2.55.8 (str1p): 8. Währungsfrage:

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8. Währungsfrage18:

18

Zu diesem TOP hat Saemisch einige Notizen gemacht, die jedoch nicht alle Ausführungen erfassen (BA: NL Saemisch , Bd. 71). Auszugsweiser Abdruck des Tagesordnungspunkts in: Vermächtnis I, S. 120 f.

Der Reichsfinanzminister berichtet, daß an dem Projekt der Errichtung einer Goldnotenbank mit Nachdruck gearbeitet und daß ebenso die beabsichtigte[257] Hilfskonstruktion (Helfferich) dabei geprüft werde19. Schwierigkeiten für die Durchführung ergäben sich aus der bekanntgewordenen Stellungnahme der Reichsbank20. Die Reichsbank wünsche und habe dies bereits in einem Vorschlag niedergelegt, für die nächste Zeit vollkommen losgelöst zu werden von der Finanzgebarung des Reichs, um nur noch Kreditinstitut für die Wirtschaft zu sein. Zu diesem Zweck wolle sie die Diskontierung von Schatzanweisungen einstellen. Zur Deckung des Reichsbedarfs solle eine Bank gegründet werden, die auf Grund einer Belastung der gesamten deutschen Wirtschaft die Möglichkeit habe, durch Notenausgabe den Bedarf des Reichs zu finanzieren21. Die Reichsbank werde im Laufe des Tages ihre Beschlüsse in dieser Frage fassen und es werde von diesen Beschlüssen abhängen, ob mit der Mitarbeit der Reichsbank gerechnet werden könne oder nicht22.

19

Zur vorhergehenden Erörterung s. Dok. Nr. 51, P. 1.

20

Die zur Verfügung stehende Presse enthielt keinen Hinweis auf die Einstellung der Rbk. In einem Schreiben vom 11.9.23 hatte das Rbk-Direktorium dem RFM mitgeteilt, die Zeit sei noch nicht reif für eine neue Währung auf Goldbasis. „Eine neue Goldwährung mit der Aussicht auf Mißerfolg errichten wollen, würde außerordentlich bedenklich erscheinen.“ Im Helfferich-Projekt wurde eine interimistische Lösung gesehen, die auf Grund der politischen Lage angewendet werden könne. Doch stellte das Direktorium der Rbk einschränkend fest, durch die Kreditvorstellungen Helfferichs werde das gesamte Bankgeschäft einschließlich dessen der Rbk lahmgelegt. Würden zwei zentrale Kreditinstitute nebeneinander ohne gegenseitige Geschäftskenntnis arbeiten, bestehe die Gefahr einer Kreditinflation. Abschließend wurde empfohlen: „1) Beschränkung der Tätigkeit der Währungsbank auf Finanzierung des Reichs mit Hilfe der neuen Banknote und mit dem Ziel der allmählichen Umwandlung der schwebenden Reichsschuld in eine amortisable Rentenschuld der Berufsstände für das Reich; 2) Belastung der Berufsstände nur mit 3% des Wehrbeitragswertes; 3) Erhöhung der Annuität [gemeint ist die jährliche Verzinsung der Grundschuld, Projekt Helfferich Art. II, § 2] auf 6% von diesen 3%; 4) Unterlassung des Versuchs, ein festes Währungsverhältnis zwischen den Noten der Währungsbank und der Reichsbank herzustellen; die gegenseitige Wertbildung müßte vielmehr dem freien Verkehr überlassen werden. – Die Frage der Beteiligung der Reichsbank und ihrer Organisation an der neuen Bank wird, falls diese lediglich auf Kreditgeschäfte mit dem Reich beschränkt wird, in der Hauptsache gegenstandslos, im allgemeinen wird die rein geschäftliche Verbindung genügen, die nötigenfalls in geeigneten Punkten durch besondere Abmachung wird ausgebaut werden können“ (R 43 I /2440 , Bl. 62–69).

21

Danach gestrichen: „Dieser Vorschlag der Reichsbank ist für das Kabinett unannehmbar.“

22

Die Stellungnahme der Rbk zu den Leitsätzen Hilferdings wurde am 14.9.23 dem RK abschriftlich zugeleitet (R 43 I /2440 , Bl. 85–101); sie ist abgedruckt bei Beusch-Briefs, Währungszerfall und Währungsstabilisierung (Anlage 16), S. 141 ff.; s. dazu die Aufzeichnung von MinR Kiep vom 18.9.23 (Dok. Nr. 66).

