2.28.1 (wir1p): [Reparationsfragen]

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[Reparationsfragen]

Staatssekretär Bergmann teilt mit, daß die Reparationskommission nach einer unverbindlichen Erklärung des Herrn Delacroix die im Ultimatum vorgesehene Steuerfreiheit der auszugebenden Bonds2 so ansehe, daß sie von Stempelsteuer und Kapitalertragsteuer freibleiben müßten. Von der Erbschaftssteuer beispielsweise würden sie dagegen nicht frei sein.

2

Siehe Londoner Ultimatum Art. III (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ).

Der Herr Reichskanzler erklärt es für wünschenswert, die Frage der Steuerfreiheit im Reichstag von der Regierung aus nicht anzuschneiden. Würde die Regierung seitens des Reichstages hierüber angefragt, so müßte eine Erklärung abgegeben werden, die sich mit den Ausführungen des Staatssekretärs Bergmann deckt. Eine solche Erklärung müßte unverzüglich im Reichsfinanzministerium ausgearbeitet werden3.

3

Schreiben des RFM an das AA vom 5.7.21: „Nach der Fassung des Art. 3 des Zahlungsplanes der Reparationskommission, insbesondere auf die dort gewählten Worte ‚The bonds shall be free of all German taxes and charges of every description present or future‘, unterliegt es m. E. vom Rechtsstandpunkte keinem Zweifel, daß eine Freistellung nur von den Steuern in Frage kommt, die unmittelbar die Bonds selbst zum Gegenstand haben. Damit scheiden von vornherein für die Befreiung alle Steuern aus, bei denen die Schuldverschreibungen lediglich als eine von vielen Quellen des der Besteuerung unterliegenden Einkommens oder als Bestandteil des in seiner Gesamtheit erfaßten Vermögens in Betracht kommen. Es geht danach nicht an, eine Befreiung für Einkommenssteuern und Vermögenssteuern einschließlich der Erbschaftssteuer anzunehmen. Dagegen werden die Schuldverschreibungen von den Stempelsteuern, die auf Wertpapiere gelegt sind, und darüber hinaus von der als Objektsteuer ausgeschalteten Kapitalertragssteuer frei sind. Dieser Umfang der Befreiung entspricht auch der herrschenden Übung bei den Anleihen in England und Frankreich, soweit für diese Steuerbefreiungen vorgesehen waren. Was die Behandlung der vorliegenden Frage anbetrifft, so kann ich nicht unterlassen, mein Bedauern darüber auszusprechen, daß das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit, deren außerordentliche finanzielle Tragweite nicht wohl zu verkennen war, seine, wenn auch vorläufige Ansicht formuliert hat, bevor das federführende Ressort seine Prüfung abgeschlossen hatte, und dabei auch eine besondere Geheimhaltung der Mitteilung nicht sichergestellt war.“ (R 43 I /20 , Bl. 434).

[63] Demnächst macht Staatssekretär Bergmann Mitteilungen über die Garantie-Kommission. Sie komme nach Berlin, um über die Ausführung des Art. 7 des Ultimatums zu beraten4. Hierbei würden folgende Punkte zur Erörterung kommen:

4

Das Garantie-Komitee ist vom 16. 6.–29.6.21 zu Beratungen in Berlin (s. dazu Dok. Nr. 31, Anm. 2).

1. Die Frage, ob die Zolleinnahmen als Pfand für die Annuitäten bestehen bleiben sollten. Zu berücksichtigen werde hier sein, daß sie nur etwa 3 Milliarden Papiermark einbrächten.

2. Die Frage, ob die Ausfuhrabgaben in ihrer jetzigen Gestalt bestehen bleiben sollten.

Die Reparationskommission sei s. E. bereits überzeugt, daß die 26% von der Ausfuhr nicht zur Erhebung kommen könnten. Als Index dagegen würden die 26% vorläufig bestehen bleiben müssen. Mit der Frage eines Ersatzes für diesen Index beschäftige sich die Reparationskommission, nicht die Garantie-Kommission.

Der Herr Reichskanzler teilt einen Bericht des Botschafters Sthamer über die Schwierigkeiten der Erhebung der Exportabgabe im Auslande mit5.

