2.228.1 (wir1p): [Amnestieerlaß]

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[Amnestieerlaß1]

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Die Frage des Erlasses einer Amnestie hatte das Kabinett bereits am 10.1.1922 beschäftigt (Dok. Nr. 186, P. 2); anläßlich der Debatte über den Haushaltsplan des RJMin. hatte Radbruch in seiner Erklärung am 24.2.22 auch zu dieser Frage Stellung genommen (RT-Bd. 353, S. 6063  f.). Der Entwurf eines Gesetzes über Straffreiheit für politische Straftaten gelangt erst am 3.7.1922 in den RT (RT-Drucks. Nr. 4663, Bd. 374 ); das Gesetz wird am 21.7.1922 verkündet (RGBl. 1922 I, S. 595 ).

Gegen den Erlaß einer allgemeinen Amnestie wurden von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben.

Der Abg. Müller glaubte jedoch, daß, wenn man keine Amnestie bringe, seine Partei von sich aus im Wege des Initiativantrages einen Vorschlag machen werde, der dann wesentlich anders aussehen würde, als der einer Regierungsvorlage. Seiner Ansicht nach müsse die Regierung die Führung in der Hand behalten.

Abg. Petersen machte auf die schweren politischen Folgen einer Amnestie aufmerksam. Erwägen könne man seiner Ansicht nach nur eine Generalamnestie, sonst müsse im Wege der Begnadigung geholfen werden. Minister Radbruch wies darauf hin, daß man bei Begnadigung differenzieren müsse, je nach Lage des Einzelfalles. Vielleicht könne man Grundsätze aufstellen und diese auch bekannt machen.

[619] Abg. Marx hielt gleichfalls eine Amnestie für bedenklich und sprach sich für eine umfassende Begnadigung aus.

Herr Spahn äußerte Bedenken, ob man Grundsätze aufstellen solle, da die Begnadigung ein Recht des Reichspräsidenten wäre.

Der Reichskanzler meinte, daß auch die Urheber und kleineren Führer der Begnadigung zugeführt werden sollten. Im übrigen müsse die Angelegenheit noch im Kabinett besprochen werden. Er glaube, daß das Kabinett voraussichtlich sich für eine umfassende Begnadigungsaktion aussprechen würde.

Herr Hoffmann bat darauf, doch auch die bayerischen Verurteilten der Begnadigung zuzuführen.

Herr Marx sagte, daß eine Publizierung vielleicht in der Weise möglich wäre, daß man bekannt gebe: Das Reichsjustizministerium werde auf Beschluß des Kabinetts nach Vortrag beim Herrn Reichspräsidenten folgendes Verfahren bei der Begnadigung beachten. Die Angelegenheit soll im Kabinett nach vorheriger Fühlungnahme mit dem Herrn Reichspräsidenten besprochen werden2.

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Weiteres in R 43 I nicht ermittelt; zur weiteren Entwicklung siehe die knappen Bemerkungen Radbruchs in seinen Memoiren (Radbruch, innerer Weg, S. 146 f.).

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