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4. Außerhalb der Tagesordnung: Beamtenbesoldung.
Ministerialdirektor Lothholz berichtete in großen Zügen über den Gang der Verhandlungen im Haushaltsausschuß des Reichstages zur Besoldungsreform15. Er erklärte, daß im gegenwärtigen Augenblick die Frage der Einstufung der höheren Beamten zur Erörterung stehe und daß es dem Reichsfinanzministerium angezeigt erscheine, daß das Reichskabinett im Interesse eines ungehemmten Fortganges der Verhandlungen möglichst sofort zu den hier geäußerten, von der Regierungsvorlage nicht unerheblich abweichenden Absichten der Vertreter der Regierungsparteien Stellung nehme. Man gehe nämlich in Kreisen der Regierungsparteien ernstlich mit der Absicht um, das Gros der höheren Beamten (Regierungsräte) im Endgehalt höher wie vorgesehen zu bedenken, dafür aber möglicherweise ein niedrigeres Anfangsgehalt in Ansatz zu bringen. Die finanzielle Auswirkung dieser Änderungen sei erträglich. Andererseits müsse man sich aber darüber klar sein, daß durch die Erhöhung des Endgehalts der höheren Beamten der Abstand der höheren Beamten von den gehobenen mittleren Beamten so vergrößert werde, daß mit Rückwirkungen nach der Mitte der Besoldungsordnung[1113] hin gerechnet werden müsse. Diese Rückwirkungen würden allerdings finanziell und auch wohl politisch bedenklich sein.
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Die Beratungen des Haushaltsausschusses über den Entwurf des Besoldungsgesetzes (RT-Bd. 419, Drucks. Nr. 3656) hatten am 3.11.27 begonnen; Protokolle der Ausschußberatungen über die Besoldungsvorlage (1. Lesung), in: RT-Bd. 420, Beilage I zu RT-Drucks. Nr. 3765.
Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß eine Höherstufung der höheren Beamten unbedingt Konsequenzen für die Beamten des gehobenen mittleren Dienstes im Gefolge haben würde. Preußen werde nach der Erklärung des Preußischen Finanzministers eine Erhöhung der Endgehälter der höheren Beamten nicht mitmachen, weil die preußische Regierung Rückwirkungen nach der Mitte der Besoldungsordnung hin nicht verantworten wolle und davon überzeugt sei, daß ohne solche Rückwirkungen bei den höheren Beamten nicht durchzukommen sei. Er empfahl, den Parteiführern als Standpunkt der Reichsregierung mitzuteilen, daß diese an der Regierungsvorlage festhalte und daß sie auch den Wunsch habe, die vom Haushaltsausschuß beschlossenen Erhöhungen bei der Gruppe des gehobenen mittleren Dienstes und der Gruppe des gehobenen unteren Dienstes rückwärts zu revidieren.
Der Reichskanzler erklärte, daß es nach seiner Auffassung nicht angehe, die Bezüge der unteren und mittleren Beamten über die Regierungsvorlage hinaus zu erhöhen und daß es aus diesem Grunde auch bezüglich der höheren Beamten wohl bei der Vorlage verbleiben müsse.
Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß es ihm unmöglich sei, zu der von den Regierungsparteien im Laufe der Verhandlungen aufgeworfenen Frage einer grundsätzlichen Besserstellung der höheren Beamten schon jetzt ohne eingehende nähere Durchprüfung Stellung zu nehmen. An sich sei er bereit, für eine Hebung der höheren Beamten einzutreten. Er könne aber die Konsequenzen eines solchen Eintretens noch nicht in ausreichender Weise übersehen, und er müsse daher seine Stellungnahme noch vorbehalten.
Nach kurzer Aussprache beschloß das Kabinett, den Reichsminister der Finanzen zu ermächtigen, den Parteiführern gegenüber im Namen des Reichskabinetts zum Ausdruck zu bringen, daß die Reichsregierung zunächst an der Regierungsvorlage formell festhalte, daß die Reichsregierung sich aber vorbehalte, nach Abschluß der ersten Lesung der Besoldungsreform im Haushaltsausschuß in eine sachliche Nachprüfung des Ergebnisses der Beschlüsse der ersten Lesung einzutreten und daß sie unter Umständen auch zu materiellen Änderungen der Vorlage bereit sei, sofern die Gesamtgestaltung der Besoldungsordnung ihr dies zweckmäßig erscheinen lassen sollte16.