1.143 (str2p): Nr. 257 Der Reichssparkommissar an Staatssekretär Kempkes. 14. November 1923

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Nr. 257
Der Reichssparkommissar an Staatssekretär Kempkes. 14. November 1923

R 43 I /1949 , Bl. 53–54

Betr.: Sparmaßnahmen (Kabinettsbeschluß v. 27.11.22 – […])

Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

Unter Bezugnahme auf unsere Unterredung vor einigen Tagen1 möchte ich Ihnen noch folgendes mitteilen:

1

Mit Schreiben an den RFM vom 13.10.23 hatte der RSparKom. ausgeführt, daß die ihm im Jahr 1922 übertragenen Befugnisse sich als unzulänglich erwiesen hätten, zumal er aus Personal- und Kostengründen nicht auf Provinzial- und Lokalinstanzen einwirken könne. Zur Klärung der Ressortbedenken gegen seine Tätigkeit, die aus und seit der Kabinettssitzung vom 10.9.23 (Dok. Nr. 51, P. 3) erwachsen seien, erbat Saemisch eine Chefbesprechung anzuberaumen (R 43 I /1948 , Bl. 467–468). Auf weiteres Drängen Saemischs hatte der RK dem RFM am 8.11.23 geschrieben, er sei für eine endgültige Regelung der Stellung und Befugnisse des RSparKom. Vor der Klärung im Kabinett sollten jedoch die grundsätzlichen Fragen von den Ressorts vorbesprochen werden (R 43 I /1949 , Bl. 47).

1.

Schon die wirksame Fortsetzung meiner Tätigkeit in dem bisherigen Umfange ist mir dadurch sehr erschwert, daß für meine Rechte und Pflichten noch immer lediglich der Kabinettsbeschluß und die Richtlinien vom 27. November 1922 maßgebend sind. Dadurch daß inzwischen durch den Kabinettsbeschluß vom 12. Oktober 1923 dem Herrn Reichsminister der Finanzen besondere Vollmachten übertragen wurden2, ist bei den Ressorts, aber auch bei meinen Mitarbeitern eine Unsicherheit über meine in gewissem Umfange mit denen des Finanzministers konkurrierenden Befugnisse entstanden, die meine Arbeiten außerordentlich beeinträchtigt.

2.

Um Ersprießliches leisten zu können, muß ich ferner die Möglichkeit haben, mich über Verwaltungseinrichtungen der Länder zu unterrichten. Auch hierzu bin ich nach den bisherigen Richtlinien nicht in der Lage.

[1080] 3.

Vor allem sind, wie ich nicht dringend genug betonen kann, durchschlagende Ergebnisse der mir übertragenen Sonderaufgabe nicht zu erzielen, wenn sich die Prüfungstätigkeit nicht auch auf die Provinzial- und Lokalinstanzen erstrecken kann. Durch Reisen von Berlin aus ist dies ohne übermäßigen Kostenaufwand, den ich nicht verantworten könnte, nicht zu ermöglichen. Dazu ist vielmehr die Bestellung örtlicher Sparbeauftragter erforderlich, die die Provinzial- und Lokalbehörden in meinem Namen nach meinen Weisungen prüfen und deren Feststellungen dann meinen Vorschlägen für die Durchführung von Vereinfachungen und Ersparnissen zu Grunde zu legen sind. Auch dies läßt sich erst verwirklichen, wenn das Reichskabinett über die Ergänzung meiner Vollmachten Beschluß gefaßt hat.

2

Tatsächlich war der Beschluß am 11.10.23 gefaßt worden, s. Dok. Nr. 128, P. 4.

Dieser Beschluß ist ferner deshalb besonders dringend, weil sich sogleich nach Zusammentritt des Reichstags der vom Hauptausschuß hiermit beauftragte Sparausschuß mit der Stellung des Reichssparkommissars beschäftigen wird. Außerdem sind derartige mit dem Dienst und den Bedürfnissen der einzelnen Verwaltungen vertraute Kommissare in der Provinz jetzt zur Durchführung der Verordnung über die Herabminderung der Personalausgaben unentbehrlich.

Ich darf mich der Erwartung hingeben, daß aus den vorstehend dargelegten schwerwiegenden Gründen die Reichsregierung es nunmehr in kürzester Zeit ermöglicht, über die von mir vorgeschlagenen, hier nochmals beigefügten Richtlinien für die Durchführung meiner [Tätigkeit einen] Sonder-Beschluß zu fassen. Sollte die Behandlung der Angelegenheit, die bei dem Reichskabinett seit vielen Monaten schwebt, obendrein in der Kabinettssitzung vom 10. September bereits grundsätzlich gebilligt ist3, ohne daß ein formell abschließender Beschluß zustande gebracht ist, auch fernerhin die gleiche bleiben, so möchte ich mich, abgesehen von den vorangestellten sachlichen Erwägungen, vor die Frage gestellt sehen, ob ich meine Arbeitskraft weiterhin für eine in den Augen der Reichsregierung so unwichtige Tätigkeit zur Verfügung stellen kann4.

3

S. Dok. Nr. 51, P. 3.

4

Eine Behandlung der Vorstellungen Saemischs kam in der Zeit des Kabinetts Stresemann nicht mehr zustande. S. zum Fortgang: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 4, P. 4.

Herrn Reichsminister Dr. Luther habe ich Abschrift des Schreibens zugehen lassen. Zu mündlicher Erläuterung stehe ich weiter gern zur Verfügung.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung zeichne ich als

Ihr

sehr ergebener

Saemisch

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