Der Reichswirtschaftsminister23 führt aus, daß an sich die Frage unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden könne, und zwar:

23

Hierzu lauten die „Saemisch-Notizen“: „v. Raumer tritt für Helfferich-Währung als subsidiäres Mittel bei weitergehender Repudierung der Mark und Ergebnislosigkeit der Notenpresse ein. Auch die deutschen Industriellen (Reichsverband) halten es für nötig.“

1.

wie ist eine Lösung rein logisch und wissenschaftlich am besten herbeizuführen, und

2.

wie kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen und bei der Beschleunigung, die notwendig ist, eine Lösung herbeigeführt werden.

Da er auf dem Standpunkt stehe, daß größte Eile not tut, werde der Weg zu wählen sein, der schnell zu einem Ziel führt. Er schlage daher vor, nochmals auf das Projekt Helfferich zurückzukommen und zu erwägen, ob nicht doch diesem Projekte, als einer Übergangslösung, gefolgt werden solle.

[258] Der Reichskanzler teilt mit, daß kurz vor Beginn der Kabinettssitzung Vertreter des Reichsverbandes der deutschen Industrie bei ihm gewesen seien24. Diese haben erkärt, daß an der Auffassung, sie seien gegen das Projekt Helfferich25, nur so viel richtig sei, als sie den Helfferichschen Vorschlag nicht für eine Lösung der Währungsfrage ansehen. Die Goldnotenbank sei eine unbedingte Notwendigkeit26. Im Augenblick aber käme die Roggennote der Psychologie der Landwirtschaft sehr entgegen. Es müsse auf alle Fälle verhindert werden, daß die Landwirtschaft dazu übergehe, nicht mehr zu liefern. Ihre Auffassung sei die, man müsse die Roggenbank zunächst errichten, aber mit dem Ziel, sie noch in diesem Jahre in die Goldnotenbank überzuführen. Dabei sei daran zu denken, daß, wenn es mit der Beschaffung der Certifikate nicht so schnell ginge, die Banken bewogen werden müßten, Zwischenscheine herauszugeben. Die Gesamtsituation sei so kritisch, daß, wenn auch nur einige Tage der Zustrom landwirtschaftlicher Produkte stocke, die Katastrophe nicht mehr zu vermeiden wäre.

24

Im Terminkalender sind am 13.9.23, 16 h die Namen „Vögler, Stinnes“ verzeichnet, zuvor um 15.30 h war der RFM bei dem RK gewesen (BA: NL von Stockhausen  15).

25

Der RWiR-Ausschuß hatte nach seinen Beratungen am 6. und 7.9.23 sich mit 7:4 Stimmen gegen das Helfferich-Projekt entschieden; s. dazu Ramhorst, Die Entstehung der Deutschen Rentenbank, S. 15 f.; Schultheß 1923, S. 165 f.

26

Damit haben sich die Vertreter des RdI möglicherweise auf den Antrag der Arbeitgeber bezogen, der am 12. 9. im RWiR gestellt, aber mit 23:20 Stimmen abgelehnt worden war: „1. Wiederherstellung und Erhaltung eines wertbeständigen Zahlungsmittels, das die Bedürfnisse von Staat und Wirtschaft befriedigt, ist nur möglich, wenn die Defizitwirtschaft der öffentlichen Gewalten beseitigt wird. 2. Eine endgültige Lösung des Währungsproblems kann nur auf der Basis des Goldes gefunden werden. 3. Da aber die Gefahr der Zurückweisung der Papiermark durch Übertreibung ihrer wirklichen inneren Entwertung eine so dringende ist, daß die Verantwortung für Zuwarten bis zu dem Zeitpunkte, wo die Voraussetzungen für eine wirkliche Goldwährung gegeben sind, nicht getragen werden kann, muß eine Zwischenlösung gefunden werden. 4. Als Grundlage für diese Zwischenlösung erscheinen die in dem sogenannten Helfferichschen Projekt dargelegten Gedanken brauchbar. 5. Voraussetzung für eine Zwischenlösung ist die Möglichkeit, das unvermeidliche eine Zeitlang weiter fortbestehende Defizit in der Staatswirtschaft zu finanzieren, ohne daß die Papiermarkinflation dadurch weitergetrieben wird.“ Außerdem ist zu beachten, daß am 13. 9. ein gemischter Ausschuß des RdI, dem u. a. angehörten: Helfferich, Hugenberg, Hilger und Bücher, zusammengetreten war und über Organisationsfragen der Währungsbank beraten hatte (BA: R 13 I /278 , Bl. 69–71).

