2.85.3 (cun1p): 3) Stellungnahme zu den Entschließungen Nr. 5540 und 5544 der Reichstagsdrucksachen betr. die Disziplinar- und Strafverfahren aus dem Eisenbahnerstreik usw.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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3) Stellungnahme zu den Entschließungen Nr. 5540 und 5544 der Reichstagsdrucksachen betr. die Disziplinar- und Strafverfahren aus dem Eisenbahnerstreik usw.

Der Herr Reichsverkehrsminister trug die Angelegenheit vor4 und wiederholte die in seinem Schreiben vom 13. Februar 1923 gegen eine Amnestie erhobenen Bedenken5.

4

Die Frage der Amnestie für Teilnehmer am Eisenbahnerstreik vom Februar 1922 hatte bereits das Kabinett Wirth häufiger beschäftigt. Seit dem Amtsantritt Cunos waren Vertreter der Reichsgewerkschaft verschiedentlich in dieser Frage bei der RReg. vorstellig geworden. Am 12. 2. forderte die SPD-Fraktion Begnadigung der strafrechtlich und disziplinarisch Verurteilten sowie Einstellung der schwebenden Disziplinarverfahren (RT-Drucks. Nr. 5540, Bd. 376 ). Die DDP-Fraktion forderte am 13. 2. „weitgehende Begnadigung“ der bestraften Beamten, „soweit diese Beamten in ihren Handlungen nicht gegen die Strafgesetze verstoßen haben“, sowie Einstellung der schwebenden Verfahren (RT-Drucks. Nr. 5544, Bd. 376 ). Nach einer Übersicht des RVM vom 8.1.23 waren wegen des Streiks insgesamt 319 Strafverfahren eingeleitet worden sowie 163 Disziplinarverfahren gegen unkündbare Beamte; bei den kündbaren Beamten waren bisher 22 Entlassungen vorgenommen worden (R 43 I /2125 , Bl. 232 f.).

5

Der RVM hatte sich in diesem Schreiben grundsätzlich gegen eine Amnestie ausgesprochen, da ohnehin weitgehende Milde bei den Verfahren walte und „andererseits eine allgemeine Amnestie dem Ansehen der Verwaltung gegenüber der Beamtenschaft, insbesondere der am Streik nicht beteiligten und ihn verurteilenden abträglich sein würde. […] Gegenüber dem Hinweis auf die Zweckmäßigkeit eines Amnestieerlasses angesichts der heutigen politischen Lage aber möchte ich bemerken, daß ich Zweifel hegen muß, ob die Autorität der Regierung gegenüber der Beamtenschaft unversehrt aus den Kämpfen hervorgeht, die heute mit Hilfe der Gewerkschaften geführt werden müssen. Danach halte ich die Bewilligung der Straffreiheit für die Februarstreikvergehen auch vom politischen Standpunkt aus für höchst bedenklich.“ (R 43 I /2125 , Bl. 239 f.). Sollten diese Bedenken keine Berücksichtigung finden, so erklärte sich der RVM äußerstenfalls bereit, einer Amnestie zuzustimmen, bei der die eigentlichen Führer des Streiks ausgenommen würden; außerdem alle Fälle von schweren Beleidigungen und Mißhandlungen von Vorgesetzten oder Arbeitswilligen sowie die gewaltsamen Eingriffe, die zu Betriebsunfällen oder Betriebszerstörungen führten bzw. dies zum Ziel hatten. Dieser Eventualvorschlag des RVM wird von ORegR Offermann in einem Vermerk für den RK unterstützt, wobei Offermann die grundsätzliche Auffassung vertritt, „daß mit Rücksicht auf den Kampf im Ruhrgebiet sich eine Amnestie für die Eisenbahner nicht umgehen läßt.“ (R 43 I /2125 , Bl. 248 f.). StS Hamm schließt sich dieser Auffassung an.

[281] Nachdem der Herr Reichsjustizminister sich aus politischen Gründen gegen eine Amnestie ausgesprochen und auch betont hatte, daß angesichts der wenig zahlreichen Fälle sich eine Amnestie nicht empfehle, wurde beschlossen, daß in der Sitzung des Rechtsausschusses vom 28. d. Mts. der Herr Reichsminister der Justiz eine Erklärung dahin abgeben soll, daß grundsätzlich eine schnellere Erledigung der Disziplinarverfahren angestrebt werden soll6.

6

Die Frage wird am 7. 3. erneut vom Kabinett beraten (Dok. Nr. 93).

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