2.14.1 (cun1p): 1) Beantwortung der Ententenote betreffs der Vorfälle in Ingolstadt und Passau

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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1) Beantwortung der Ententenote betreffs der Vorfälle in Ingolstadt und Passau

Der Reichskanzler betonte, daß man bezüglich dieser Vorfälle nunmehr zu einer klaren Entscheidung kommen müsse, da die Zeit dränge. Er müsse seinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß die Presse derart falsche Informationen gebracht habe2. Er ersuchte den Herrn Reichsminister des Auswärtigen zu berichten.

2

In einem Teil der Presse waren die Differenzen zwischen Bayern und der RReg. stark dramatisiert worden. Diese Darstellungen wurden lt. DAZ vom 7. 12. vor allem von der Deutschen Telegraphen-Agentur verbreitet.

Minister von Rosenberg teilte mit, daß er gestern nachmittag mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Herrn von Knilling verhandelt habe3. Er habe versucht, von Bayern Zugeständnisse zu erlangen, er müsse aber gestehen, daß dieser Versuch ohne Erfolg geblieben sei. – Des weiteren besprach Minister von Rosenberg die Sach- und Rechtslage.

3

Über diese Besprechung fanden sich keine Angaben in R 43 I. Am 6. 12. abends war v. Knilling nach München zurückgefahren.

Der Reichskanzler führte aus, daß im vorliegenden Falle alles geschehen müsse, um zu einem möglichst befriedigenden Resultat zu kommen, damit die große Frage der Reparation nicht unter dieser an sich nebensächlichen Streitfrage leide. Man müsse davon ausgehen, daß der Bayerische Ministerpräsident nach Berlin mit einer festen Marschroute gekommen sei, von der abzuweichen, ihm aus innerpolitischen Gründen unmöglich gewesen sei. Man müsse daran denken, daß eine bayerische Regierung, die sich heute nachgiebig gegenüber den Ententeforderungen zeige, evtl. von der Bewegung Hitler weggeschwemmt werden könnte. Was dann käme, könne man sich denken. In der Antwortnote an die Entente könne man, dem Vorschlag von Rosenberg folgend, 3 Punkte hervorheben.

1. sei das Reich nach der Verfassung für die Vorkommnisse völkerrechtlich verantwortlich, und nicht Bayern oder gar die betreffenden Städte;

2. habe der eine Vorfall sich gar nicht in Ingolstadt abgespielt, sondern in einem in der Nähe gelegenen Orte, der einer anderen Polizeigewalt unterstellt sei, und

[46] 3. könne für die Buße evtl. die Anrufung eines Schiedsgerichts in Anspruch genommen werden.

Im übrigen wolle er betonen, daß nach seiner Auffassung der Tatbestand noch nicht ganz geklärt sei, und es wäre zu erwägen, ob man eine Ergänzung der knappen Angaben der Entente herbeiführen solle.

Minister Brauns machte darauf aufmerksam, daß, wenn der eine Vorfall sich auch nicht auf Ingolstädter Gebiet abgespielt habe, so doch aller Wahrscheinlichkeit nach Ingolstädter Arbeiter in Frage stünden.

Minister Albert führte aus, daß nach seiner Auffassung das Hauptgewicht darauf zu legen sei, möglichst um die Frist vom 10. Dezember herumzukommen. Vielleicht könne man das so machen, daß man formell anerkenne, daß Deutschland vorliegend im Unrecht sei und die Konsequenzen daraus ziehen werde, und daß dann in einer Anlage der Tatbestand geschildert würde mit dem Ersuchen um Nachprüfung des dortigen Standpunktes.

Staatssekretär Hamm verlas einen provisorischen Entwurf der Antwortnote4.

4

In den Akten der Rkei nicht ermittelt.

Minister von Rosenberg warnte davor, die Angelegenheit zu verschleppen, da dies von der Entente sehr übel vermerkt werden würde.