Der Reichsernährungsminister hält die Gefahr für noch dringender27. Wir sind in der Verweigerung der Mark schon mitten drin; denn anders ist es nicht zu erklären, daß bei der guten Ernte die Börsen so schlecht beschickt werden. Anders ist auch die schlechte Kartoffelversorgung der Städte nicht zu erklären. Auf den Viehmärkten herrscht vollkommene Unordnung. Einlagerung wird im großen Stile vorgenommen. Hilfsmaßnahmen, wie z. B. die der Reichsgetreidestelle: Bezahlung mit Goldanleihe, reichen nicht aus. Auch er ist der Meinung, daß eine Goldnotenbank notwendig ist; aber unabhängig davon ist ein Zahlungsmittel zu schaffen, daß die Ernte und alle Lebensmittel in Bewegung setzt. Die Lage ist deshalb jetzt sehr bedrohlich, weil die Auslandsware fast völlig fehlt. Bei der Frage, ob Roggen oder Gold, wird man dazu[259] kommen, zunächst Roggenscheine herauszugeben, die später in Goldscheinen konvertiert werden können.

27

Die „Saemisch-Notizen“ enthalten als Aussage Luthers: „Wir sind schon in der Zurückweisung der Mark drin, wenigstens seitens der Landwirtschaft. Die Zahlung mit Goldanleihe ist ein Aushilfsmittel, wenigstens für Getreide-Ernte. Ebenso wie Raumer neben Goldnotenbank für Zahlungsmittel auf Grund des Helfferich-Planes aber mit Gold.“

Der Reichsfinanzminister hält dafür, daß die in Aussicht genommenen Goldnoten vollkommen den gewünschten Zweck erfüllen28. Der Helfferichsche Plan ist unmöglich. Auch die Gründung der Goldnotenbank ist nur ein Behelf. Die Papiermark kann nicht stabilisiert werden, wenn weiter Noten gedruckt werden. Oder aber, wenn die Papiermark stabilisiert wird, d. h. der Druck der Papiermark eingestellt wird, dann ist es notwendig, den Druck der Goldnoten zu vermehren, was gleichfalls Inflation und Absinken des Wertes der Goldnoten bedeutet. Es gibt keinen anderen Weg, als dafür zu sorgen, daß die Papiermark sich nicht so schnell entwertet. Die im Kabinett beschlossene Konstruktion ist tragbar. Es ist allen möglich, die Wirtschaft mit einer Rente zu belasten und auf Grund dieser Belastung Rentenbriefe oder Noten auszugeben.

28

In den „Saemisch-Notizen“ heißt es: „Wie kommt der Staat oder die Bevölkerung in den Besitz der Helfferich-Note? Es geht nur, wenn der Staat einen Betrag überweisen und zum Ankauf der alten Noten. [!] Reicht der Betrag nicht, so muß täglich weitergedruckt werden.“

Der Reichspostminister weist darauf hin, daß in der Öffentlichkeit die Meinung aufkomme, daß das Kabinett zwar außenpolitisch sehr aktiv sei, daß innenpolitisch wohl aber große Gegensätze beständen, anders wäre die innenpolitische Untätigkeit nicht zu verstehen. Entscheidend ist die Frage der Zeit. Die Errichtung einer Privatnotenbank nimmt zu lange Zeit in Anspruch. Infolgedessen muß man sich zu dem Helfferichschen Plan bekennen, selbst in dem Bewußtsein, daß damit zunächst nur eine Zwischenlösung erreicht wird29.

