2.164.1 (wir1p): [Kreditaktion der deutschen Industrie]

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[Kreditaktion der deutschen Industrie1]

1

Zur Vorgeschichte siehe Dok. Nr. 135.

Der Reichskanzler begrüßte die anwesenden Herren und teilte mit, daß zur Fortführung der Kreditaktion eine Kommission bei der Reichsregierung gebildet werde, zu deren Mitgliedern die folgenden Herren berufen seien:

1.

Präsident der Reichsbank, Exzellenz Dr. Havenstein2,

2.

Präsident des Industrie- und Handelstages Franz von Mendelssohn, Inhaber der Bank Mendelssohn & Co,

3.

Dr. Karl Melchior, Mitinhaber der Bankfirma M. M. Warburg & Co, Hamburg,

4.

Franz Urbig, Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft, Berlin,

5.

v. Stauss, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bank, Berlin3,

6.

Geheimrat Dr. Kreuter, Delegierter des Verwaltungsrats der Treuhandverwaltung für das deutsch-niederländische Finanzabkommen,

7.

Geheimrat Dr. Hugenberg, Mitglied des Reichstags, Präsidialmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie,

8.

[451]Hans Kraemer, stellvertr. Vorsitzender des wirtschaftspolitischen- und Außenhandelskontroll-Ausschusses,

9.

Geheimrat Bücher, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Reichsverbandes der deutschen Industrie.

2

Havenstein, Kreuter und Bücher werden einem undatierten Entwurf der Rkei zufolge zu Mitgliedern des schriftführenden Ausschusses der Kommission bestellt (R 43 I /2450 , Bl. 83-86, hier: Bl. 84).

3

Nach dem in Anm. 2 gekennzeichneten Entwurf sollte zunächst Direktor Wassermann (Deutsche Bank) in die Kommission berufen werden. Über die Gründe für die Ernennung von von Stauss in R 43 I nichts ermittelt.

Die Aufgabe der Kommission sei die Beratung der mit der Aufnahme auswärtiger Anleihen zwecks Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen an die Alliierten zusammenhängenden Angelegenheiten, sowie gegebenenfalls die Führung von Verhandlungen hierüber mit auswärtigen Kreditgebern.

Die Kommission stehe unter der Leitung des Reichskanzlers und könne jederzeit von diesem einberufen werden. Für die hiesigen Beratungen werde ressortmäßig dem Finanzministerium die technische Federführung übertragen und das Recht gegeben, auch seinerseits die Kommission zu Beratungen einzuberufen4. Außerdem sei vorgesehen, Vertreter der beteiligten Ressorts zu den Besprechungen der Kommission zuzuziehen. Bei auswärtigen Verhandlungen stehe die Kommission unter der unmittelbaren Direktive des Reichskanzlers. Die Verhandlungen der Kommission seien geheim.

4

Der in Anm. 2 gekennzeichnete Entwurf verzeichnet StS Schroeder als Mitglied und Regierungsvertreter.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Kreditaktion Erfolg haben würde, seien sichere Unterlagen noch nicht gegeben. Die Reichsregierung habe in dieser Frage durch die Vermittlung der Reichsbank Fühlung mit London genommen. Die Antwort aus London sei zunächst abzuwarten5. Nach ihrem Eingang würde gegebenenfalls eine Vertretung der Kommission nach London zu gehen haben.

5

Gemeint ist die ausstehende Antwort des Präsidenten der Bank of England, Norman, auf den Brief von Havenstein vom 25.11.1921. Diese Antwort ergeht unter dem Datum des 3.12.1921 (siehe Dok. Nr. 166 Anm. 7).

von Havenstein: Auch ihm seien noch keinerlei Mitteilungen aus London zugegangen. von Stauss macht Mitteilung über ein Telegramm des Staatssekretärs Bergmann, betreffend seine Unterredung mit Casenave und Cheysson. Es müsse abgewartet werden, welches Ergebnis die Verhandlungen zwischen Cheysson und der Regierung hätten6. Der Reichskanzler macht darauf aufmerksam, daß der Schwerpunkt der Reparationskommission zur Zeit nicht bei der Reparationskommission, sondern bei der englischen Regierung läge. v. Simson teilt diese Auffassung, weist aber darauf hin, daß formell die Reparationskommission wohl die Beschlüsse zu fassen haben werde. Da bei Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten entscheide, genüge es, wenn Frankreich eine weitere Macht für seine Auffassung gewänne, um Stundungen zu verhindern. Amerika habe leider offiziell kein Mitglied in der Reparationskommission. Ein solches könne nur mit Genehmigung des Kongresses in die Kommission eintreten. Geh.Rat Bücher ist der Ansicht, daß ein Moratorium nur zu Stande kommen wird, wenn Amerika sich nachdrücklich der englischen Auffassung anschließt. Sein moralischer Einfluß würde aber genügen, auch wenn es offiziell in der Reparationskommission nicht vertreten sei. Reichskanzler schließt die[452] Besprechung, indem er sich vorbehält, die Kommission wieder zusammenzuberufen, sobald Nachricht aus London eingegangen sei.

6

In R 43 I nicht ermittelt.

Die nichtanwesenden Mitglieder der Kommission werden von ihrer Berufung schriftlich benachrichtigt werden7.

7

Ein solches Schreiben geht nach einem Entwurf vom 4.12.21 am 5.12.21 an Melchior, Urbig, Hugenberg und Kraemer ab (R 43 I /2450 , Bl. 88).

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