2.88 (cun1p): Nr. 88 Der Reichskanzler an den Oldenburgischen Ministerpräsidenten. 1. März 1923

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Nr. 88
Der Reichskanzler an den Oldenburgischen Ministerpräsidenten. 1. März 1923

R 43 I /2278 , Bl. 19 Entwurf1

1

Der Entwurf war am 28. 2. von Oeser an Hamm gesandt worden mit dem Bemerken, daß ein solches Schreiben von der Oldenburg. Reg. begrüßt würde. Der RK übernimmt den Entwurf ohne Abänderungen. Nach Bekanntwerden des Schreibens wird die DVP durch MdR Gildemeister in der Rkei vorstellig (Vermerk vom 16. 3.); über die Reaktion der DNVP vermerkt Wever am 23. 3.: „Exz. Hergt bat um Auskunft, wie das Schreiben des Herrn RK an die Oldenburgische Regierung wegen Verschiebung der Wahlen zustandegekommen sei; ob etwa von der Oldenburgischen Regierung nach dieser Richtung ein Wunsch geäußert worden sei? Ich erwiderte ihm, daß ich das nicht wüßte und die Sache vortragen würde, persönlich aber glaubte, daß es der Politik des Herrn RK auf Einhaltung einer ungestörten Abwehrfront entspräche, alle Dinge zu vermeiden, die nach dieser Richtung störend wirken.“ (R 43 I /2278 , Bl. 18; 20; 23).

[Betrifft: Landtagswahlen in Oldenburg]

Die dreijährige Wahlperiode für den Oldenburgischen Landtag läuft demnächst ab, so daß Neuwahlen bis spätestens 6. Juni 1923 vorgenommen werden[287] müssen. Dabei ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Wahlen innerpolitische, auch über die Grenzen Oldenburgs hinauswirkende Auseinandersetzungen und Kämpfe hervorrufen können, welche im Interesse der Geschlossenheit des Abwehrkampfes gegen den Einbruch Frankreichs in das Ruhrgebiet vermieden werden sollten. Diese Bedenken werden verschärft mit Rücksicht darauf, daß ein Landesteil Oldenburgs2 unmittelbar von der Besetzung betroffen ist.

2

Birkenfeld.

Ich gestatte mir daher die Anregung, ob es sich nicht ermöglichen ließe, die Landtagswahlen aufzuschieben. Anhalt, das in gleicher Lage wie Oldenburg war, hat in diesen Tagen im Einvernehmen mit allen Parteien die Landtagswahlen durch Verlängerung der Legislaturperiode von 3 auf 4 Jahre aufgeschoben.

Ich darf Sie, Herr Ministerpräsident, ergebenst bitten, meine Anregung in Erwägung zu ziehen und mich von der Entscheidung der Oldenburgischen Staatsregierung und des Landtags gefälligst zu verständigen3.

3

MinPräs. Tantzen antwortet am 14. 3., daß die Oldenburg. Reg. einstimmig für Verschiebung der Wahlen eintrete, ebenso die SPD, DDP und das Zentrum; dagegen lehnten DVP und DNVP eine Verschiebung ab. „Das StMin. glaubt, daß die Volkspartei einer unmittelbaren Einwirkung durch den Herrn RK über die Parteileitung in Berlin sich nicht verschließen würde und bittet zu prüfen, ob diese Einwirkung genommen werden kann.“ (R 43 I /2278 , Bl. 21) Besprechungen des RK mit den DVP-Politikern Lohse und Gildemeister ändern jedoch nichts an den unterschiedlichen Standpunkten (R 43 I /2278 , Bl. 22). Die Verschiebung der Wahlen scheitert im Oldenburg. LT am Widerstand von DVP und DNVP, worauf die Regierung Tantzen zurücktritt. Der Landesteil Birkenfeld soll von der Wahl ausgenommen werden. Dagegen macht RIM Oeser mit Schreiben vom 6. 4. geltend: „Der Verzicht einer Landesregierung, in einem zum besetzten Gebiete gehörigen Landesteil politische Wahlen vorzunehmen, könnte von den Besatzungsmächten als Anerkennung aufgefaßt werden, daß Deutschland über das besetzte Gebiet nicht mehr die volle staatliche Souveränität auszuüben in der Lage oder gewillt ist.“ (R 43 I /2278 , Bl. 25). Der Oldenburg. LT besteht jedoch auf dem Ausschluß Birkenfelds von der Wahl. Am 23. 4. berichtet das Oldenburg. StMin. darüber an den RIM u. a.: „Insbesondere haben die Birkenfelder Abg., die 4 verschiedenen Parteien angehören (DDP, DVP, SPD, Zentrum), sich einmütig, mit voller Entschiedenheit und unter Anwendung der stärksten Ausdrücke dahin ausgesprochen, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Vornahme von Wahlen im Landesteil Birkenfeld ganz ausgeschlossen und nicht zu verantworten sei. Das StMin. ist ebenfalls einstimmig derselben Meinung.“ (R 43 I /2278 , Bl. 33). Am 10. 6. finden die Wahlen unter Ausschluß Birkenfelds statt und bringen Gewinne für die DDP, die KPD und DNVP, Verluste für die DVP. Weiteres Material über die Verhältnisse in Oldenburg in R 43 I /2278 .

C[uno]

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