29

Damit gibt Höfle die Auffassung der Zentrums-Fraktion im RT wieder. v. Glasenapp schrieb an StS Pünder am 30.1.28, als er im Auftrag Schachts eine aktenmäßige Darstellung über Entstehen und Durchführung des Rentenmarkprojekts verfassen wollte, u. a.: „Ganz neuerdings habe ich nun durch Herrn Dr. Lammers die nicht nur mir selbst, sondern auch dem Reichsbankdirektorium, dem Reichsfinanzministerium und anscheinend auch dem Reichsernährungsministerium bisher völlig unbekannte Information erhalten, daß am 13. September in einer Sitzung des Vorstandes der Zentrumsfraktion durch Herrn ten Hompel eine Revision des Kabinettsbeschlusses vom 10. September auf das dringendste mit dem Bemerken angeregt worden sei, daß lediglich das Helfferichsche Projekt unter gewissen Modifikationen eine erfolgreiche Besserung der Lage verspreche, während das Hilferdingsche Projekt sich zur Ausführung nicht eigne. Die in der Vorstandssitzung mit anwesenden, dem Zentrum angehörigen Minister hätten sich dieser Auffassung angeschlossen und noch am gleichen Tage im Kabinett eine Revision des Beschlusses vom 10. September herbeigeführt. Die Feststellung dieser Tatsache scheint mir historisch von großer Bedeutung zu sein. Sie würde ergeben, daß das Fallenlassen des in der Tat ganz ungeeigneten Hilferdingschen Projektes wesentlich mit auf die Einwirkung der damaligen Zentrumsminister zurückgeführt werden muß“ (R 43 I /2331 , Bl. 115–116). S. hierzu auch R. Morsey, Die Deutsche Zentrumspartei 1917–1923, S. 525 f., der sich auf tatsächlichen Gang der Ereignisse im Bericht ten Hompels stützt (BA: NL ten Hompel  1).

In der weiteren Diskussion werden vor allen Dingen vom Reichswirtschaftsminister und Reichsminister des Innern die politischen Gründe dargelegt, die das Kabinett veranlassen müssen, einerseits sehr schnell zu handeln und zum anderen auf die Stimmung der Opposition, besonders die der Landwirtschaft, Rücksicht zu nehmen30.

30

Aus dieser Diskussion dürften die folgenden „Saemisch-Notizen“ stammen: „Luther: Einführung der Goldanleihe als Zahlungsmittel für beschränkte Kreise führt zu einem Verlangen nach Erweiterung des Zahlungsmittels. – Das Helfferichsche Geld kommt nur auf dem Wege des Umlaufes in das Publikum. Es wird bei 12 Millionen Goldmark täglicher Ausgaben für 160–170 Tage reichen. Sollmann weist auf ungeheure Dringlichkeiten hin.“ – Auf einen weiteren Diskussionsbeitrag wies am folgenden Tag StS Stieler in einem Schreiben an den RFM hin. Stieler hatte darauf aufmerksam gemacht, es sei wichtig, daß für die Währung nicht nur eine Tagesdeckung bestehe, sondern die Sicherheit „nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen Güter in derselben Menge erwerben zu können. Die Reichsbahn ist in der Lage, hier recht großen Einfluß zu üben. Mit der Ausgabe der neuen Noten wird sie zu Goldtarifen übergehen. Kann sie die Erklärung abgeben, daß diese Tarife auf einen bestimmten längeren Zeitraum gehalten, also nicht erhöht werden, so schafft sie damit einen Zwangskurs zu Gunsten der neuen Noten und zu Lasten ihrer Leistungen.“ Stieler schlug weiter vor, daß alle Reichs- und Landesbehörden Tarife und Preise auf Goldmark umstellen und sie dann für einen festgelegten Zeitraum unverändert lassen sollten. „Daß die Durchführung bei Preisen für Waren (z. B. Holz) schwieriger ist, als z. B. bei den Steuern und bei den Tarifen der Eisenbahn und Post, verhehle ich mir nicht. Es würde aber zur Herstellung des Vertrauens vielleicht schon genügen, wenn für den letztbezeichneten Einnahmekreis die Wertbeständigkeit in der erwähnten Weise garantiert würde.“ Ein separates Vorgehen der Reichsbahn komme nicht in Frage, da sie nicht selbständig sei; andernfalls hätte Stieler dem RVM ein Eisenbahngeld vorgeschlagen (R 43 I /2440 , Bl. 79).

[260] Der Reichsfinanzminister legt nochmals seinen Standpunkt dar und weist vor allem darauf hin, daß der Kernpunkt der Frage die Vermeidung neuer Inflation ist.

