2.88 (mu11p): Nr. 88 Der Reichsinnenminister an den Preußischen Ministerpräsidenten, 10. Mai 1920

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[212] Nr. 88
Der Reichsinnenminister an den Preußischen Ministerpräsidenten, 10. Mai 1920

R 43 I /2305 , Bl. 86 f. Abschrift

[Betrifft: Reichskommissar für öffentliche Ordnung.]

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Da ich weiß, wie sehr Ihnen ein gutes Verhältnis zwischen dem Reich und Preußen am Herzen liegt und da ich es auch meinerseits für meine Pflicht halte, Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die sich diesem Bestreben entgegenstellen könnten, bitte ich sehr, Ihnen folgendes vortragen zu dürfen.

Sie wissen, daß es seit längerer Zeit die Absicht der Reichsregierung ist, sich eine Mitwirkung bei der Beobachtung und Verfolgung politischer Umsturzbestrebungen von rechts und links zu sichern1. Da seitens des Herrn Ministerialdirektors Nobis zunächst in den Verhandlungen des Reichsrats Bedenken geäußert waren, habe ich in mehrfachen Besprechungen mit Ihnen und Herrn Unterstaatssekretär Göhre, teilweise unter Mitwirkung des Herrn Reichskanzlers, ein völliges Einverständnis erzielt. Wir kamen dahin überein, daß die Angelegenheit von Reich und Preußen gemeinsam zu betreiben sei. Das weitere wurde den Besprechungen der Unterstaatssekretäre überlassen. Auch diese Besprechungen sind durchaus zufriedenstellend verlaufen. Das Reich ist dabei hinter seinem ursprünglichen Standpunkt noch erheblich zurückgewichen, indem es sich zunächst damit begnügen will, daß der zur Leitung des Reichskommissars einberufene Präsident Kuenzer sich der preußischen Stelle als Vermittlung bedient und auf eigene Exekutive verzichtet. In diesem Sinne ist gemäß Vereinbarung mit Herrn Unterstaatssekretär Freund gestern von mir an den Preußischen Minister des Innern geschrieben worden.

1

S. hierzu Dok. Nr. 24, P. 16.

Trotzdem sind heute in der Sitzung des Reichsratsausschusses die Verhandlungen nicht glatt verlaufen. Nachdem der Sächsische Bevollmächtigte ausgeführt hatte, daß durch Genehmigung der Stelle die Reichsregierung keine weiteren Befugnisse erhalten, als ihr gesetzlich jetzt zuständen oder ihr durch Vereinbarung mit den Ländern gegeben würden, hat mein Kommissar, Geheimrat von Jacobi, erklärt, daß er dies, soweit er unterrichtet sei, zusagen könne; eine Vereinbarung mit Preußen sei angebahnt.

Darauf erklärte der preußische Vertreter, Ministerialdirektor Nobis, daß eine Verständigung mit Preußen nicht erzielt sei, worauf Geheimrat von Jacobi sofort erklärte, er habe auch nur gesagt, Verhandlungen seien im Gange. Darauf erklärte Herr Nobis: „Die Wünsche des Reichs würden in Preußen keine Erfüllung finden.“ Im Anschluß hieran wurde das Verlangen ausgesprochen, die Erklärung des Kommissars des Reichsministeriums des Innern in der Vollversammlung des Reichsrats zu wiederholen.

[213] Ich halte das seitens des Ministerialdirektors Nobis geübte Verfahren auch in diesem Falle nicht für angebracht. Wenn Herr Nobis über die Sachlage nicht unterrichtet war, so war es unerwünscht, wenn er, auch in diesem Falle wiederum, durch seine Äußerung im Reichsrat den Eindruck hervorrief, als ob Unstimmigkeiten zwischen dem Reich und Preußen beständen, und auch vor dem versammelten Reichsratsausschuß Angelegenheiten zur Erörterung brachte, die zwischen den beteiligten Ministern und ihren Beauftragten ohne Mühe geglättet werden können. Es wird dadurch immer wieder ein falscher Eindruck über die Absichten des Reichs erweckt und es erhält den Anschein, als ob es immer wieder einer lebhaften Defensive Preußens bedürfe, um das Reich in seine Schranken zurückzuweisen. Solche Vorkommnisse werden von den süddeutschen Reichsratsmitgliedern an ihre Regierungen berichtet und tragen wiederum dazu bei, Gegensätze der außerpreußischen Länder zum Reiche hervorzurufen.

Ich würde vielleicht die Sache nicht zum Anlaß eines Schreibens gemacht haben, wenn es sich um einen Einzelfall handelte. Es liegt mir aber daran, die ganze Art, mit der Preußen im Reichsrat vertreten ist, von meinem Standpunkt aus zu beleuchten. Da ich Ihren guten Willen in der Angelegenheit kenne und es für unerwünscht halte, wenn sich das Verhältnis zwischen dem Reich und Preußen im Reichsrat in der bisherigen Weise fortsetzt, so halte ich eine Darlegung für sachdienlich. Ich brauche nicht zu versichern, daß ich auch meinerseits in umgekehrt liegendem Falle gern bereit bin, Abhilfe zu schaffen2.

2

Zu weiteren Auseinandersetzungen des RIM Koch mit den pr.RR-Vertretern über andere Fragen s. das „Kabinett Fehrenbach“. – Als Reichs- und Staatskomm. für öffentliche Ordnung amtierte seit Mai 1920 der bad. Gendarmerieoberst Kuenzer.

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