2.212.6 (wir1p): 6. Beschleunigte Erledigung der Steuervorlage.

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6. Beschleunigte Erledigung der Steuervorlage9.

9

Zum Stand der Angelegenheit siehe Dok. Nr. 205, bes. Anm. 1.

Reichskanzler Dr. Wirth betont eindringlich die Wichtigkeit der schnellen Erledigung der Steuervorlage. Er macht auf die außenpolitische Wirkung des langsamen Fortganges derselben aufmerksam. Besonders in Frankreich werde eine lebhafte Propaganda gegen Deutschland aus diesem Grunde ins Werk gesetzt. Er bittet den Reichsminister der Finanzen, Dr. Hermes, über die Frage der Steuervorlage und des Steuerkompromiß Aufklärung zu geben.

Reichsminister der Finanzen Dr. Hermes führt aus: Infolge des Streikes sei eine gewisse Verzögerung in der Erledigung der Steuerfrage eingetreten, zur Zeit seien die Arbeiten jedoch wieder in vollem Gange; so habe sich heute der XI. Ausschuß des Reichstags mit dem Vermögenssteuergesetz beschäftigt. Er glaube, daß die sachliche Erledigung der Vorlage verhältnismäßig beschleunigt vor sich gehe. Schwierigkeiten, hauptsächlich politischer Natur, seien bei der Behandlung des Mantelgesetzes und des Zwangsanleihegesetzes zu erwarten.10 In Bezug auf diese Gesetze halte die Deutsche Volkspartei an gewissen Voraussetzungen fest, von denen sie nicht ohne weiteres abgehen werde. Er halte es für zweckmäßig, möglichst bald mit den Führern der politischen Parteien in einer Besprechung über die Frage der Verabschiedung des Mantelgesetzes und des Zwangsanleihegesetzes eingetreten werde. In der Hauptsache[582] sei es notwendig, die Situation nach der Seite der Deutschen Volkspartei hin zu klären. Wenn eine Klärung in dieser Richtung bald erfolge, so könnten die Steuervorlagen in drei bis vier Wochen erledigt werden.

10

Zum Mantelgesetz und zum Zwangsanleihegesetz siehe Dok. Nr. 205 Anm. 1, P. 8 und P. 1 der Ausführungen Wirths.

Reichskanzler Dr. Wirth hält eine Erledigung erst in vier Wochen außenpolitisch für unerträglich.

Staatssekretär Dr. Hemmer unterstützt diese Auffassung und weist auf eine Nachricht hin, die ihm vertraulich zuteil geworden sei, derzufolge der tschechoslowakische Ministerpräsident Bennisch dem hiesigen Gesandten der Tschechoslowakei Tusar vertraulich mitgeteilt habe, daß bis in die Reihen der radikalen Parteien in Frankreich große Erregung wegen der langsamen Behandlung der Steuerreform in Deutschland herrsche.

Reichsminister der Finanzen Dr. Hermes weist nochmals auf die notwendige Besprechung der Frage mit den politischen Parteien hin.

Reichskanzler Dr. Wirth sagt zu, daß die Parteien bald zusammengerufen werden würden. Er weist weiter darauf hin, daß es sich darum handele, ob mit der Erledigung des Steuerkompromisses die Frage der großen Koalition verknüpft werde oder nicht. Für die Beantwortung dieser Frage sei die Haltung der Mehrheitssozialistischen Partei ausschlaggebend. Bisher habe diese Partei der großen Koalition allerdings ablehnend gegenübergestanden. Die Folgen einer weiteren Ablehnung würden jedoch außerordentlich tiefgehende sein, und er mache hierauf nochmals aufmerksam. Er seinerseits werde jedenfalls mit größter Beschleunigung auf die Klärung der politischen Lage hinwirken.

Vizekanzler Bauer warnt vor einem Nachlaufen hinter der Deutschen Volkspartei. Das Abstimmungsergebnis des letzten Vertrauensvotums habe auch ohne die Deutsche Volkspartei eine Mehrheit für den Reichskanzler ergeben11.

11

Es handelt sich um das Vertrauensvotum vom 15.2.22 (RT Bd. 352, S. 5884  ff.) auf Grund des Antrags Marx, Petersen, Müller-Franken (RT-Drucks. Nr. 3536, Bd. 371 ); die Abstimmung hatte 220 Stimmen für und 185 gegen die Regierung Wirth ergeben bei 16 Stimmen Enthaltung.

Reichswehrminister Dr. Geßler glaubt dem entgegenhalten zu müssen, daß ihm nahestehende politische Kreise ein Steuerkompromiß nur machen würden, wenn die Deutsche Volkspartei mitgehe.

Reichspostminister Giesberts ist der Auffassung, daß der Reichstag wohl augenblicklich nicht mehr die Stimmung des Volkes wiedergebe. Er halte es für zweckmäßig, eine bündige Stellungnahme einzunehmen und, wie es kürzlich geschehen sei, den Reichstag auch in Zukunft vor die Frage des „Entweder-Oder“ zu stellen.

Reichswehrminister Dr. Geßler schließt sich dieser Auffassung an und hält auch seinerseits eine möglichst klare Stellungnahme der Regierung und eine bündige Erklärung ihrer Wünsche für zweckmäßig.

Reichskanzler Dr. Wirth bittet, die Debatte abschließend, die Minister nach der Seite ihrer Fraktionen hin Fühlung zu nehmen, um eine weitere Hinausschiebung der Steuervorlage zu vermeiden und um eine Klärung der politischen Lage baldmöglichst herbeiführen zu können.

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