1.156.2 (lut2p): Anlage 1

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Anlage 1

Betr. Rüstungsindustrie in Spanien. Streng vertraulich!

Deutsche Industriegruppen haben das Interesse, mit der spanischen Rüstungsindustrie – es handelt sich zunächst um Marinerüstungen – ins Geschäft zu kommen. Zu diesem Zweck ist bereits mit der hierfür maßgebenden Persönlichkeit, Herrn Echevarrieta, Fühlung genommen worden. Herr Echevarrieta ist in Spanien der bedeutendste Industrielle und Finanzmann, der über ein Vermögen von ca. 120 Millionen Peseten verfügt und sowohl politisch als auch wirtschaftlich von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es ist zu bemerken, daß der König von Spanien Herrn Echevarrieta beim Aufziehen einer nationalen Rüstungsindustrie unterstützt. Seine Beziehungen zu Primo de Rivera und dem Marineministerium sind ebenfalls sehr gut. Von Bedeutung ist auch, daß Echevarrieta enge Beziehungen zu dem Admiral Magaz hat, dessen Einfluß in allen militärpolitischen Angelegenheiten sehr groß ist.

Der Anlaß zu einer Fühlungnahme mit Echevarrieta war zunächst der von der spanischen Regierung beabsichtigte Bau von 12 U-Booten. Eine Gruppe von deutschen Werken soll Echevarrieta in Stand setzen, ein deutsches U-Boot-Projekt, das von der deutschen Marineleitung befürwortet ist, anzubieten. Nach zuverlässigen Feststellungen an den maßgebenden Stellen in Madrid ist mit Bestimmtheit damit zu rechnen, daß dieser Auftrag im Laufe dieses Jahres an Echevarrieta vergeben wird.

Zunächst steht im Vordergrund des Interesses der Aufbau einer Torpedofabrik und der Ankauf von modernen Feuerleitungsanlagen. Da bisher England (Vickers) im spanischen Kriegsschiffbau die führende Rolle spielte, ist es verständlich, daß England nunmehr alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um zu verhindern, daß die deutsche Industrie in Spanien festen Fuß faßt. Aus diesem Grunde haben die Engländer sowohl ihren Botschafter10 beauftragt, mit der[1241] spanischen Marine Fühlung zu nehmen, als auch die Bank of England veranlaßt, den Spaniern jeden gewünschten Kredit einzuräumen, um den Auftrag für die Feuerleitungsanlagen und für die Torpedofabrik an die englische Firma durchzubringen. Die Werft der Engländer in Spanien ist die Constructore Naval, der die Werft von Echevarrieta gegenübersteht. Echevarrieta versucht mit allen Mitteln, die deutschen Angebote beim spanischen Marineministerium durchzubringen und es ist infolge seines großen politischen und wirtschaftlichen Ansehens aussichtsreich, daß er Erfolg haben wird, zumal sämtliche technischen Gutachten der spanischen Sachverständigen zu Gunsten Deutschlands ausgefallen sind. Es ist jedoch erforderlich, daß wir nunmehr mit ähnlichen Mitteln vorgehen wie die Engländer, da im spanischen Marineministerium begreiflicherweise viele Strömungen vorhanden sind, die englisch eingestellt sind und die die von den Engländern gebotenen günstigen Bedingungen als ausschlaggebend in die Waagschale werfen möchten. Herr Echevarrieta ist daher an die deutschen Kreise mit dem Ersuchen herangetreten, daß in gleicher Weise ein Kredit zur Finanzierung des Feuerleitungs- und Torpedoauftrages gewährt wird, damit er ein entsprechendes Gegengewicht gegen die Engländer aufzuweisen hat. Zu diesem Zweck ist Herr Baron del Sacro Lirio, Mitglied des spanischen Marineministeriums, Kammerherr des Königs von Spanien und rechte Hand von Echevarrieta, in diesen Tagen in Berlin gewesen, um mit deutschen Bankkreisen wegen der Kreditgewährung Fühlung zu nehmen. Herr Echevarrieta wird im Laufe der nächsten Woche selbst nach Berlin kommen, um gegebenenfalls den Abschluß zu tätigen.

10

Sir Horace Rumbold.

Bei den Verhandlungen mit der Deutschen Bank ergab sich, daß eine Kreditgewährung unter gewissen Bedingungen möglich sei. In der Anlage ist ein hierfür in Aussicht genommener Vertragsentwurf beigefügt. Aus diesem Vertragsentwurf geht hervor, daß für den Fall, daß der Feuerleitungs- und Torpedoauftrag auf dieser Basis zustande kommt, der U-Boot-Auftrag für die deutsche Industrie gesichert ist11.

11

Beiliegender „Vertrags-Entwurf“ sieht u. a. vor: „Eine deutsche Großbank übernimmt für Echevarrieta eine Bürgschaft bis zur Höhe von 8 Millionen Peseten für die Dauer von 12 Jahren unter Rückbürgschaft des Reiches. Auf Grund dieser Garantie versucht Echevarrieta, einen entsprechenden Kredit zunächst beim Banco Aleman Transatlantico, sonst bei einer anderen spanischen Bank, an der England nicht maßgeblich beteiligt ist, zu erhalten. […] Als Gegenleistung für diese Garantiegestellung verpflichtet sich Echevarrieta, alle für den Aufbau der fraglichen T[orpedo]-Fabrik notwendigen Aufträge in Deutschland zu bestellen, und zwar in einer Mindesthöhe von 4 Millionen Peseten. Ferner verpflichtet er sich, mindestens eine F[euer]-L[eitungs]-Anlage für Kreuzer oder Linienschiffe bei deutschen Firmen zu bestellen.“ Echevarrieta, so der Vertragsentwurf, sichert schließlich zu, „sobald ihm die spanische Marine den Auftrag für den Bau von U-Booten erteilt, die Konstruktion der Boote durch eine deutsche Firma mit Unterstützung der Marineleitung ausführen zu lassen und insbesondere die Wünsche der deutschen Marineleitung bezgl. Baubelehrung und Teilnahme an Probefahrten zu berücksichtigen.“ Unter der Überschrift „Geheimer Zusatz“ ist abschließend hinzugefügt: „Eintretendenfalls würde Echevarrieta sich bereit erklären, diese nach deutschem Typ in Bau befindlichen U-Boote Deutschland zum Kauf anzubieten.“

Aus diesen Erwägungen wäre es wohl zu rechtfertigen, wenn das Reich zur Bewerkstelligung des erforderlichen Kredits in Höhe von 8 Millionen Peseten[1242] die Rückgarantie übernehmen würde, da den deutschen Kreisen hieraus folgende Vorteile erwachsen:

1) Politisch: Die deutsche Regierung sowohl wie deutsche Industrie- und Bankkreise würden mit einer Persönlichkeit wie Echevarrieta in engste Fühlung kommen, die, wie bereits erwähnt, von politisch ausschlaggebender Bedeutung ist.

2) Wirtschaftlich: Es würde ermöglicht, daß Aufträge im Werte von mehreren hundert Millionen Peseten an die deutsche Industrie gelangten, was wesentlich zur Ankurbelung der Wirtschaft beitragen würde.

3) Militärisch: Es würde den deutschen Kreisen ermöglicht, ihre militärischen Erfahrungen im Bau von Torpedofabriken, U-Booten pp. weiter fortzuführen, um im eintretenden Fall entsprechende Wehrmittel zur Hand zu haben.

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