1.174.1 (bru3p): 1. Verhinderung der Brotpreiserhöhung.

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1. Verhinderung der Brotpreiserhöhung.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft berichtete über die Entwicklung der Lage des Bortgetreidemarktes in den letzten Monaten1. Er erklärte u. a., in der letzten Zeit sei kein Roggen mehr verfüttert worden. In Berlin werde jeder Bedarf an Brotgetreide befriedigt. Die Müller hätten sogar Vorratsmengen in Höhe eines Monatsbedarfs und mehr. Im Februar habe ein Run auf die Mühlen eingesetzt. Die Mühlen in Berlin seien daher stark beschäftigt. Das sei für die Preisentwicklung im Sinne der Regierung nicht ungünstig. Der Mehlbedarf für Berlin werde zur Hälfte von Berliner Mühlen, zur Hälfte von auswärts beliefert2.

1

Vgl. hierzu auch Dok. Nr. 641, P. 8.

2

Ähnliche Ausführungen hatte der REM in der Chefbesprechung vom 27.2.32 wegen des Brotpreises gemacht (Vermerk von MinR Feßler vom 1.3.32 in R 43 I /1161 , Bl. 241–242).

Der Bedarf an Brotgetreide in der Provinz sei amtlich ebenfalls bekannt. Die Deutsche Getreide-Handelsgesellschaft sei zudem in der Lage, den Bedarf überall sofort auszugleichen. Das geschehe reibungslos. Der eingeführte russische Roggen3 werde in Westfalen und Rheinland bei der dortigen Nachfrage sogar mit Überpreis abgesetzt4.

3

Vgl. Dok. Nr. 682, P. 2.

4

Der Roggenpreis an der Berliner Börse stieg vom 3.1.32 von 185–187 RM auf 200–202 RM am 18.2.32 und fiel wegen der russischen Roggeneinfuhr am 24.2.32 auf 193–195 RM. 70%ig ausgemahlenes Roggenmehl stieg im gleichen Zeitraum von 25,50–27,60 RM auf 28,10–29,75 RM und fiel am 24. 2. auf 28–29,50 RM. Bei einer Bruttospanne von 14 RPf. sei eine Brotpreissenkung von 50 RPf. auf 45 RPf. nur möglich bei einem Roggenpreis von 29,35 RM frei Bäckerei; der Preis betrage jedoch z. Zt. 31 RM. Daher habe der Brotpreis in Stettin und Hamburg um 1,5 RPf. bzw. 2,8 RPf. erhöht werden müssen. In Berlin und Westfalen stünden Erhöhungen bevor (Aufzeichnung in R 43 I /1161 , Bl. 257).

[2333] Die Besprechungen mit den Bäckerorganisationen über die in den letzten Tagen beabsichtigte Brotpreiserhöhung habe ergeben, daß die sachliche Bedeutung dieses Planes weit zurückgestanden habe hinter den politischen Zielen. Mit der Nachricht der beschlossenen Brotpreiserhöhung am 26. Februar abends habe der Reichstag vor seiner Vertagung noch beeinflußt werden sollen5. Das sei u. a. auch von dem Abgeordneten Drewitz bestätigt worden.

5

In einem Telegramm vom 25.2.32 aus Dortmund hatten westfälische Bäcker mit Brotpreiserhöhung und Einstellung der Winterhilfe für Erwerbslose gedroht, falls die Mehlpreise nicht gesenkt würden (Abschrift in R 43 I /1161 , Bl. 256).

Die Verhandlungen wegen des Brotpreises vom Sonntag, dem 28. Februar, hätten ergeben, daß erstens die Müller eine höhere Spanne wünschten und zweitens, daß die sogenannte Handelsspanne der Bäcker in Berlin höher sei als überall anders. Sie betrage bis zu 2 RM, während sie anderswo im allgemeinen nur 1 RM betrage. Zur Regelung der Mehlpreise halte er für unbedingt erforderlich, an eine Reorganisation der Verhältnisse bei den Mühlen heranzugehen, die an Zahl zu sehr übersetzt seien.

Um der drohenden Brotpreissteigerung entgegenzuwirken, seien als Maßnahmen vorgesehen zunächst die Regulierung des Getreidemarktes durch Einfuhr von Brotgetreide und außerdem eine stärkere Ausmahlung. Diese solle von bisher 60% auf 70% erhöht werden. Durch stärkere Ausmahlung könne der Mehlpreis um 2 RM gesenkt werden. Als dritte Maßnahme sei an eine Kürzung der Handelsspanne gedacht. Dann bleibe noch offen die Frage des Nachtbackverbots.

Um den Getreidemarkt möglichst regulieren zu können, würden zur Zeit auch die Aussichten der nächsten Ernste untersucht. Dabei habe sich herausgestellt, daß im Norden und Nordosten Deutschlands Frostschäden befürchtet werden müßten.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung erklärte, seine Aufgabe könne nur in der Einwirkung auf die Spannen bestehen. Er rate dringend an, an Roggen zu kaufen, was zu haben sei. Dadurch werde eine Entspannung der Preisverhältnisse eintreten. Außerdem scheine ihm das erforderlich wegen der Befürchtungen des Ministers Schiele für die Ernte. Selbst in Königsberg habe in der letzten Zeit die Zufuhr an Getreide nicht genügt.

Seine gestrige Verordnung gegen die Brotpreiserhöhung6 habe bei den Bäckern Widerspruch ausgelöst. Sie bezeichneten die Verordnung als Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht. Zu Mittwoch seien Protestversammlungen der Bäckermeister angekündigt. Er sehe die Gefahr, daß diese Versammlungen leicht zu einem Streik der Bäcker führen könnten und zu Verhältnissen, wie sie beim Bier eingerissen wären7. Er schlage deswegen vor, diese Versammlungen zu verbieten.

