2.70 (cun1p): Nr. 70 Der Reichsminister der Finanzen an Staatssekretär Hamm. 9. Februar 1923

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Text

RTF

Nr. 70
Der Reichsminister der Finanzen an Staatssekretär Hamm. 9. Februar 1923

R 43 I /207 , Bl. 155 f.

[Betrifft: Reparationszahlungen an Frankreich und Belgien]

Unter Bezugnahme auf das fernmündliche Gespräch zwischen Herrn Legationssekretär Henkel und Herrn Geheimrat Jaffé teile ich ergebenst mit, daß für den Bereich des Reichsfinanzministeriums an Zahlungen und Lieferungen für Frankreich und Belgien bzw. die Reparationskommission folgende Posten in Betracht kommen:

1) Barzahlungen auf Reparationskonto.

Seit der Entscheidung der Reparationskommission vom 31. August 1922 und dem aufgrund dieser Entscheidung geschlossenen deutsch-belgischen Abkommen vom 23./25. September 1922 über die Ausgabe von Schatzwechseln an Belgien zur Deckung der Fälligkeiten vom 15. August bis 31. Dezember 1922 im Gesamtbetrage von 270 Millionen Goldmark sind Reparationsbarzahlungen an die Reparationskommission nicht mehr geleistet worden1. Die beiden ersten Schatzwechsel in Höhe von je rund 48 Millionen Goldmark werden am 15. Februar bzw. 15. März 1923 fällig und bei der Bank von England zahlbar. Mit Rücksicht auf die Bürgschaft der Reichsbank und die Diskontierung der Wechsel durch ein Schweizer Bankenkonsortium werden die Wechsel diesem gegenüber bei Fälligkeit eingelöst werden müssen2.

1

Über die dt.-belg. Verhandlungen und Vereinbarungen vom September 1922 vgl. den Band ‚Das Kabinett Wirth‘.

2

Die belg. Schatzwechsel werden in der Folgezeit sämtlich eingelöst, der letzte Wechsel am 15.6.23.

2) Ausgleichszahlungen.

Zahlungen im Ausgleichsverfahren sind aufgrund des Abkommens vom 21. Oktober 1922 seit dem 15. November 1922, an dem letztmalig ein Wechsel[234] über 350 000 £ St. gezahlt wurde, nicht mehr geleistet worden. Falls das Oktober-Abkommen von der Reparationskommission genehmigt und von den beteiligten Mächten ratifiziert wird, werden die nächsten Zahlungen erst am 10. Juli 1923 fällig werden3. Solche Zahlungen sind daher weder im Dezember 1922 noch im Januar 1923 geleistet worden.

3

Das zwischen Vertretern des dt. Reichsausgleichsamtes und Vertretern der all. Ausgleichsämter geschlossene Abkommen vom 21.10.22 hatte Deutschland bis zum 10.7.23 von allen Barzahlungen im Ausgleichsverfahren befreit. Für die Folgezeit verpflichtete sich die dt. Reg., die noch ungedeckten Debetsalden, die im Wege des Kompromisses auf 24,2 Mio Pfund Sterling geschätzt worden waren, mit Hilfe von Schatzanweisungen abzutragen, die von der Rbk als Treuhänder der all. Ausgleichsämter in monatlichen Raten von zunächst 300 000, dann 500 000 Pfund bis zum 10.10.1928 eingezogen werden sollten (Schultheß 1922, S. 297). Dieses Abkommen lag seitdem der Repko zur Ratifikation vor. Für den Fall ihres Einverständnisses sollte den beteiligten Regierungen eine Frist von sechs Wochen zur Ratifikation gegeben werden.

3) Zahlungen im Schiedsgerichtsverfahren.

Die Mittel zur Deckung der von den gemischten Schiedsgerichtshöfen gefällten Urteile werden bisher von den beteiligten alliierten Mächten aus den Liquidationserlösen des beschlagnahmten deutschen Privateigentums bestritten. Zahlungen sind bisher von deutscher Seite weder an Belgien noch an Frankreich, abgesehen von nicht nennenswerten Beträgen zur Abdeckung von Kosten usw., erfolgt4.

