2.7.2 (mu21p): 2) Kriegsächtungspakt.

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[18]2) Kriegsächtungspakt5.

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Der Kellogg-Pakt hatte zuvor in den Kabinettssitzungen vom 19.4.28 und vom 27.4.28, P. 1 das Kabinett Marx IV beschäftigt, das nach Kenntnisnahme der französischen und amerikanischen Vorschläge und Vorstellungen sich entschloß, die amerikanischen zu unterstützen. Auf den Unterschied in den Auffassungen hatte der amerikanische Botschafter in Berlin den RAM am 13.4.28 hingewiesen: „Die Reg. der Vereinigten Staaten wünscht […] die Einrichtung des Krieges beseitigt zu sehen, und sie ist bereit, mit der frz., brit., deutschen und jap. Reg. einen einzigen vielseitigen Vertrag abzuschließen, der die einzelnen Parteien verpflichtet, nicht Krieg gegeneinander zu führen, und jeder anderen Reg. die Möglichkeit des Beitritts offen läßt. Die Reg. der frz. Republik, nicht weniger bemüht den Weltfrieden zu fördern und zu diesem Zweck mit anderen Nationen praktisch zusammenzuarbeiten, hat auf gewisse Bedenken hingewiesen, die nach ihrer Meinung von denjenigen in Erwägung gezogen werden müßten, die Mitglieder des Völkerbundes, Partner der Verträge von Locarno oder Partner anderer Verträge zur Sicherung der Neutralität sind.“ (Schultheß 1928, S. 491 f.).

Staatssekretär Dr. von Schubert gab zunächst eine historische Darstellung der Entwicklung der Verhandlungen über den Kriegsächtungspakt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den einzelnen Mächten6. Er führte aus, daß die letzte amerikanische Note (vom 23.6.1928) gewisse äußerliche Konzessionen an Frankreich enthalten habe, insbesondere die Zuziehung der noch fehlenden Locarno-Mächte Belgien, Polen und Tschechoslowakei zur ersten Unterzeichnung7. Auf Grund dieser amerikanischen Note sei in Berlin und an anderen Orten eine Demarche der französischen Vertreter erfolgt, um dem Wunsche Frankreichs Ausdruck zu geben, daß gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Kriegsächtungspakts Protokolle unterzeichnet werden sollten, wonach 1. die Verpflichtungen aus dem Völkerbundsvertrag und den Locarno-Verträgen unberührt bleiben, 2. die Innehaltung der bereits bestehenden sonstigen Verträge garantiert werde8. Vorbehaltlich der Zustimmung des Reichskabinetts seien diese französischen Zumutungen deutscherseits sogleich abgelehnt worden. Zur Zeit schwebten noch Verhandlungen zwischen England, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Vermutlich würden aber die beiden erstgenannten Mächte sich doch entschließen müssen, den Vertrag vorbehaltlos baldigst zu unterzeichnen.

6

Hierzu das Weißbuch des AA: Materialien zum Kriegsächtungspakt, 3. Auflage, 1929.

7

Die amerik. Note v. 23.6.28 hatte den revidierten Paktentwurf enthalten, der äußerlich – nach Ansicht des AA – Frankreich mit Konzessionen entgegenkomme, in der Sache aber beim alten Standpunkt geblieben sei. Die Konzession bestehe darin, daß zu den zuerst genannten Signatarstaaten USA, Deutschland, England, Frankreich, Japan, Italien jetzt auch Polen, Belgien und die Tschechoslowakei hinzuträten. In der sachlichen Tragweite bedeute das keinen Unterschied. Neuredigiert sei die Präambel, in deren Schlußsatz der paktbrüchige Staat der Vorteile des Paktes verlustig gehe (Schreiben des StS v. Schubert an StS Pünder v. 23.6.28; R 43 I /516 , Bl. 184-191).