5

Am 6. Juni hatte Botschafter Sthamer aus London an das AA u. a. vertraulich berichtet: „Einer meiner Herren hatte heute früh mit Mr. C. B. Grills, Secretary, His Majesty’s Commission of Customs and Excise, welchem die Erhebung der 26%igen Einfuhrabgabe untersteht, eine vertrauliche Besprechung, in welcher sich dieser über die gegenwärtige Wirkung des Gesetzes äußerte. Mr. Grills legte großes Interesse dafür an den Tag, auf welche Weise Deutschland seinerseits die geplante Erhebung der 26%igen Ausfuhrabgabe zu bewerkstelligen beabsichtige, insbesondere ob in der Form eines regulären Ausfuhrzolles, oder aber ob Deutschland den Gesamtbetrag nach der Ausfuhrstatistik berechnen und abführen werde. Die Schwierigkeiten der Durchführung der Einfuhrabgabe in England jedenfalls seien beinahe unüberwindlich, und die in den vielen einzelnen Fällen verursachte Mühe und Arbeit sei derart groß, daß ohne eine starke Vermehrung des Beamtenkörpers nicht auszukommen sein werde. Beispielsweise lägen, wie er weiter vertraulich äußerte, eine sehr große Zahl Reklamationen über einen Zollbetrag in Höhe von £ 80 000 vor, welche Freiheit von der Abgabe verlangen auf Grund von vor dem 8. März abgeschlossenen Verträgen. Jede einzelne dieser Reklamationen müsse auf das genaueste nachgeprüft und mit den jeweiligen Sendungen identifiziert werden. Wenn das ganze Gesetz überhaupt beibehalten werden solle, dann müßte es von Grund auf verändert werden, weil es in seiner jetzigen Form technisch einfach undurchführbar sei, und man immer wieder aufs neue auf Unzulänglichkeiten im Gesetz stoße. Er gab ganz offen – aber wie nochmals bemerkt sein darf, streng vertraulich und privat – seiner Ansicht dahin Ausdruck, daß mit Rücksicht auf die umständliche und den Handelsverkehr sehr erschwerende Art der eigenen Erhebung am besten englischerseits auf die Einfuhrabgabe verzichtet werde, und schien bereit, für Überlassung der Erhebung an Deutschland eintreten zu wollen. Jedenfalls erklärte er sich bereit, wenn ihm weitere Mitteilungen über die geplante Regelung in Deutschland gegeben werden könnten, diese an die Kommission selber vortragen zu wollen. – Eine weitere Zusammenkunft und Besprechung der Angelegenheit am neutralen Orte ist verabredet, und es wird darüber weiter mitgeteilt werden.“ (PA, Abt. Friedensvertrag Allg. 5 Nr. 1, Bd. 2).

[64] Staatssekretär Bergmann empfiehlt, bei den Verhandlungen mit der Garantie-Kommission gegen die Erhebung im Auslande nicht anzugehen. Wir müßten uns vielmehr auf den Nachweis beschränken, daß sie bei uns nicht erhoben werden könnte. Als positiven Vorschlag für die Garantie-Kommission empfehle er die in Annex II der beiliegenden Aufzeichnung enthaltenen Einnahmen6.

6

Die Anlage (R 43 I /20 , Bl. 257-261, ist eine den frz. Vorstellungen entsprechende Fassung des später dem Garantiekomitee überreichten Finanzierungsplans des RFMin. (Dok. Nr. 39, Anm. 7 und Anm. 11).

Als dritter Punkt müßte mit der Garantie-Kommission darüber gesprochen werden, wie sie ihre Kontrolltätigkeit ausüben solle. Nach seiner Information sei nicht beabsichtigt, in Berlin eine größere Überwachungs-Kommission einzurichten. Die Garantie-Kommission müßte dagegen nach außen nachweisen, daß sie den richtigen Steuereingang kontrolliere. Falls die Garantie-Kommission etwa weitere Rechte ausüben wolle, dann müßte dem mit dem Hinweis entgegengetreten werden, daß dies solange nicht erfolgen könne, als wir unsere Verpflichtungen erfüllten. Für wahrscheinlich halte er, daß die Garantie-Kommission unsere Ausfuhrstatistik sehen wolle.

Staatssekretär Hirsch: Die Ausfuhrstatistik sei jetzt derartig, daß wir sie jederzeit zeigen könnten. Vom Mai an sei eine völlig neue Rechnung begonnen.

Reichsminister Dr. Rathenau: Falls die Garantie-Kommission weitere schwere Forderungen stelle, so müßten wir s. E. in die Vorschläge über die Einnahmen weitere große Steuern hineinbringen, beispielsweise die Umsatzsteuer.

Die Besprechung wird geschlossen.

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