4

Am 19. 1. hatte die RReg. ihre Vertreter aus dem dt.-frz. Gemischten Schiedsgerichtshof abberufen und diese Haltung nach frz. Vorstellungen vom 20. und 22. 1. mit Note vom 31. 1. bekräftigt. Hier heißt es u. a.: „Es wäre in der Tat widersinnig, wenn zwischen deutschen und französischen Schiedsrichtern und Staatsvertretern jetzt über Rechtsfragen von untergeordneter Bedeutung, die sich aus der Anwendung des Versailler Vertrags ergeben, beraten werden sollte, während die wichtigsten Bestimmungen dieses Vertrags von der Französischen Regierung täglich auf das Schwerste verletzt werden.“ Die frz. Reg. läßt daraufhin die dt. Schiedsrichter durch neutrale, vom Völkerbundsrat vorgeschlagene Vertreter ersetzen und stützt sich dabei gegen den dt. Einspruch auf § 304 des VV. (Notenwechsel abgedruckt in RT-Drucks. Nr. 5876  ‚Aktenstücke über den frz.-belg. Einmarsch in das Ruhrgebiet‘, 3. Folge, Bd. 378, S. 7 ff.).

4) Besatzungskosten.

An Markvorschüssen für die Besatzungsarmeen sind gezahlt worden:

a) in der Zeit vom 11. Dezember 1922 bis 10. Januar 1923

1.

an Frankreich

12,5 Milliarden

2.

an Belgien

–,–

b) in der Zeit vom 11. Januar 1923 bis 10. Februar 1923

1.

an Frankreich

6 Milliarden

2.

an Belgien

10 Millionen

Beide Zahlungen sind vor dem Kabinettsbeschluß über die Einstellung der Zahlungen an Frankreich und Belgien vom 16. Januar d. Js. geleistet worden5.

5

Kabinettsbeschluß in Dok. Nr. 45, P. 6.

Die Rheinlandkommission ist aufgrund des Kabinettsbeschlusses vom 16. Januar d. J. dahin verständigt worden, daß die deutsche Regierung sich nicht gehalten sehe, die Zahlungen von Markvorschüssen an die Besatzungsarmeen Frankreichs und Belgiens weiterhin zu bewirken, da die Verpflichtungen des[235] Reichs zur Abgeltung des auf Frankreich und Belgien entfallenden Anteils an den 220 Millionen Goldmark, die durch das Abkommen der alliierten Finanzminister vom 11. März 1922 mit Wirkung vom 1. Mai 1922 ab als Jahreshöchstsumme für die Besatzungskosten ausschließlich der Lasten aus Artikel 8 – 12 des Rheinlandabkommens festgesetzt sind, durch die an Frankreich und Belgien bewirkten Sachleistungen erfüllt sind6. Ein Hinweis auf die Ruhraktion ist bei der Begründung absichtlich vermieden worden.

6

Abkommen der Finanzminister vom 11.3.22 in Schultheß 1922, S. 281 f.

5) Kosten der Reparationskommission.

Die Anforderung der Raten für die Reparationskommission erfolgt nach Bedarf in unregelmäßigen Zwischenräumen in Höhe von jeweils 5 Millionen französischen Franken. Die bisher letzte 24. Rate für Verwaltungskosten der Reparationskommission ist am 29. November 1922 in Höhe von 5 Millionen Franken = 2 939 041 105 Papiermark angewiesen und am 15. Dezember 1922 bezahlt worden. Eine neue Rate in gleicher Höhe ist für den 20. Februar 1923 angefordert7.

