1.116 (lut2p): Nr. 285 Vermerk des Ministerialrats Wachsmann über verschiedene Besprechungen zur Frage der Ostsiedlung am 8. Februar 1926

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Nr. 285
Vermerk des Ministerialrats Wachsmann über verschiedene Besprechungen zur Frage der Ostsiedlung am 8. Februar 1926

R 43 I /1288 , Bl. 118 f.

In der Sitzung vom 8. Februar waren vertreten außer dem einladenden Reichsarbeitsministerium Reichsinnenministerium, Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Reichsfinanzministerium. Nicht vertreten, da nicht eingeladen, Reichswirtschaftsministerium und Reichsjustizministerium. Reichsarbeitsministerium steht auf dem Standpunkt, daß die Zuziehung des Reichswirtschaftsministeriums nicht notwendig sei, weil es allgemein gegen Kapitalinvestitionen von seiten des Reichs bei der Wirtschaft sei und daher von ihm eine Förderung der Pläne nicht zu erwarten sei. Ich habe dem widersprochen.

Die Absicht des Reichsarbeitsministeriums war, in der Sitzung eine Antwort auf das Schreiben des Preußischen Landwirtschaftsministeriums vom 12. 1. – RK 2681 – zu entwerfen. Ich habe dem mit der Begründung widersprochen, daß, ehe nicht die Absichten des Reichs völlig klargelegt seien, eine Antwort nicht in Frage kommen könne. Nachdem von den Ressorts, namentlich vom Reichsernährungsministerium wegen der Dauerpacht und vom Finanzministerium wegen des Mangels an Geld, Bedenken gegen die hiesigen Pläne[1102] erhoben worden waren2, habe ich noch einmal mit aller Eindringlichkeit die nationalpolitischen Notwendigkeiten nach Maßgabe meiner anliegenden Notiz dargelegt3. Ich habe gebeten, es möge sofort über den hiesigen Vorschlag, d. h. die Einbringung eines Ermächtigungsgesetzes in den bekannten beiden Punkten4 und eines Antrages an das Kabinett wegen der Schaffung eines Ressortausschusses5, entschieden werden. Das Reichsarbeitsministerium hat dies zugesagt und wird im Laufe des 10. Februar entsprechende Anträge zur Beschlußfassung dem Kabinett vorlegen6. Von seiten des Ernährungsministeriums wurden besonders noch Bedenken gegen die Beschränkung der Tätigkeit auf ein zunächst eng umschriebenes Gebiet geltend gemacht sowie ferner nahegelegt, Preußen einen größeren Einfluß einzuräumen; von einem Ermächtigungsgesetz im Sinne einer Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes wurde abgeraten.

1

Hier abgedr. als Dok. Nr. 262.

2

Zur Dauerpacht vgl. die Vorschläge Wachsmanns in seiner Denkschrift vom 6. 1. (Anm. 1 zu Dok. Nr. 268). Demgegenüber hatte sich MinR Herr (REMin.) in einer Ausarbeitung vom 28. 1. („Bemerkungen zu dem Plan der Reichskanzlei über die Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung im Osten“) dahin ausgesprochen, den Siedlerstellen die Rechtsform des Rentengutes zu geben. „Alle vorgeschlagenen Rechtsformen des Nießbrauches, der Pacht und des Erbbaurechtes müssen demgemäß zurücktreten. Nur der Eigentümer bietet die Gewähr, daß er wirklich mit der Scholle verwächst und sie so intensiv wie möglich bewirtschaftet. Die Form des Rentengutes sichert dabei die im öffentlichen Interesse erforderlichen Beschränkungen, ermöglicht insbesondere die Einführung eines Wiederverkaufsrechts zu Gunsten des Staates oder der Ansiedlungsgesellschaft. Die etwaige Wiedereinführung der Erbpacht begegnet Bedenken, da einmal das Rentengut dem Siedler eine rechtlich gesicherte Stellung verleiht und man zweitens in der Erbpacht vielfach einen Überrest beseitigter feudaler Rechtsverhältnisse sieht.“ (R 43 I /1288 , Bl. 94-103).

3

In beiliegender Notiz heißt es u. a. wörtlich: „Letztes und eigentliches Ziel der Pläne, das aber nicht schriftlich dargelegt und in dieser Unverhülltheit auch kaum ausgesprochen werden kann, bei der Aktion aber nie aus den Augen verloren werden darf, ist die Abwehr des slawischen Vorstoßes auf die deutsche Ostgrenze, in den der Weltkrieg unseren östlichen Nachbarn gegenüber ausgemündet ist. Polen vor allen Dingen, aber auch die Tschechei, haben weite deutsche Landesteile vom Mutterlande abgetrennt und sie mitsamt ihrem Hinterlande entdeutscht; beide haben sieben Jahre lang intensivst an der Austreibung der Deutschen gearbeitet und sind am Werke, ihre Stammesgenossen an den deutschen Grenzen dichter anzusetzen als das bisher geschehen ist. Sie können sich so u. U. leicht eine Plattform schaffen, von der sie in Zukunft weiter westwärts vorstoßen werden, nachdem sie inzwischen bemüht sind, andere Landesteile Deutschlands mit ihren Stammesgenossen zu durchsetzen (Korridor, Ostpreußen).“ (R 43 I /1288 , Bl. 120 f.).

4

Es handelt sich um den von Wachsmann am 22. 1. vorgelegten Gesetzentwurf, der die RReg. zur vorzeitigen Verausgabung von Mitteln aus dem Etat 1926 und zur beschleunigten Ansiedlung von Bauern ermächtigen will. S. Anm. 1 zu Dok. Nr. 268.

5

Der von Wachsmann vorgeschlagene siedlungspolitische Ausschuß, s. ebd.

6

Eine förmliche Kabinettsvorlage erfolgt hierzu vorerst nicht. Zur weiteren Behandlung im Kabinett und auf Ressortebene vgl. Dok. Nr. 297 und Anm. 2 zu Dok. Nr. 351.

Das Reichsinnenministerium wünscht Beteiligung in dem Ausschuß, wie bereits früher gemeldet wurde. Die Entscheidung darüber kann dem Kabinett überlassen bleiben. Es wird zunächst abzuwarten sein, welche Anträge das Reichsarbeitsministerium stellt.

Ich habe die Frage der Finanzierung heute noch einmal im Reichsfinanzministerium besprochen und dort erfahren, daß tatsächlich die beabsichtigten Steuersenkungen7 die Bereitstellung von Mitteln außerordentlich erschweren werden. Bereits heute vormittag habe ich im Reichsarbeitsministerium unter allgemeiner Zustimmung das eine hervorgehoben, daß mit geringen Mitteln[1103] nichts zu erwarten ist, daß vielmehr wenige Beträge nutzlos vergeudet sein würden. Wenn ein Erfolg in nationalpolitischer Beziehung gewährleistet sein soll, kann das nur durch jährlich wiederholte Auflegungen geschehen.

7

Vgl. dazu Dok. Nr. 286, P. 1.

Einen Staatskredit an Preußen habe ich abgelehnt.

[…]

W[achsmann], 8. 2.

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