Der Vizekanzler hält den Helfferichschen Plan besonders aus außenpolitischen Gründen für bedenklich31. Die Heranziehung der Landwirtschaft als Grundlage einer Notenausgabe ist leichter tragbar vom Standpunkt der Landwirtschaft aus, als die Heranziehung für die Lösung der Reparationsfrage. Daher wird zurzeit für die Belastung unter dem ersten Gesichtspunkt Agitation gemacht. Über die Wirkung eines wertbeständigen Zahlungsmittels darf man sich nicht täuschen. Der Staat hat keinen Kredit mehr; die Landwirtschaft wird von der Ernte nur soviel verkaufen, als nötig ist. Er ist der Auffassung, daß so schnell wie möglich eine Goldnotenbank in die Wege geleitet und zu diesem Zweck der Widerstand der Reichsbank beseitigt werden muß.

31

Hierzu heißt es in den „Saemisch-Notizen“: „Schmidt hat politische Bedenken gegen Helfferich-Projekt, da es den Grundbesitz der Reparationslast entrückt [?]. Glaubt, daß Ablieferungszwang gegenüber der Landwirtschaft nötig wird. Jetzt schnell Goldnotenbank gründen.“

Der Reichskanzler32 weist darauf hin, daß unbedingt die hypothekarische Eintragung für die Währung hinter der für die Reparation zurückstehen muß. Darüber muß vollständige Klarheit bestehen bleiben. Was die Sache selbst anlangt, so ist die Lage so, daß man mit Zwangsmitteln gegen die Landwirtschaft nicht weiterkommt. Infolgedessen muß etwas geschehen. Er denke zunächst an keine Dauerinstitution; maßgebend wird vielmehr sein müssen, daß eine Zwischenlösung gefunden wird, die später in die endgültige Goldnotenbank übergeführt werden kann. Sehr gefährlich kann bei Ablehnung des Projekts Helfferich eine Opposition, vor allen Dingen mit Rücksicht auf die Vorgänge auf dem Balkan, werden. Es ist damit zu rechnen, daß übermorgen der Krieg zwischen Italien und Jugoslavien ausbricht33. Die Landwirtschaft wird dann noch mehr geneigt sein, ihre Vorräte zurückzuhalten, und die Opposition wird[261] die großen entstehenden Gefahren darauf zurückführen, daß die Reichsregierung ihre Vorschläge nicht angenommen hat, die es ermöglicht hätten, die Nahrungsmittel in Bewegung zu setzen.

32

Die „Saemisch-Notizen“ enthalten hierzu: „Stresemann hält Krieg zwischen Italien und Jugoslawien für möglich, das und [?] im Sinne des Rückhaltens der landwirtschaftlichen Produkte für Helfferich – Lösung, wenn es eine Zwischenlösung ist und die Helfferich-Währung innerhalb eines Jahres umgewandelt wird.

33

Zum Streit zwischen Italien und Jugoslawien um Fiume s. Schultheß 1923, S. 333 ff., 384 f. Vgl. auch Anm. 5 zu Dok. Nr. 64.

In der weiteren Besprechung kommt zum Ausdruck, daß, da eine endgültige Lösung nicht sofort herbeigeführt werden kann, mit größtem Nachdruck an die Durchführung der Zwischenlösung gegangen werden muß.

Der Reichsfinanzminister formuliert auf Wunsch des Reichskanzlers das Ergebnis der Aussprache dahin:

Das Kabinett ist einmütig der Ansicht, daß eine Goldnotenbank mit größter Beschleunigung zu errichten ist; gleichzeitig, und womöglich im Zusammenhang damit, ist ein wertbeständiges Zahlungsmittel zu schaffen, das die Ernte mobilisiert. Dabei ist daran gedacht, daß die dazu notwendige Institution in absehbarer Zeit in die Goldnotenbank überführt wird und die Zahlungsmittel eingezogen werden34.

