2.74.1 (cun1p): 1) Haltung der Eisenbahner in der Frage der Transporte durch die englische Zone.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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1) Haltung der Eisenbahner in der Frage der Transporte durch die englische Zone.

Reichsminister des Auswärtigen betonte, daß die Frage des Durchtransports durch die englische besetzte Zone eine große politische Bedeutung habe. Es sei der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, daß die Engländer die Haltung der deutschen Eisenbahner zum Vorwand nehmen könnten, um ihre Truppen aus Köln zurückzuziehen2. Es wurde beschlossen, die Angelegenheit[251] morgen ausführlich zu erörtern. Im übrigen wurde der Punkt von der Tagesordnung abgesetzt3.

2

Mit Schreiben vom 9. 2. hatte das RVMin. dem AA die Schwierigkeiten dargelegt, die sich aus den Weisungen an das Eisenbahnpersonal ergaben, in der Kölner Zone frz. Truppen- und Versorgungszüge zu fahren (s. auch Anm. 11 und 12 zu Dok. Nr. 65). Darin heißt es u. a.: Die politischen Gedankengänge, die zu diesen Weisungen Anlaß gegeben haben, sind zu fein, um vom Personal verstanden zu werden. Der gestrige Versuch der Übergabe eines Truppenzuges, der offensichtlich für die Ruhr bestimmt war, seitens der Reichsbahndirektion Köln an die Reichsbahndirektion Elberfeld innerhalb der englischen Zone, steigerte die im Personal schon seit langem wegen der Truppentransporte befindliche Erregung aufs Äußerste. Die Gewerkschaften haben in gestrigen Besprechungen erklärt, daß sie unter keinen Umständen sich mit dem bisherigen Verfahren weiterhin zufrieden geben könnten. Ihre Erbitterung über die Zumutung, Truppenzüge für den Gegner nach dem Einbruchsgebiet zu schaffen, sei um so größer, als sie die Rücksichtnahme auf die Engländer immer weniger verstehen könnten, nachdem sie zur Überzeugung gekommen seien, daß die Engländer die Belgier und Franzosen ganz offen unterstützten. Denn als offene Unterstützung mußten sie die, wenn auch nur vorübergehende Einrichtung von französischen Kontrollstellen im englischen Besatzungsgebiet in Wermelskirchen und Engelskirchen ansehen, ebenso die neuerdings erfolgte Einführung von Telefon- und Telegrafenverbindungen der Belgier und Franzosen in die englische Zentrale in Köln, so daß der belgische und französische Militärbetrieb seine Anordnungen unter tätiger Mitwirkung der Engländer weitergebe. […] Die geschilderten Umstände veranlassen mich, um erneute schleunigste Prüfung und Entscheidung der Frage zu ersuchen, ob auch künftighin Truppentransporte, die als mit dem Einbruch der Franzosen und Belgier zusammenhängend erkennbar sind, in der englischen Zone zu befördern sind. Ich halte im Hinblick auf die notwendige Geschlossenheit des Eisenbahnpersonals eine Änderung des bisher dort eingenommenen Standpunktes für notwendig und bitte um Zustimmung zu einer von mir zu erlassenden Anweisung an die beteiligten Reichsbahndirektionen, künftig solche Transporte nicht mehr zu fahren.“ (R 43 I /207 , Bl. 171-173). Auf Anregung v. Maltzans kam es daraufhin am 10. 2. zu einer Besprechung zwischen Rkei, AA und RVMin. mit dem Ergebnis, eine endgültige Entscheidung am 13. 2. im Kabinett zu fällen. Ebenfalls am 10. 2. fand im RVMin. eine Besprechung mit Gewerkschaftlern und Eisenbahnern statt, in der LegR Ritter den Standpunkt des AA darlegte. Die Gewerkschaftler erklärten, daß sie die Eisenbahnerschaft allenfalls bis zum 14. 2. noch in Ruhe halten könnten. Kempner vermerkt außerdem über diese Besprechung: „Ich glaube, das AA sieht ein, daß sein bisheriger Standpunkt nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.“ (R 43 I /207 , Bl. 193, 152).

3

In der Kabinettssitzung vom 14. 2. wird dieser Punkt nicht behandelt. Die bisherigen Anordnungen der Reichsbahndirektion Köln werden, den Wünschen der Eisenbahnerschaft entsprechend, zurückgezogen. Vgl. dazu auch Anm. 4 zu Dok. Nr. 72. In einer Besprechung mit dem brit. Oberkommissar Lord Kilmarnock und Colonel Ryan legen die Gewerkschaftsvertreter Armin, Leimbach und Schidlewski in Anwesenheit von LegR v. Lewetzow am 16. 2. in Koblenz ihre Auffassung über die Lage dar und überreichen abschließend eine Erklärung, in der es u. a. heißt: „Die steigende Erregung kann Komplikationen im Gefolge haben, die sowohl im deutschen wie im britischen Interesse nicht erwünscht sind. Die deutsche Eisenbahnerschaft appelliert an das Rechtsempfinden Großbritanniens, dessen traditioneller Grundsatz ‚Schutz den Schwächeren‘ sein soll. Die deutsche Eisenbahnerschaft am Rhein erwartet von der britischen Regierung eine solche loyale Haltung, wie die Eisenbahnerschaft sie bis heute im britischen Gebiet gezeigt hat. Sie ist nicht gewillt, Handlungen zu unterstützen, die eine Schädigung ihrer Stammesbrüder an der Ruhr darstellen.“ (sechsseitiges Protokoll und Erklärung der Eisenbahnerschaft in R 43 I /211 , Bl. 266-271). Die Engländer kommen nach längeren Verhandlungen den Wünschen der Eisenbahnerschaft entgegen und schließen am 11. 3. Vereinbarungen mit Frankreich, die lediglich einen beschränkten Eisenbahnverkehr durch die brit. Zone gestatten (s. Schultheß 1923, S. 263).

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