1.103 (lut2p): Nr. 272 Vermerk des Regierungsrats Wienstein zur Frage der Fürstenabfindung. 26. Januar 1926

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Nr. 272
Vermerk des Regierungsrats Wienstein zur Frage der Fürstenabfindung. 26. Januar 1926

R 43 I /2206 , Bl. 66 f.

Herrn Reichskanzler durch Herrn Staatssekretär zur geneigten Kenntnisnahme gehorsamst vorgelegt.

Der Reichsminister des Innern teilt mit, daß der unter kommunistischer Führung stehende „Ausschuß zur Durchführung des Volksentscheids“ zum Zwecke der Einleitung und Durchführung eines Volksbegehrens einen von mehr als 5000 Stimmberechtigten unterzeichneten Zulassungsantrag beim Reichsministerium des Innern eingereicht habe. Die bestehenden Vorschriften für die Zulassung des Antrags seien erfüllt1.

1

Vorstehendes wurde mitgeteilt vom RIM mit Schreiben an den RPräs., an sämtl. RM und die Rkei vom 22. 1. Danach gehören dem „Ausschuß zur Durchführung des Volksentscheids“ die folgenden Organisationen an: Zentralkomitee der KPD, Deutsche Liga für Menschenrechte, Internationaler Bund der Opfer des Krieges und der Arbeit, Reichsausschuß des Bundes der Freunde der Internationalen Arbeiterhilfe, Reichsbund der Kleinbauern, Gemeinschaft proletarischer Freidenker, Roter Frontkämpferbund. Beigefügt ist dem Schreiben ein gedr. Zulassungsantrag für ein Volksbegehren betr. den „Entwurf eines Gesetzes über entschädigungslose Enteignung der früheren Fürstenhäuser“. Der GesEntw. sieht u. a. vor: 1) Das Kapitalvermögen der Fürstenhäuser wird zur Verbesserung der Fürsorgeleistungen für Hilfsbedürftige (Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene) verwendet. 2) Die landwirtschaftlichen Güter werden an Kleinbauern, Pächter und Landarbeiter aufgeteilt. 3) Schlösser und sonstige Gebäude werden für allgem. Wohlfahrts- und Erziehungszwecke (Genesungsheime) verwendet (R 43 I /2206 , Bl. 62-65).

Inzwischen haben jedoch am Montag, dem 25. 1., die Vertreter der Sozialdemokraten, der Kommunistischen Partei und des „Ausschusses für den Volksentscheid“ einen gemeinsamen Antrag zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten eingereicht, der mit der Unterschrift von zwei Vertretern der SPD, je eines Vertreters der KPD und des erwähnten Ausschusses versehen ist. Der Antrag ist ohne weiteres zuzulassen, es genügt der Hinweis darauf, daß hinter[1063] dem Antrag die genannten Parteien mit zahllosen Stimmen stehen (Mitteilung des Ministerialrats Kaisenberg im Reichsministerium des Innern; vgl. § 27 Ges. über Volksentscheid v. 27.6.21, RGBl., S. 790 )2. Durch diesen gemeinsamen Antrag soll der ersterwähnte Antrag des Ausschusses zur Durchführung des Volksentscheids nach gemeinsamem Wunsch der Beteiligten erledigt sein.

2

Näheres über diesen Antrag in der Kabinettsvorlage des RIM vom 30. 1. (Anm. 15 zu Dok. Nr. 277).

[…]

Im übrigen hat am Sonnabend, dem 23. Januar 1926, eine Besprechung von Abgeordneten des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Demokraten, der Wirtschaftlichen Vereinigung und der Bayerischen Volkspartei mit den beteiligten Reichsressorts, nämlich dem Reichsinnen- und dem Reichsjustizministerium, über die gemeinsame Aufstellung eines Gesetzentwurfs stattgefunden, der die Materie der Fürstenabfindungen regeln soll. Vorgesehen ist in dem Gesetzentwurf ein aus neun Personen bestehendes Schiedsgericht beim Reichsgericht. Den Vorsitz soll der Reichsgerichtspräsident Dr. Simons haben. Beisitzer sollen drei Reichsgerichtsräte und drei Richter aus den höchsten Verwaltungsgerichten der Länder sein, ferner je ein Vertreter des betreffenden Landes und des betreffenden Fürstenhauses. Die Beratungen über diesen Gesetzentwurf sind aber noch nicht sehr weit gediehen3. Wenn dieser Gesetzentwurf im Reichstag durchkommen soll, wird die Zustimmung der Deutschnationalen erforderlich sein.

3

Ein GesEntw. dieses Inhalts wird seitens der Koalitionsparteien am 2. 2. im Rechtsausschuß des RT eingebracht. Zum näheren Inhalt und zur Behandlung im Kabinett s. Dok. Nr. 292, P. 5, dort auch Anm. 7.

W[ienstein]

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