8

Die frz. Demarche war am 30.6.28 erfolgt. Botschafter de Margerie und StS v. Schubert hatten vereinbart, „daß der Botschafter seiner Regierung berichten wird, er habe mir den frz. Vorschlag überreicht und ich würde ihn studieren. Ferner wird er berichten, daß ich persönlich mich dafür einsetzen würde, daß wir die Kellogg-Note nicht beantworten würden, bevor wir eine Antwort [Amerikas] auf den frz. Vorschlag erhalten hätten.“ (Pol.Arch.: Aufzeichnung v. Schuberts v. 30.6.28; Büro StS Fram 3). Nach dem Bericht de Margeries hatten auch die Regierungen in Rom und Tokio ihre Antworten zurückhalten wollen (ebd.).

Da eine solche Unterzeichnung den deutschen Bestrebungen in der Räumungs- und Abrüstungsfrage vorteilhaft zu sein verspreche, erbat Staatssekretär Dr. v. Schubert die Zustimmung des Kabinetts dafür,

1. der französischen Regierung endgültig mitzuteilen, daß Deutschland Protokollen oder sonstigen Vorbehalten zuzustimmen nicht geneigt sei,

2. die Regierung der Vereinigten Staten baldigst von der Bereitwilligkeit der deutschen Regierung zur vorbehaltlosen Unterzeichnung in Kenntnis zu setzen9.

9

Die dt. Antwort v. 11.7.28 auch bei Schultheß, S. 499.

Auf eine Frage des Reichswirtschaftsministers erklärte Ministerialdirektor Dr. Gaus, daß der Artikel 16 der Völkerbundssatzung10 nach deutscher Auslegung mit dem Kellogg-Pakt nicht im Widerspruch stehe, da er keine irgendwie geartete Kriegführung als Mittel nationaler Politik vorsehe. Unterzeichne Frankreich jetzt vorbehaltlos den Kellogg-Pakt, so könne dies von uns als eine bedeutsame Unterstreichung dieser unserer Auslegung angesehen werden.

10

Der Artikel enthält Vereinbarungen über den Fall des Kriegszustandes zwischen Mitgliedern des Völkerbundes und sieht Embargo-Maßnahmen gegenüber dem Angreifer sowie Unterstützung des Angegriffenen vor.

Staatsekretär Dr. v. Schubert erklärte, daß der Rückzug Frankreichs von seinem bisherigen Standpunkt gegenüber dem amerikanischen Paktvorschlag wohl in der Haltung Englands begründet sei. Es habe den Anschein, als ob das englische Auswärtige Amt, das anfangs den französischen Standpunkt weitgehend unterstützt habe, gegenüber der amerikanischen und der Weltmeinung jetzt etwas zurückweiche.

Auf Anfrage des Reichswehrministers erklärte Staatssekretär Dr. von Schubert, daß den Militär-Konventionen Frankreichs mit Polen und der Tschechoslowakei11, die schon durch die englische Kontrolle auf Grund der Verträge von Locarno eine gewisse Einengung erfahren hätten, nunmehr infolge der amerikanischen Kontrolle auf Grund des Kellogg-Paktes vermutlich eine weitere Friedensbindung auferlegt werde, was denn auch in Polen sichtliche Unruhe errege.

11

Die frz.-polnische Konvention war am 19.12.1921 erfolgt, die frz.-tschechoslowakische am 25.1.1924.

Der Reichsminister der Justiz berichtete, er habe anläßlich seines Aufenthalts in London den Eindruck gewonnen, daß die englische öffentliche Meinung die Unterzeichnung des Kriegsächtungspaktes lebhaft befürworte.

Der Reichskanzler stellte abschließend fest, daß das Reichskabinett sich mit den Vorschlägen des Staatssekretärs Dr. v. Schubert einverstanden erkläre, insbesondere mit dem Vorschlage einer Mitteilung an die Vereinigten Staaten von Amerika, daß Deutschland zur vorbehaltlosen Unterzeichnung des amerikanischen Paktentwurfes bereit sei12.

12

Im Auswärtigen Ausschuß des RT wurde die Unterzeichnung des Kellogg-Pakts am 10.7.28 gebilligt, nachdem die RReg. weitere Erörterungen im RT abgelehnt und die Zustimmung des Ausschusses verlangt hatte. Die DNVP forderte die ausdrückliche Ablehnung des frz. Paktvorschlags (Vermerk in der Rkei v. 11.7.28; R 43 I /516 , Bl. 237).

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