2.65.1 (lut1p): [Reichspräsidentenwahl: Kandidatur Simons]

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[Reichspräsidentenwahl: Kandidatur Simons]

Reichskanzler bezieht sich auf die Besprechung vom Vormittag1 und die inzwischen gepflogene Unterredung zwischen ihm und dem Abgeordneten Müller-Franken2. Die Frage sei, ob eine materielle Verständigung möglich sei und ferner, ob mit Rücksicht auf die Bedenken, einen neuen Namen in die Fraktionen zu bringen, versucht werden könnte, in einem Kreis von Persönlichkeiten eine Festlegung auf eine bestimmte Vereinbarung herbeizuführen.

1

S. Dok. Nr. 64.

2

Eine Aufzeichnung hierzu nicht ermittelt.

Müller-Franken: Nach der Konstruktion der sozialdemokratischen Parteiverfassung sei es unmöglich, daß eine Kandidatur durch „Prominente“ geschaffen würde. Materiell bemerke er, sie hätten bereits eine gemeinsame Basis gefunden, daher würde keine große Neigung zur Änderung des Kandidaten herrschen. Die Sozialdemokratie würde hier auch keinesfalls isoliert als Partei vorgehen. Gegen die Person von Simons hätte er kein Bedenken, brächte ihr vielmehr die größte Hochachtung entgegen. Die Partei aber sei bereits festgelegt. Dies sei nur noch nicht publiziert3.

3

Lt. Pressemeldungen hatten sich die Parteivorstände der SPD und des Zentrums am 2. 4. für eine Kandidatur Marx ausgesprochen. Die „Zeit“ berichtet dazu am 3. 4. (Morgen-Ausgabe): „Der sozialdemokratische Parteivorstand stimmte der Aufstellung des Herrn Marx unter der Voraussetzung zu, daß Herr Otto Braun in Preußen zum Ministerpräsidenten gewählt werde.“ Da die Zentrumsfraktion diese Bedingung akzeptiert habe, könne man annehmen, daß der Tauschhandel perfekt geworden sei und Marx als Einheitskandidat der Linken in Erscheinung treten werde.

Fehrenbach: Eine Kandidatur durch „Prominente“ sei nicht möglich. Das Zentrum müsse auf jeden Fall den Parteiausschuß hören, im übrigen habe er den Eindruck, daß ein Versuch vorliege, das, was bereits geschehen sei, zu stören.

Reichskanzler Luther: Auf die letzte Bemerkung des Abgeordneten Fehrenbach und einen im gleichen Sinne gehaltenen Zwischenruf des Abgeordneten Wels müsse er die Vorgeschichte der heutigen Aktion schildern.

Dies geschieht4.

4

S. die einleitenden Ausführungen des RK in der vorangegangenen Besprechung mit Vertretern der Koalitionsparteien (Dok. Nr. 64).

Müller: Wie ständen die anderen Parteien zu der Frage.

[236] Koch: Der Person Simons’ ständen sie durchaus sympathisch gegenüber. Eine endgültige Stellung könnten die Demokraten nicht nehmen, solange die anderen Parteien sich nicht äußerten.

Scholz: Auch die Deutsche Volkspartei hätte sich mit anderen Parteien auf einen Kandidaten geeinigt5. Die einzige Möglichkeit sähe er darin, daß eine Besprechung der Fraktionen stattfinde, daß man sich in einem kleinen Kreise ausspräche, und zwar ohne Bindung, aber mit dem Ziel, daß etwas zustande komme. Auch sie könnten daher heute nicht erklären, daß ihre Fraktion bereit sei, für einen bestimmten neuen Kandidaten zu stimmen.

5

Die Parteien des Reichsblocks („Loebell-Ausschuß“: DNVP, DVP, BVP, WV) hatten sich schon am 31. 3. für das weitere Festhalten an der Kandidatur Jarres entschieden (s. die „Zeit“ vom 1. 4.).

Oberfohren äußerte sich wie Abgeordneter Scholz. Sie seien geneigt, in der Frage der Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten entgegenzukommen, müßten aber wegen der Person die Partei hören.

Luther: Er habe nirgends ein grundsätzliches Nein gehört, sondern nur Hinweise auf die technischen Schwierigkeiten. Die müßten sich seines Erachtens doch überwinden lassen.

Wels: Ohne Anhörung der Sozialdemokratischen Partei gehe die Sache keinesfalls. Im übrigen mache die Aktion ihm den Eindruck, als ob die Regierung gegen die bereits erfolgte Einigung der Sozialdemokratie, des Zentrums und der Demokraten Stellung nehmen wolle. Ferner habe der Abgeordnete Scholz erklärt, daß seine Gruppe sich auch bereits geeinigt habe.

Luther: Die Reichsregierung habe nichts unternommen, was sich gegen eine Gruppe richte, sondern gegen die Bildung von verschiedenen Gruppen überhaupt.

Wels: Die Regierung habe jedenfalls erst gehandelt, als das gestrige Ergebnis der Einigung bekanntgeworden sei.

Abgeordneter Leicht und Reichskanzler weisen diesen Angriff zurück.

Fehrenbach und Müller-Franken stellen fest, daß alle Parteien den Weg der Prominenten für nicht möglich halten.

Luther: Seines Erachtens brauche das gemeinsame Ziel nicht an der Form zu scheitern.

Fehrenbach: Es habe seines Erachtens keinen Zweck mehr, weiterzutagen.

Reichskanzler stellt fest, daß er nach dieser letzten Erklärung des Abgeordneten Fehrenbach nichts weiter tun könne.

Hierauf wurde die Besprechung geschlossen.

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