1.14.1 (bru3p): [Reparationsfragen]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 8). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

[Reparationsfragen]

Der Reichsminister der Finanzen erläuterte zunächst den Standpunkt des Reichsfinanzministeriums anhand der beiliegenden Aufzeichnung von Ministerialrat Berger vom 28. Oktober1.

1

In dieser Aufzeichnung hatte MinR Berger die Stillhaltefrage und das Reparationsproblem erörtert. Die private dt. Auslandsverschuldung habe im Juli 1931 12 Mrd. RM kurzfristige, 11,5 Mrd. RM langfristige und 4,5–5,5 Mrd. RM sonstige Anlagen (Grundstücke und Effekten) betragen. Für Verzinsung und Amortisation dieser Auslandsverpflichtungen ergebe sich netto ein Betrag von 1–1,25 Mrd. RM jährlich. Berger hatte alle Konsolidierungspläne abgelehnt, die die Gründung eines besonderen Instituts zur Abwicklung der Auslandskredite beabsichtigten. Berger hatte sich gleichfalls gegen eine Behandlung der Reparationsfrage auf der Linie des Hoover-Laval Kommuniqués (vgl. Dok. Nr. 530, Anm. 2) ausgesprochen (Durchschrift in R 43 I /316 , Bl. 288–293).

StS Schäffer zitierte in seinem Tagebuch vom 29.10.31 folgendes Resümee des RFM: „Ich würde nicht wagen, bei so großen Privatschulden auch nur einen Pfennig Reparationen zu versprechen. Das habe ich Grandi und dem französischen Botschafter gesagt“ (IfZ ED 93, Bd. 14, Bl. 959).

[1873] Der Reichskanzler erklärte, daß er am kommenden Tage, also am 30. Oktober, den englischen Botschafter empfangen werde2, weil dieser im Begriff stehe, nach England zu reisen, um dort an den Beratungen über die Neubildung der Regierung teilzunehmen3, daß er ferner am gleichen Tage auch mit dem amerikanischen Botschafter sprechen werde, weil ein Mitglied der amerikanischen Botschaft im Begriff stehe, nach Amerika zu reisen4. Es sei daher erforderlich, daß er sowohl Herrn Rumbold sowie Herrn Sackett eingehend über die deutschen Pläne in der Stillhalte- und Reparationsfrage unterrichte zwecks Orientierung ihrer Regierungen. Ferner werde Herr von Hoesch zur Entgegennahme von Instruktionen für die bei der französischen Regierung zu unternehmenden Schritte erwartet. Herr von Hoesch werde schon am Sonntag wieder nach Paris zurückreisen, um Herrn Laval über den deutschen Standpunkt noch vor der am Dienstag stattfindenden Sitzung des französischen Ministerrats über Washington zu informieren5.

2

Siehe dazu den Bericht Sir Horace Rumbolds vom 30.10.31, in Documents on British Foreign Policy, Second Series, Vol. II No. 284.

3

Zur Zusammensetzung der neuen brit. Reg. Schultheß 1931, S. 346.

4

Siehe Dok. Nr. 530.

5

Siehe Dok. Nr. 537, Anm. 6.

Sachlich stehe er nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Deutschland in der Schuldenfrage von sich aus einen Plan aufstellen müsse. Deutschland dürfe schon wegen der moralischen Rückwirkungen auf das gesamte Ausland den Eindruck nicht weiter Boden gewinnen lassen, daß Deutschland sich in der Schuldenfrage totstelle. Der deutsche Schuldentilgungsplan müsse daher schnellstens aufgestellt werden, so daß er etwa in der Mitte der kommenden Woche fertig sei. Mit dem Inhalt des Planes werde man sich heute im einzelnen noch nicht befassen können. Die Grundtendenz des Planes müsse aber dahin gehen, daß die in ihm vorzusehenden Leistungen nach außen hin möglichst groß erscheinen. Es sei auch sehr zu überlegen, in welchem Maß der Plan durch Sicherheiten des Reichs auszustatten sei. Ein solcher Plan werde die Reparationsfrage ganz von selbst in stärkster Weise präjudizieren.

Die zweite Frage, die zu entscheiden sei, sei die, wie man den Plan den Gläubigermächten gegenüber bekannt gebe. Er denke daran, den Plan alsbald nach seiner Fertigstellung zu veröffentlichen, um damit eine möglichst große politische Wirkung zu erzielen. Vielleicht sei es das richtige, an Herrn Wiggin, den Vorsitzenden des von der Londoner Konferenz eingesetzten Sachverständigen-Ausschusses, einen Brief zu schreiben und diesem Brief den deutschen Plan als Anlage beizufügen6.

