage im August 1922“ überreicht, in der u. a. die Gründe für die zu erwartenden Ernährungsschwierigkeiten eingehend dargelegt werden (unsignierte und undatierte Durchschrift in R 43 I /30 , Bl. 230-234).

Bradbury habe ihm noch gesagt, es sei wichtig, spätestens morgen zum Abschluß zu kommen.

Der Reichskanzler Etwaige Getreidekredite müßten im kleinen Kreise erörtert werden. Jedenfalls müßte uns ein Moratorium zugesagt werden, worauf wir erklären könnten, daß wir alles tun würden, um die Holz- und Kohlenlieferungen zu erfüllen. Die Ziffernfrage müsse vertieft werden. Weiter müßten wir erklären, daß wir Bereitschaftskredite in England zu erlangen suchen würden,[1047] bei deren Abdeckung im Januar bis März die Reparationskommission keine Schwierigkeiten machen dürfe.

Staatssekretär Dr. Heinrici gibt Ziffern über die Getreidelage.

Der Reichskanzler stellt danach fest, daß die Deckung von 25 Millionen Goldmark für die Lieferungen bis zum 1. Oktober noch fehlt.

Staatssekretär Dr. Heinrici bestätigt dies und meint, daß wir hierin vielleicht mit einer Lombardierung weiterkommen würden.

Minister Dr. Hermes warnt davor, in den Getreidekäufen zu früh zu kurz zu treten. Über die Getreideaufkäufe sei eine Chefbesprechung nötig.

Der Reichskanzler stimmt dem zu.

Hierauf wurde die Besprechung geschlossen.

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