1.134.1 (ma12p): 1. Note der bayerischen Regierung wegen Besetzung des süddeutschen Senats im Prozeß gegen die Organisation Consul.

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1. Note der bayerischen Regierung wegen Besetzung des süddeutschen Senats im Prozeß gegen die Organisation Consul.

Staatssekretär Joel: Wie bekannt sein dürfte, habe die Bayerische Regierung in einer an den Reichskanzler und an den Reichsjustizminister gerichteten[1146] Note um Aufklärung darüber gebeten, ob die Zeitungsnachrichten zutreffend seien, die dahin gingen, daß der süddeutsche Senat des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik in dem letzten Prozeß gegen Mitglieder der Organisation Consul1 mit drei norddeutschen Stellvertretern besetzt gewesen sei. Dieses Verfahren sei nach Auffassung der Bayerischen Regierung vorschriftswidrig2. Die Bayerische Regierung habe ferner gefragt, ob auch schon in früheren Prozessen so verfahren worden sei. Die sechs Laienmitglieder des Senats würden durch sechs im voraus bestimmte Stellvertreter nach der von dem Vorgänger des Senatspräsidenten Niedner, Senatspräsident Schmidt, erlassenen Geschäftsordnung vertreten. Wenn daher drei Laienmitglieder des Senats an der Teilnahme an der Sitzung verhindert gewesen seien, so hätten nach der Geschäftsordnung zunächst deren Stellvertreter und im Falle ihrer Verhinderung die übrigen Stellvertreter an der Sitzung teilnehmen müssen. Senatspräsident Niedner habe berichtet, daß für die drei verhinderten Laienmitglieder des süddeutschen Senats keine Stellvertreter dieses Senats, sondern Stellvertreter des norddeutschen Senats von ihm berufen worden seien. Auch in früheren Prozessen sei schon so verfahren worden. Er (Staatssekretär Joel) halte dieses Verfahren nicht für unbedenklich. Die vom Senatspräsidenten Schmidt erlassene Geschäftsordnung sei zwar eine reine Verwaltungsanordnung, die sein Nachfolger durch eine besondere Geschäftsordnung jederzeit wieder außer Kraft setzen könne. Es sei jedoch nicht unbedenklich, ohne Erlaß einer besonderen Anordnung sich über die nun einmal existierende Geschäftsordnung hinwegzusetzen.

1

Zum Prozeß gegen die „Organisation Consul“ vor dem Süddeutschen Senat des Staatsgerichtshofs zum Schutz der Republik vom 22.–25. 10. in Leipzig s. Schultheß 1924, S. 101.

2

In dem hier erwähnten Schreiben des bayer. Gesandten v. Preger an den RJM vom 28. 10. wird auf Meldungen der „Münchener Zeitung“ und des „Miesbacher Anzeigers“ hingewiesen, wonach der Präs. des Staatsgerichtshofes, Niedner, für drei verhinderte Mitglieder des Süddeutschen Senats im Verfahren gegen die Organisation Consul drei Stellvertreter aus dem Norddeutschen Senat berufen habe, ohne die vorgesehenen Stellvertreter des Süddeutschen Senats zu berücksichtigen. Falls die Zeitungsnachrichten zuträfen, scheine nach Ansicht der Bayer. Reg. die Besetzung des Staatsgerichtshofs „in einer Weise erfolgt zu sein, die mit dem Abkommen zwischen der Bayer. Reg. und der RReg. über die Bildung des Süddeutschen Senats nicht vereinbar ist. Die Bayer. Reg. würde eine derartige Verletzung des Abkommens auf das Lebhafteste bedauern und darf sich der bestimmten Erwartung hingeben, daß in Zukunft derartige Verstöße unterbleiben.“ (R 43 I /2262 , Bl. 123f). Das sog. Berliner Protokoll vom 11.8.22 und die ergänzenden Erklärungen der RReg. und der Bayer. Reg. über die Ausführung des Republikschutzgesetzes und die Bildung eines Süddeutschen Senats beim Staatsgerichtshof werden abgedr. in dieser Edition, Die Kabinette Wirth I und II; vgl. auch Fritz Poetzsch, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, in: Jbch. des öffentl. Rechts, Bd. 13 (1925), S. 83 ff.

Er (Staatssekretär Joel) empfehle, die Sachlage der Bayerischen Regierung darzulegen und dabei zum Ausdruck zu bringen, daß versucht werden soll, die hervorgetretenen Mißstände durch eine entsprechende Änderung der Vorschriften über die Besetzung des Staatsgerichtshofs abzustellen.

Das Reichskabinett erklärte sich hiermit einverstanden, wenn die Sache in diesem Sinne erledigt werde3.

3

Im Antwortschreiben des RK an den bayer. Gesandten vom 22. 11. heißt es zum Schluß: Der Vorsitzende des Staatsgerichtshofs sei rechtlich zweifellos befugt gewesen, die von seinem Vorgänger getroffene Anordnung über die Vertretung der Mitglieder des Staatsgerichtshofs abzuändern. „Sachlich scheint mir allerdings die neue Regelung besonders auch mit Rücksicht auf die Vereinbarungen des Berliner Protokolls nicht ohne Bedenken zu sein.“ Der RJM werde daher mit dem Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs in Verbindung treten, „um eine Verteilung der Mitglieder des Staatsgerichtshofs auf die beiden Senate und eine Regelung ihrer Vertretung herbeizuführen, die den Abmachungen des Berliner Protokolls entspricht und den Anschein vermeidet, als richte sich die Besetzung des Gerichts im Einzelfalle nach dem freien Ermessen des Vorsitzenden.“ (R 43 I /2262 , Bl. 140f).

[1147] Der Reichsminister des Auswärtigen Die ganze Angelegenheit habe in der Öffentlichkeit schon große Erregung hervorgerufen. Er bitte zu erwägen, ob es sich nicht empfehle, eine offiziöse Verlautbarung der Reichsregierung in dieser Angelegenheit herauszugeben.

Staatssekretär Joel: Er müsse sich gegen eine derartige Verlautbarung aussprechen, da das von dem Staatspräsidenten Niedner eingeschlagene Verfahren vom Standpunkte der Gerichtsverfassung aus nicht frei von Bedenken sei4.

4

Anstelle des letzten Nebensatzes stand ursprünglich im Protokoll: „Angegriffen sei der Senatspräsident Niedner, und der müsse sich auch verteidigen, nicht die Reichsregierung.“ Die Korrektur erfolgt auf Antrag des StS Joel.

Das Reichskabinett hatte gegen diese Auffassung nichts einzuwenden.

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