2.181.5 (ma31p): 5. Fall Lüttwitz.

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5. Fall Lüttwitz.

Weiter trug außerhalb der Tagesordnung der Reichsarbeitsminister den Fall Lüttwitz vor6. General v. Lüttwitz sei vom damaligen Reichswehrminister[529] Noske entlassen worden. Die Entlassung habe der damalige Vizekanzler und Vertreter des Reichspräsidenten Schiffer bestätigt. Auch der damalige Reichskanzler Müller und der Reichspräsident Ebert hätten später zugestimmt.

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In seiner Kabinettsvorlage vom 2.2.27 führte RArbM Brauns hierzu aus: Seit dem 1.8.25 beziehe General a. D. Frhr. v. Lüttwitz gemäß einer Entscheidung der zuständigen Versorgungsbehörde fortlaufend sein Ruhegehalt. Die Entscheidung gründe sich darauf, daß Lüttwitz am 17.3.20 durch Verfügung des damaligen Vizekanzlers Schiffer „unter Vorbehalt der Regelung seiner Pensionsansprüche“ verabschiedet worden sei; diese Verfügung habe RPräs. Ebert am 29.3.20 unter Gegenzeichnung des RK Müller bestätigt. Für die Zeit vor dem 1.8.25 sei bisher das Ruhegehalt nicht ausgezahlt worden. Doch habe das Reichsversorgungsgericht unter Berufung auf das Amnestiegesetz (siehe Anm. 7) durch letztinstanzliches Urteil vom 23.11.26 Lüttwitz das Recht auf Pensionsnachzahlung für die Zeit vom 1.1.23 bis 31.7.25 zuerkannt. Versorgungsrechtlich bestehe unter diesen Umständen keine Möglichkeit, die sich auf rd. 23 000 RM belaufende Nachzahlung an Lüttwitz „noch längere Zeit aufzuhalten“. Bei den Beratungen im Haushaltsausschuß des RT habe der SPD-Abg. Rosenfeld beanstandet, daß das Reich keinen Schadenersatzanspruch gegen Lüttwitz geltend gemacht und einen solchen Anspruch nicht gegen die Nachzahlungsforderung aufgerechnet habe. Da diese Frage „im wesentlichen unter allgemein politischen Gesichtspunkten beurteilt werden“ müsse, halte er, der RArbM, eine Entscheidung des Gesamtkabinetts für erforderlich. Er bitte um eine Stellungnahme des Kabinetts zu der Frage, ob „eine Möglichkeit der Aufrechnung oder einer sonstigen Vorenthaltung der Nachzahlung besteht oder ob die Nachzahlung veranlaßt werden soll“ (R 43 I /2725 , Bl. 131–132). – Zur Pensionszahlung an Lüttwitz und andere Hauptbeteiligte des Kapp-Putsches siehe auch die Reichstagsdebatte vom 21.2.27 (RT-Bd. 392, S. 9131 , 9135  f., 9138, 9140 f., 9145).

Bei der Entlassung sei die Regelung der Pension vorbehalten worden. Nach Erlaß des Amnestiegesetzes vom August 19257 habe sich der Reichsarbeitsminister der Festsetzung der Pension nicht entziehen können.

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Statt „1925“ in der Vorlage irrtümlich „1916“. – Auf Grund des „Gesetzes über die Straffreiheit“ vom 17.8.25 (RGBl. I, S. 313 ) war das gegen Lüttwitz und andere Initiatoren des Kapp-Putsches eingeleitete Hochverratsverfahren eingestellt worden.

General v. Lüttwitz habe 2 Forderungen gestellt: 1.) auf Nachzahlung der Pension, 2.) auf fortlaufende Pensionszahlungen. Die Nachzahlung sei vom Reichsarbeitsminister abgelehnt worden. Das Reichsversorgungsgericht habe sie dem General v. Lüttwitz in Höhe von 23 000 Mark zuerkannt. Davon sei die Steuer zu kürzen. Die Auszahlung sei noch nicht erfolgt.

Von parlamentarischer Seite sei angeregt worden, gegen General v. Lüttwitz Schadenersatzansprüche geltend zu machen und aufzurechnen.

Ähnlich liege der Fall des Obersten Bauer, dem auch seine Pensionsansprüche rechtskräftig zuerkannt seien. Weiter kommen Ansprüche von Ehrhardt, Bischoff und Pabst in Frage.

VizekanzlerHergt erklärte, er sei damals an den Verhandlungen mit Lüttwitz und Pabst beteiligt gewesen8. Beide hätten Kürzungen ihrer Bezüge nicht zugeben wollen. Ihnen sei im Benehmen mit Trimborn, Dr. Stresemann und Gothein zugesichert worden, daß ihre Amnestierung vorgeschlagen werden würde. Auch Vizekanzler Schiffer habe sich in diesem Sinne ausgesprochen, ohne für die Reichsregierung eine endgültige Erklärung abzugeben.

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Über diese Verhandlungen, die am 16. und 17.3.20 in Berlin stattfanden, berichtete Hergt in der Sitzung des RT vom 2.8.20 (RT-Bd. 344, S. 545 –548). Vgl. dazu auch Erger, Der Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 259 ff.