Minister Groener betonte den rein militärischen Ursprung der Note. Sie fordere die Bestrafung der Schuldigen, und zwar der Repräsentanten der deutschen Staats- und Polizeigewalt. Die Fabrik, in der sich der Vorfall in Ingolstadt abgespielt habe, sei die frühere Munitionsanstalt Ingolstadt und gehöre zur Festung Ingolstadt. Es sei klar, daß die Entente versuchen werde, Bayern gegen das Reich auszuspielen. Er glaube daher, daß hier der Reichskanzler nach außen offiziell in die Erscheinung treten müsse mit der Erklärung, daß er für das Reich die volle Verantwortung für die Vorfälle übernehme und diese dann ohne weiteres als auch für Bayern abgegolten gelten.

Minister Brauns erwähnte, daß er die Strafe weniger als Buße als als Abschreckungsmittel ansehe.

Minister Becker erklärte, daß jede Antwort der Deutschen Regierung nicht als befriedigend angesehen werden würde, deshalb, weil keine Regierung hier eine befriedigende Antwort geben könne. Man müsse daher versuchen, eine Antwort zu finden, die nach außen eine einigermaßen gute Position schaffe und für die innere Politik den geringsten Schaden zur Folge habe. Er halte als gangbaren Weg, daß man an die Spitze der Antwort die Anerkennung setze, daß man im Unrecht sei und gleichzeitig mit dem Bedauern den Willen zur Wiedergutmachung betone, soweit dies staatsrechtlich möglich sei. Aus der Tatsache, daß der Tatbestand von beiden Seiten nicht übereinstimmend dargestellt werde, müßten Schlüsse gezogen werden. Auch sei zu bedenken, daß die Kommunalbeamten weder vom Reich noch von Bayern zu irgendeiner Handlung gezwungen werden könnten. Für die Buße schlage er vor, hier nur zum Teil nachzugeben.

Minister Geßler führte aus, daß man so nicht weiter komme. Es sei klar, daß die Antwort der Deutschen Regierung in keinem Falle befriedigen könne,[47] und nach seiner Auffassung könne der Tatbestand kaum bemängelt werden, denn das, was die Entente behaupte, stände fest und würde auch von der Deutschen Regierung nicht bestritten.

In der weiteren Debatte, an der sich noch die Minister Heinze, Becker und Albert beteiligten, erklärte sich schließlich das Kabinett, dem Vorschlag von Rosenberg folgend, damit einverstanden, daß, wenn das Reich sich entschließe, die Buße zu zahlen, ein Schiedsgericht nicht angerufen werden solle, selbst wenn nur ein Teil der Buße gezahlt werden sollte. Auch war das Kabinett einstimmig der Auffassung, daß unter keinen Umständen im vorliegenden Fall ein Gegensatz zwischen Reich und Bayern konstruiert werden solle.

Es wurde beschlossen, daß der Herr Reichsminister des Auswärtigen in Verbindung mit dem Herrn Reichsjustizminister eine Formulierung der Antwortnote versuchen solle, die in der nächsten Kabinettssitzung zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden würde.

Der Reichskanzler erklärte dann noch, er beabsichtige, die Parteiführer zur Besprechung der Frage zu sich zu bitten5.

5

Lt. Vermerk Hamms über eine Besprechung mit Stresemann hatte v. Rosenberg zugesagt, am 5. 12. „die Parteiführer über die auswärtige Lage zu unterrichten. Im Zusammenhang damit wurde die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses abgesetzt, nachdem besonders Herr Stinnes auf Absetzung hingewirkt hatte wegen Verhandlung mit Tschitscherin und anderem. Herr Dr. Stresemann hält Unterrichtung der Parteiführer für sehr geboten und empfiehlt, heute die Einladungen für Mittwoch [6. 12.] ergehen zu lassen, und zwar so, daß er heute noch im RT Kenntnis erhält. Dann soll am Donnerstag oder Freitag Sitzung des Auswärtigen Ausschusses sein.“ (R 43 I /2656 , Bl. 48-50). Lt. Pressemeldungen empfängt der RAM am 8. 12., 12 h, die Parteiführer zu einer Aussprache über die allgemeine außenpolitische Lage. Am 9. 12., 11 h, tritt der Auswärtige Ausschuß des RT zusammen, vor dem der RAM berichtet. Für eine Besprechung des RK mit den Parteiführern waren Hinweise in R 43 I nicht zu ermitteln.

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