7

Wegen der Zahlung dieser Februar-Rate wendet sich StS Schroeder in Vertretung des RFM am 16.2.23 an die dt. Botschaft in Paris: „Ich möchte bitten, mit Bezug auf die für den 20. Febr. d. J. angeforderte Rate von 5 Mio Francs einen inoffiziellen Schritt bei dem englischen Mitglied der Repko zu unternehmen, um seine Meinung darüber festzustellen, ob es nicht möglich sein würde, mit Rücksicht auf die gegenwärtige finanzielle Lage des Reichs diese 5 Mio Francs zunächst aus dem vorhandenen Reservefonds zu entnehmen. Wenn auch Deutschland sich durch den § 7 des mit der Repko getroffenen Abkommens vom 16.9.1920 verpflichtet hat, den Reservefonds nach Entnahme eines Betrages jeweils sofort wieder aufzufüllen, und wenn auch die deutsche Regierung beabsichtigt, an dem Abkommen festzuhalten, so sind doch durch die Ruhrbesetzung inzwischen Verhältnisse eingetreten, die es der Regierung trotz ihres vorhandenen guten Willens nicht möglich machen, der getroffenen Vereinbarung unter allen Umständen zu entsprechen.“ Darauf antwortet StS Fischer: „Habe heute in gewünschtem Sinne mit Bradbury gesprochen. Er verneint, daß Aussicht auf Annahme solchen Vorschlags durch Repko bestehe. Französisches und belgisches Mitglied würden keinen Anlaß sehen, auf Vorschlag einzugehen, wohl aber die durch deutschen Antrag und durch evtl. Nichtzahlung geschaffene Lage mit Freude begrüßen und entsprechend ausnutzen. B. rät ebenso wie Kembal-Cook, der am Schluß der Besprechung teilnahm, die Februarrate zu zahlen. Deutsches politisches Verhältnis zu Repko äußerlich intakt zu halten, sei richtig, erfordere aber Bezahlung der Februarrate. B. glaubt nicht, daß gegenwärtiger politischer Zustand lange andauern kann und hält auch Veränderungen durch die Verhältnisse zwischen England und Frankreich für möglich.“ (R 43 I /35 , Bl. 186 f.). Die Februarrate wird daraufhin gezahlt, ebenso die Märzrate am 15.3.23.

6) Interalliierte Kommissionen. (ohne Kosten für die Unterbringung)

Es sind gezahlt worden

a)

In der Zeit vom 11.12.22 bis 10.1.23

271,6 Mill.

Pap. M

ferner eine Million Goldmark für die Militärkontroll-Kommission aus Anlaß der Zwischenfälle von Ingolstadt und Passau.

1 517 972 000

„ „

zusammen:

3 261 637 000

„ „8

b)

In der Zeit vom 11.1.1923 bis 10.2.23

152 255 000

„ „

8

Die Summe ist rechnerisch unverständlich; der erste Betrag dürfte zu niedrig angesetzt sein, zumal das RFMin. die Ausgaben für interall. Kommissionen zwischen dem 1.4.22 und dem 10.1.23 auf rd. 9,8 Mrd. M beziffert (R 43 I /34 , Bl. 344-346, hier: Bl. 346).

[236]7) Aus dem deutsch-französischen Pensionsabkommen und dem Abkommen betr. elsaß-lothringische Kriegsausgaben sind in der Zeit vom 11.12.22 bis 10.2.23 keine Zahlungen geleistet worden9.

9

Am 3. 7. berät das Kabinett die Frage, ob die am 1. 7. fällige Rate aus dem dt.-frz. Pensionsabkommen gezahlt werden solle (Dok. Nr. 205). Eine Zusammenstellung über sämtliche Zahlungen, die zwischen dem 11. 1. und 11.8.23 zur Ausführung des VV geleistet wurden, legt das RFMin. der Rkei am 17.9.23 vor, monatlich gegliedert und aufgeschlüsselt in Barzahlungen, verschiedene Gruppen von Sachleistungen, Wiederaufbauleistungen, engl. Sanktionsabgabe, Besatzungskosten, Zahlungen im Ausgleichsverfahren, für interall. Kommissionen etc. (R 43 I /39 , Bl. 312-315).

Im Auftrage

v. Brandt

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