1.207.2 (ma32p): 2. Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Stillegung von Betrieben, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität versorgen, vom 10.11.1920 (RGBl.  S. 1865) und Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 15. September 1923 (RGBl. I, S. 879).

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2. Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Stillegung von Betrieben, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität versorgen, vom 10.11.1920 (RGBl.  S. 1865 ) und Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 15. September 1923 (RGBl. I, S. 879 )1.

1

Vgl. hierzu Dok. Nr. 439, P. 1.

Ministerialdirektor Dr. Schäffer führte aus, daß die Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Stillegung von Betrieben, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität versorgen vom 10.11.1920 im letzten Braunkohlenstreik gute Dienste geleistet habe2. Schon die Tatsache des Vorhandenseins[1374] der Verordnung sei von großer Bedeutung gewesen. Allerdings befasse sich auch der neue Strafgesetzentwurf3 mit der in der Verordnung genannten Materie und sehe sogar noch schärfere Strafvorschriften vor. Es sei jedoch noch nicht abzusehen, wann der Entwurf des Strafgesetzes verabschiedet werde. Das Entstehen eines Vakuums halte er für bedenklich.

2

Der frühere RIM Külz hatte bereits am 7.10.26 die Aufhebung dieser VO aus verfassungsrechtlichen Gründen vorgeschlagen (R 43 I /2701 , Bl. 78). Das RWiMin. hatte der Aufhebung der VO jedoch mehrfach widersprochen, so in einer Chefbesprechung vom 24.11.27 (RIM an StSRkei, 6.12.27, R 43 I /2701 , Bl. 81). Mit Schreiben vom 10.12.27 an den RIM teilte RWiM Curtius mit: Die „Kreise der Elektrizitätswirtschaft“, mit denen er sich nochmals wegen der Aufhebung der VO in Verbindung gesetzt habe, legten „besonders auf Grund der beim letzten Braunkohlenstreik gemachten Erfahrungen nach wie vor das größte Gewicht darauf, daß diese Schutzbestimmungen für die lebenswichtigen Betriebe erhalten bleiben“ (R 43 I /2701 , Bl. 82). Die auf Grund von Art. 48 RV erlassene VO vom 10.11.20 bestimmte in § 1: In Betrieben, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität versorgen, sind Aussperrungen und Streiks erst zulässig, wenn der zuständige Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch gefällt hat und seitdem mindestens drei Tage vergangen sind. Wer zu einer unzulässigen Aussperrung oder Arbeitsniederlegung auffordert oder zur Durchführung eines solchen Streiks an Maschinen oder Einrichtungen Handlungen vornimmt, durch die die ordnungsmäßige Fortführung des Werks unmöglich gemacht oder erschwert wird, wird mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. § 2: Werden die genannten Betriebe durch Aussperrungen oder Streiks stillgelegt, so ist der RIM berechtigt, die zur Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Notstandsarbeiten durchführen zu lassen (RGBl. 1920, S. 1865 ; Abdruck in: Huber, Dokumente zur dt. Verfassungsgeschichte, Bd. 3, Dok. Nr. 230). Diese VO blieb bis 1934 in Kraft.

3

Siehe Dok. Nr. 439, Anm. 3.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß die Frage der Aufhebung dieser Verordnung sowie auch der Verordnung des Reichspräsidenten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 15.9.19234 Sache des politischen Taktes sei. Jedenfalls sei es wohl bedenklich, einzelne Vorschriften wie z. B. die Vorschrift des § 2 in der angeführten Verordnung vom 15.9.1923 gegen Aufforderung zur Zurückhaltung von Lebens- und Futtermitteln usw. außer Kraft zu setzen, im übrigen die Verordnung jedoch in Geltung zu belassen.

4

Siehe hierzu Dok. Nr. 439, P. 1, dort auch Anm. 2.

Staatssekretär Dr. Popitz erklärte es für das beste, vorläufig keine Verordnung ganz oder zum Teil aufzuheben.

Staatssekretär Dr. Meissner erklärte, daß der Reichspräsident bereit sei, die Verordnungen noch weiter in Kraft zu lassen. Der Reichspräsident wolle die Verordnungen jedoch nur in ihrer Gesamtheit in Wirksamkeit lassen und werde der Aufhebung nur einzelner Bestimmungen seine Zustimmung versagen.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers stellte fest, daß durch diese Erklärung die Situation sich geändert habe. Es komme ferner die Zuspitzung der Situation auf steuerlichem Gebiet hinzu5.

5

Vgl. Dok. Nr. 450, P. 4.

Das Reichskabinett beschloß, sich vorläufig für die weitere Gültigkeit der genannten Verordnungen des Reichspräsidenten auszusprechen, wenn nicht der Reichsminister des Innern erneut auf die Sache zurückkommen sollte6.

6

Zum Fortgang der Kabinettsberatung über diese Frage siehe diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 14, P. 6 und Dok. Nr. 126, P. 1 und 2.

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