34

Über die Folgewirkung dieser Zusammenfassung durch Hilferding heißt es in einer Aufzeichnung zur „Einführung der Rentenmark 1923“, die von Cl. Lammers stammen dürfte: „Am Nachmittag des 13. Septembers tagte in den Räumen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie dessen Währungsausschuß [vgl. o. Anm. 29]. Dort traf ich Helfferich. Helfferich sagte mir sehr erbittert, daß ihm die Reichsregierung durch Ministerialdirektor von Brandt einen Dank für seine Bemühungen mit der Erklärung übermittelt habe, daß man das Projekt nicht weiterverfolgen könne. Ich klärte ihn infolgedessen über die von Herrn ten Hompel und mir eingeleiteten Schritte auf. – Im Laufe dieser Sitzung, gegen 7 Uhr abends, wurde ich durch den Diener des Reichsverbands aus der Sitzung herausgerufen, weil Herr Reichsminister von Raumer mich zu sprechen wünschte. Herr von Raumer begrüßte mich im Vorraum des Sitzungszimmers mit etwa folgenden Worten: Sie haben uns heute einen sehr großen Dienst getan. Das Kabinett hat soeben einen Beschluß wegen der neuen Währung umgestoßen und ist auf den Boden der Vorschläge der Währungskommission getreten. Herr Minister Höfle hat die erneute Beratung beantragt, alsdann einen Bericht gegeben, und ist dabei recht genau auf die Grundidee und den Werdegang des Projekts eingegangen. Auf die Frage des Herrn Dr. Hilferding, woraus seine Kenntnis beruhe, habe Höfle geantwortet, daß ich dem Vorstand der Zentrumsfraktion und den Ministern einen eingehenden Bericht erstattet hätte. Herr Dr. Hilferding habe meine tatsächlichen Darlegungen als zutreffend bezeichnet. Alsdann sei die erneute Beschlußfassung des Kabinetts erfolgt. – Diese Mitteilungen veranlaßten mich alsbald Exzellenz Helfferich aus der Beratung herauszubitten. Wir gingen zusammen mit Herrn von Raumer in das Zimmer des Herrn Geheimrat Bücher, wo Herr von Raumer nochmals berichtete. Helfferich erklärte zunächst: Es sei jetzt zu spät. Er habe auf Grund der Erklärungen des Herrn von Brandt sein Projekt der Öffentlichkeit übergeben und ein scharfer Kampf gegen die Reichsregierung wegen der erfolgten Ablehnung sei bereits in die Wege geleitet. Ich bat Exzellenz Helfferich sehr dringend, er möge von jeder Kampfmaßnahme ablassen, weil sie nur die wieder in Gang gekommene Behandlung der Angelegenheit auf das schärfste zu stören vermöge. Helfferich, der meines Erinnerns wieder nach Italien zurückreisen wollte, sagte mir am Schluß der Besprechung, er halte meine Auffassung doch für richtig und werde sehen, was er tun könne. Naturgemäß bleibe abzuwarten, ob das Kabinett nunmehr festhalte“ (BA: NL ten Hompel  1). Helfferichs Währungsplan erschien am 14.9.23 in der „Kreuz-Zeitung“.

Auf die Frage des Reichskanzlers wann sich diese Maßnahmen auswirken können, weist der Reichsfinanzminister darauf hin, daß die Reichsbank heute mittag in der Frage der Beteiligung an der Notenbank ihre Beschlüsse faßt und es davon abhängig ist, wie weiter vorgegangen werden kann35.

35

Die Rbk übermittelte ihre Ansichten am 14.9.23, s. o. Anm. 22. In Zusammenhang damit dürfte das Gespräch zwischen Hilferding und Helfferich vom 14.9.23 zu sehen sein, über dessen Inhalt das Schreiben Helfferichs an Hilferding vom 18.9.23 Auskunft gibt; abgedruckt bei Ramhorst, Die Entstehung der Deutschen Rentenbank, S. 22.

Der Herr Reichsernährungsminister schlägt vor, einen Ausschuß des Kabinetts[262] zu bilden unter persönlichem Vorsitz des Reichskanzlers, mit der Aufgabe, die Währungsfragen weiter vorzubereiten.

Der Reichskanzler bittet, den Vorsitz dem Reichsfinanzminister zu überlassen und ihn nur hinzuzuziehen, wenn es vom außenpolitischen Standpunkt aus notwendig ist.

Es wird ein Ausschuß gebildet, bestehend aus dem Reichsfinanzminister, Reichsernährungsminister, Reichswirtschaftsminister und Reichsminister des Innern.

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