6

Vgl. die amtliche Festsetzung des Kleinverkaufspreises für Brot durch den RPreisKom. vom 28.2.32 (WTB Nr. 443 vom 28.2.32, R 43 I /1161 , Bl. 252).

7

Vgl. unten P. 5.

Zur Frage des Nachtbackverbots stellte er fest, daß die Brotfabriken nicht so billig arbeiten könnten wie die Bäcker. Sie hätten sich aber der gewünschten Mitteilung[2334] entzogen, um wieviel sie den Brotpreis senken könnten. Er sehe daher keinen Anlaß, die Frage weiterzuverfolgen. Er wiederhole aber seinen früheren Vorschlag, im Wege der Verordnung zu gestatten, daß die Brotfabriken eine Stunde früher beginnen8. Nach den früheren Bestimmungen über das Nachtbackverbot bedürfe es dazu einer neuen Verordnung. Eine solche würde aber von den Brotfabriken begrüßt und von den Innungen geduldet werden. Die Innungen würden zufrieden sein, daß das Nachtbackverbot nicht gänzlich aufgehoben werde. Der Inhalt der Verordnung müsse die Brotfabriken verpflichten, den Brotpreis zu senken. Dagegen werde ihnen die Genehmigung erteilt, eine Stunde früher am Morgen zu beginnen.

8

Vgl. Dok. Nr. 679, P. 2.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, gegen eine solche Verordnung auch unter den heutigen Verhältnissen noch Bedenken zu haben. Die Brotfabriken hätten bereits früher erklärt, sie hätten bei den gedrückten Spannen kein Interesse an einer Lockerung des Nachtbackverbots. Vor allem scheine ihm aber nicht ratsam, vor der Reichspräsidentenwahl durch die Angelegenheit Beunruhigung zu schaffen. Die vorgesehenen übrigen Maßnahmen zur Einwirkung auf den Brotpreis halte er für notwendig, aber auch ausreichend.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte, keine Lösung der Frage des Nachtbackverbots zu sehen, wenn nur die Großbetriebe ihre Preise um 2 Pfennige senken sollten. Die Lösung müsse weiter gehen und auch auf die Bäcker ausgedehnt werden.

Der Reichsarbeitsminister trat diesem Standpunkt mit größtem Nachdruck entgegen. Er erklärte, nicht einsehen zu können, warum man nicht die vorgeschlagenen Maßnahmen begrüßen könne, wenn sie nicht auch auf andere, nämlich die Bäcker, ausgedehnt würden. Die Landwirte seien weit entfernt, bezüglich des Erzeugerpreises Opfer zu bringen. Sie hielten unbedingt an einem 2½fachen Weltmarktpreis fest und betrachteten als Selbstverständlichkeit, daß die Regierung diese Höhe stütze. Man könne unmöglich den Arbeitnehmern auch jetzt wieder zumuten, die Opfer allein zu tragen.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob das Nachtbackverbot unter den jetzigen Verhältnissen geregelt werden müsse.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung stellte fest, daß sein Vorschlag keine Aufhebung des Nachtbackverbots bedeute, sondern lediglich eine Lockerung. Von dem um eine Stunde früheren Beginn der Arbeit sei eine Verbilligung des Brotes um 1,5 Pfg. zu erreichen, d. h. um nur einen halben Pfennig weniger als seinerzeit von der vollständigen Aufhebung des Nachtbackverbots erwartet worden sei. Er sei bereit, mit den Gewerkschaften über die Angelegenheit zu verhandeln. Mit Rücksicht auf die politischen Bedenken könnten die Maßnahmen hinausgeschoben werden bis nach den Wahlen. Man solle seiner Ansicht nach aber schon jetzt weitere Verhandlungen pflegen.

Der Reichskanzler bezeichnete es als wünschenswert, daß dabei eine Beunruhigung der Bäcker vermieden würde.

[2335] Das Reichskabinett war damit einverstanden, daß die Ressorts wegen der Lockerung des Nachtbackverbots mit den Beteiligten verhandeln9.

9

Ein Ergebnis dieser Verhandlungen ließ sich nicht ermitteln. Zur Kontrolle des Brotpreises siehe Dok. Nr. 699, P. 3.

Sodann wurde über die Zweckmäßigkeit eines Verbots der für Mittwoch, den 2. März, vorgesehenen Protestversammlung der Bäcker verhandelt.

Staatssekretär Zweigert teilte mit, daß nach der Verordnung vom 28. März 193110 die Möglichkeit bestehe, diese Versammlungen allgemein präventiv zu verbieten. Die Zuständigkeit dafür läge bei den Ländern.

10

§ 1 der Vo. des RPräs. zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28.3.31 (RGBl. I, S. 79 ).

Der Reichsminister der Finanzen meinte, ein solches generelles Verbot sei nicht ratsam, es bestehe dann die Gefahr, daß die Angelegenheit künstlich aufgebauscht werde.

Staatssekretär Dr. Weismann empfahl gleichfalls, von einem generellen Verbot abzusehen und ebenso von entsprechenden Rundschreiben an die Länder. Diese würden leicht eine Beunruhigung erst schaffen.

Das Reichskabinett beschloß, davon abzusehen, bei den Ländern anzuregen, die Protestversammlungen allgemein im voraus zu verbieten. Diese Versammlungen sollen besonders überwacht werden und nötigenfalls von Fall zu Fall verboten werden, um Auswüchse zu verhindern.

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