Am 17. März 1920, dem Tage des Abschlusses des Kapp-Putsches, habe Schiffer erklärt, es bestehe die Absicht, General v. Lüttwitz die Pension zu gewähren. Daraus könne wohl der Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen ihn gefolgert werden.

Er halte es für möglich und zweckmäßig, die Zuwendung vorläufig abzulehnen mit der Begründung, daß Rechtsfragen noch zu prüfen seien.

Reichsminister Dr. Köhler trat diesen Ausführungen bei. Staatssekretär Meissner führte aus, der damalige Reichspräsident Ebert habe zunächst abgelehnt, eine Urkunde zu unterschreiben, die ihm vorgelegt worden sei und aus der er den Verzicht auf die Nachprüfung der Frage herauslas, ob dem General v. Lüttwitz eine Pension zu zahlen sei. Reichspräsident Ebert habe gewünscht, daß diese Frage geprüft werde. Auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen hätte er nicht ausschließen wollen.

Nach seiner Ansicht müsse der rechtskräftig zugesprochene Betrag an General v. Lüttwitz gezahlt werden. Das Reich müsse auf Schadensersatz klagen und später gegebenenfalls gegen die künftigen Pensionsansprüche aufrechnen.

Wie ReichsarbeitsministerBrauns ausführte, hat General v. Lüttwitz damals geschrieben, die Pensionsfrage bleibe weiterer Regelung vorbehalten. Bestimmte[530] Erklärungen habe er nicht abgegeben. Ihm scheint, als wenn damals die Frage, ob ihm ein Rechtsanspruch auf die Pension zustehe, nicht hätte verneint werden sollen. Das Reichsversorgungsgericht habe diese Frage nicht geprüft, sondern nur über den Anspruch auf die rückständigen Zahlungen entschieden.

Das Kabinett beschloß, die Zahlung der rückständigen Pensionsbeträge, die dem General v. Lüttwitz nach dem Urteil des Reichsversorgungsgerichts zustehen, soll ausgesetzt werden, bis das Reichsjustizministerium im Benehmen mit dem Reichsarbeitsministerium mit tunlichster Beschleunigung folgende Fragen geprüft hat:

1.

Steht nach den Verhandlungen, die die Reichsregierung im März 1920 mit General v. Lüttwitz gepflogen hat, sein Rechtsanspruch auf Pension einwandfrei fest?

2.

Kommt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn in Frage (Verjährung, Abmachungen 1920)?

3.

Vollstreckbarkeit des Urteils des Reichsversorgungsgerichtes9.

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Zu diesen drei Fragen äußerte sich RJM Hergt in einem Schreiben an den StSRkei vom 31.3.27 folgendermaßen: 1) Bei Würdigung der gesamten Sach- und Rechtslage müsse angenommen werden, daß Frhr. v. Lüttwitz nach der Art seiner Entlassung einen materiell begründeten Rechtanspruch auf Ruhegehalt hatte. 2) v. Lüttwitz habe sich einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht und sei dem Reich für den dadurch entstandenen Schaden grundsätzlich verantwortlich. In einem Rechtsstreit wäre dieser Schaden näher zu bezeichnen und zu beweisen. Die Gerichte könnten jedoch einen Verzicht auf Schadenersatz darin finden, „daß die maßgebenden Reichsorgane die Pensionsansprüche dem General von Lüttwitz [bei dessen Verabschiedung] ausdrücklich vorbehalten, dagegen nicht irgendwie dem Reiche die Entgegensetzung von Schadenersatzansprüchen offen gehalten haben, obwohl ihnen offenbar bereits bekannt war, daß Freiherr von Lüttwitz dem Reiche einen erheblichen Vermögensschaden zugefügt hatte“. Ob unter diesen Umständen eine Schadensersatzklage des Reichs gegen Lüttwitz Erfolg verspreche, sei ungewiß. 3) Gesetzliche Vorschriften über die Vollstreckbarkeit eines Urteils des Reichsversorgungsgerichts gebe es nicht. Die Versorgungsbehörden hätten auf Grund des Urteils die nachzuzahlende Summe zu berechnen. Falls v. Lüttwitz mit dieser Berechnung nicht einverstanden sei, könne er dagegen Berufung einlegen (R 43 I /2725 , Bl. 137–141). Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten erklärte Hergt in einem weiteren Schreiben an den StSRkei vom 6.5.27, daß die Anrechenbarkeit von Schadenersatzansprüchen des Reichs gegen die Pension des Frhr. v. Lüttwitz „zweifelhaft“ sei. Das Kabinett müsse nun darüber entscheiden, „ob die nachträgliche Erhebung von Schadenersatzansprüchen gegen von Lüttwitz angezeigt erscheint“ (R 43 I /2725 , Bl. 150). Zur Entscheidung des Kabinetts siehe Dok. Nr. 273, P. 3.

Die Fragen sind auch in den anderen Verfahren zu prüfen, die in gleichliegenden Fällen anhängig gemacht werden.

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