2.218.1 (mu21p): 1. Entwurf eines Gesetzes über den deutsch-estnischen Handels- und Schiffahrtsvertrag.

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1. Entwurf eines Gesetzes über den deutsch-estnischen Handels- und Schiffahrtsvertrag.

Ministerialdirektor Dr. Ritter trug den Sachverhalt vor und beantragte, dem Gesetzentwurf über den deutsch-estnischen Handels- und Schiffahrtsvertrag zuzustimmen1.

1

Für die 1919 von der estnischen Regierung enteigneten Großgrundbesitzer war am 2.5.26 ein Entschädigungsgesetz erlassen worden. In den seit langem laufenden Verhandlungen mit der estnischen Regierung hatten die Geschädigten deutscher Staatsangehörigkeit ihre Forderungen von 19 auf 10 Mio Mark gesenkt, ohne daß es zu einer Einigung gekommen war. Vom AA war bereits 1925 der Standpunkt vertreten worden, erst nach der Regelung der Entschädigungsfrage könne ein Handelsvertrag mit Estland geschlossen werden. Auf die Zusicherung der estnischen Regierung, bis zum Abschluß eines Vertrages werde die Entschädigungsfrage bereinigt sein, waren im Sommer 1928 jedoch Verhandlungen aufgenommen worden, die zu einem Vertrag geführt hatten, der am 7.12.28 unterzeichnet worden war (Material hierzu in R 43 I /1122 , besonders ein Schreiben Koch-Wesers an den RK vom 7.6.29). Auf Grund zweier Kabinettsbeschlüsse vom 17.11.28 und vom 7.12.28 war der Handelsvertrag in Deutschland nicht ratifiziert worden. Erneute Verhandlungen mit Estland über die Entschädigungen waren vom AA günstig beurteilt, von den Geschädigten jedoch abgelehnt worden, da Estland keine verbindlichen Abmachungen eingegangen sei (Schreiben Koch-Wesers vom 7. 6.; R 43 I /1122 , Bl. 36-48).

Der Reichskanzler erinnerte daran, daß das Reichskabinett sich bereits am 7. Dezember 1928 mit dem deutsch-estnischen Handelsvertrag befaßt habe, und daß das Kabinett damals gewünscht habe, daß die Ratifikation von einer befriedigenden Regelung der Frage der Agrarentschädigung für die enteigneten deutschen Grundbesitzer abhängig gemacht werden solle. Wie sich aus der von Ministerialdirektor Ritter erwähnten Vorlage des Auswärtigen Amts vom 30. Mai 1929 […] ergebe, sei mit der estnischen Regierung über die Agrarentschädigung verhandelt worden2. Mehr als in diesem Notenwechsel erreicht, sei nach seiner Überzeugung von keiner estnischen Regierung zu erwarten. Die deutsche Regierung könne kaum mehr verlangen, als daß die Deutschen nicht schlechter gestellt werden wie die Angehörigen anderer Staaten, wenn die Fälle gleich gelagert sind. Soviel sei auch tatsächlich durchgesetzt. Was noch übrig geblieben sei, seien Wünsche von Neureichsdeutschen3, und es gehe nicht an, daß wegen derartiger Interessen die Verzögerung des Handelsvertrages in Kauf genommen werde4.

2

Diese Vorlage sowie die unten vom RAM erwähnten geheimen Zusatzverhandlungen konnten nicht ermittelt werden.

3

Deutsche, die ihre Staatsangehörigkeit erst nach dem Krieg erworben hatten.

4

Diese Einstellung hatte der RK schon am 27. 3. StS v. Schubert mitgeteilt (R 43 I /50 , Bl. 214-216).

[715] Der Reichskanzler sprach sich daher für die Annahme des Antrages des Auswärtigen Amts aus.

Der Reichsarbeitsminister bedauerte, daß es in den geheimen Zusatzverhandlungen zum Handelsvertrag anscheinend nicht gelungen sei, die Freizügigkeit der deutschen Angestellten zu erreichen.

Ministerialdirektor Dr. Ritter erklärte sich bereit, dem Reichsarbeitsminister nach der Kabinettssitzung über diese Angelegenheit weitere aufklärende Mitteilungen zu machen.

Der Reichskanzler stellte fest, daß das Kabinett mit der Weiterleitung des vom Auswärtigen Amt vorgelegten Gesetzentwurfs an den Reichsrat einverstanden sei5.

5

Wegen starker Widerstände im RR mußten die Verhandlungen über den Handelsvertrag dort zunächst vertagt werden (Vermerk in der Rkei vom 20. 6.; R 43 I /1122 , Bl. 74 f.). Der GesEntw. gelangte am 25. 6. in den RT und wurde am 27. 6. verabschiedet (veröffentlicht im RGBl. II, S. 509 ff.). Vom Mai 1930 an galten die Verhandlungen für Forderungen auf Entschädigung als gescheitert (R 43 I /51 , Bl. 3).

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