6

StS Schäffer notierte folgende Äußerungen des RK: „Ich halte es aus moralischen Gründen für notwendig, daß wir mit einem Plan hervortreten, der die Stillhaltung betrifft. Eine ehrliche Politik bringt auch mit sich, daß wir nötigenfalls Reichseinnahmen verpfänden. Wir müssen wieder kreditwürdig werden“ (IfZ ED 93, Bd. 14, Bl. 959).

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich mit dem Gedanken der Ausarbeitung eines Stillhalteplans grundsätzlich einverstanden.

Der Reichsbankpräsident billigte diesen Gedanken gleichfalls. Er erklärte ferner seine Zustimmung zu der mit dem Plan verfolgten Grundtendenz. Der Plan soll unter führender Mitwirkung der Reichsbank bereits am 30. Oktober mit den beteiligten Reichsressorts vorerörtert werden, sodann soll er von einem Sonderausschuß[1874] des Wirtschaftsbeirats, bestehend aus den Herren Schmitz, Silverberg, Pferdmenges und Schmitt, die sich durch Hinzuziehung einer Reihe von Sachverständigen verstärken sollen, endgültig beraten werden. Als Sachverständige sollen insbesondere diejenigen Herren mit herangezogen werden, die an den ersten Stillhalteverhandlungen in Basel beteiligt waren, also in erster Linie die Herren Jeidels und Schlieper. Ferner auch ein Teil der Banksachverständigen, die bereits Pläne für einen neuen Stillhalteplan ausgearbeitet haben, das sind die Herren Wassermann, Ritscher, Otto Wolff.

Der Reichsbankpräsident erklärte noch, mit allgemeiner Zustimmung, daß bei der Aufstellung des Planes zwei Bedingungen von vornherein vermieden werden müßten:

a) Garantien des Auslandes für die Durchführung,

b) Sicherheiten, die in irgendeiner Form an die Pfänder des Dawesplans erinnern.

Erörtert wurde sodann noch die Frage der Inangriffnahme des Reparationsproblems. Einverständnis bestand darüber, daß man die Reparationsfrage hinter die Stillehaltung schalten müsse. Alle Beteiligten waren ferner darüber einig, daß ein Eingehen auf die Wünsche der Gläubiger nach Einberufung des Sonderausschusses des Youngplans sehr heikel sei. Zweifellos werde der beratende Sonderausschuß nicht zu annehmbaren Resultaten kommen können, wenn er in seiner Zuständigkeit auf die ihm in Youngplan zuerkannten Befugnisse beschränkt bleiben sollte7. Andererseits wurde anerkannt, daß es recht schwierig sein werde, sich der Einberufung des Ausschusses zu widersetzen.

7

Vgl. auch Dok. Nr. 522.

Der Reichskanzler war der Meinung, daß man versuchen solle, es dahin zu bringen, daß etwa der Wiggin-Ausschuß und der beratende Sonderausschuß gleichzeitig einberufen werden, daß beide Ausschüsse dann sich zu gemeinsamer Beratung vereinen sollen. Oder es müsse erreicht werden, daß die Befugnisse des Sonderausschusses durch eine Regierungskonferenz, die vor seiner Einberufung zusammentreten müsse, erweitert werden8.

8

Vgl. Schäffers Urteil über die Besprechung: „Kanzler erwähnt, daß er für den Endkampf mit schweren politischen Bedingungen der anderen Seite rechnet. Er wünscht offenbar, alle verpfändbaren Reichseinkünfte so stark vorzubelasten für die kurzfristigen Kredite, daß für die Reparationen nichts mehr übrig bleibt. Außerdem will er anscheinend die Banken durch Umschuldung der Stillhaltungsbeträge stark entlasten. Zum großen Teil Otto Wolffsche Gedanken (Ich fürchte, daß diese Sache, so aufgezogen, etwas plump und absichtlich wirken wird. Luther ist ganz aus seinem Konzept der rein privatwirtschaftlichen Behandlung der Sache gekommen) (IfZ ED 93, Bd. 14, Bl. 961). Zur Fortsetzung der Beratung siehe Dok. Nr. 533.

Extras (Fußzeile):