2.205.1 (feh1p): Anlage 1

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Anlage 1

Aufzeichnung über eine Besprechung mit Lord D’Abernon am 4. März 1921

im Savoy Hotel

Im Auftrage des Herrn Reichsministers Simons begab ich mich nach telefonischer Abrede gegen 10½ Uhr zu Lord D’Abernon. Ich sagte ihm, aus der gestrigen Rede von Herrn Lloyd George12 hätte die Deutsche Delegation den Eindruck gewonnen, daß die Tragweite unseres Angebots mißverstanden sei. Ich hätte den Wunsch, ihm unser Angebot näher zu erläutern. Wir könnten dem Grundsatz des Pariser Vorschlags zustimmen, daß für die Gesamtentschädigung feste Jahresleistungen und ein beweglicher Faktor je nach der wirtschaftlichen Besserung Deutschlands in Aussicht zu nehmen sei. Wir hätten davon abgesehen, den beweglichen Faktor jetzt noch besonders vorzuschlagen, weil nach unserer Meinung unser Gesamtangebot bereits mit einer erheblichen Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands rechne13. Nur unter[568] dieser Annahme hätten wir so weit gehen können. Wolle man aber einen beweglichen Faktor noch ausdrücklich einfügen, der uns nicht über unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus belastet, so ließe sich darüber reden. Unser Vorschlag für die ersten fünf Jahre14 stimme mit dem Vorschlag der Sachverständigen von Brüssel und auch mit dem Pariser Vorschlag im Ergebnis ziemlich überein. Der Wert der fünf Annuitäten von je einer Milliarde Mark Gold und einer alsbald zahlbaren Kapitalsumme von acht Milliarden Mark, die im Wege der Anleihe aufgebracht werden solle, seien fünf Annuitäten von je drei Milliarden Mark Gold, wie von den Brüsseler Sachverständigen vorgeschlagen sei15, mathematisch gleichwertig. Dem Pariser Vorschlag gegenüber, der feste Annuitäten von 13 Milliarden in den ersten fünf Jahren und dazu den 12%igen Zuschlag vom Ausfuhrwert vorsieht, bedeute unser Vorschlag in den festen Leistungen etwas mehr und gebe als Ersatz für den Zuschlag der 12% noch 2 Milliarden Mark. Ich wies dann noch besonders darauf hin, daß bei dem Vorschlage der Alliierten die Höhe des Schadens in den Vordergrund gerückt sei. Wir müßten unsererseits, da wir den gesamten Schaden, wie ja auch anerkannt sei, nie erstatten könnten, unsere Leistungsfähigkeit in den Vordergrund rücken. Es wurde dann der Inhalt des Artikel 234 des Friedensvertrages und der §§ 9 und 12 b des Annexes II zu Teil VIII noch näher besprochen16.

12

Zu der Rede Lloyd Georges vom 3. 3. s. o. Anm. 2.

13

Ein besonderer Besserungsschein war ursprünglich in den dt. Gegenvorschlägen zur Londoner Konferenz enthalten gewesen. Siehe dazu Dok. Nr. 181, bes. Anm. 9. Auf Anraten des dt. Botschafters in London, Sthamer, war dann jedoch der Besserungsschein aus verhandlungstaktischen Gründen aus dem dt. Gegenangebot herausgenommen worden. Siehe dazu Dok. Nr. 192, bes. Anm. 4.

14

Gemeint waren die dt. Gegenvorschläge, die RAM Simons der Konferenz am 1. 3. hatte übermitteln lassen. Sie sahen 5 Annuitäten von je 1 Mrd. GM und eine alsbald zahlbare Kapitalsumme von 8 Mrd. GM vor, die auf dem Wege einer internationalen Anleihe aufgebracht werden sollte. Zu den Einzelheiten s. RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366, S. 149 –151.

15

Dies war der Vorschlag Seydoux; s. o. Anm. 6.

16

Der Art. 234 VV und die §§ 9 und 12b der Anlage II zu Teil VIII VV befaßten sich mit der Befugnis der Repko, Dtlds. Leistungs- und Zahlungsfähigkeit in Hinsicht auf die Reparationen von Zeit zu Zeit prüfen zu können.

Bei der Besprechung ergab sich, daß für eine Regelung der Totalentschädigung die beiderseitigen Auffassungen über die Ziffern doch wohl so weit auseinander sein würden, daß eine Verständigung darüber zur Zeit kaum möglich erscheine. Es wurde daher die Frage geprüft, auf welcher Basis jetzt etwa ein Provisorium geregelt werden könne. Es wurde dabei in Aussicht genommen, etwa zu sagen, daß es für die Feststellung des Gesamtschadens bei der Regelung des Friedensvertrages verbleibe, daß aber Deutschland bereit sei, für die ersten fünf Jahre auf der Basis der Pariser Vorschläge zu zahlen und daß es zur Auffüllung der Annuitäten eine steuerfreie Anleihe aufnehmen müsse, wenn sein Budget nicht ausreiche. Gegen die Gewährung der Steuerfreiheit in England beständen, wie Lord D’Abernon betonte, sehr starke Bedenken17. Es könne England aber durchaus recht sein, wenn die Anleihe in Deutschland und in anderen Staaten, welche die Steuerfreiheit bewilligen wollten, aufgelegt würde. Es wurde hierbei von mir das Mißverständnis beseitigt,[569] als wenn wir mit dem Verlangen der Steuerfreiheit aus den Taschen der Alliierten zahlen wollten.

17

Nach den dt. Gegenvorschlägen war vorgesehen, die aufzulegende internationale Anleihe in Höhe von 8 Mrd. GM von Steuern jeder Art zu befreien. Siehe dazu RT-Drucks. Nr. 1640, Bd. 366, S. 149 .

Lord D’Abernon meinte, daß er zwar unsicher sei, welchen Eindruck diese Vorschläge nach dem bisherigen Verlauf der Konferenz bei den Alliierten machen würden, er glaube aber, daß sie jedenfalls in der englischen Öffentlichkeit eine ganz andere Atmosphäre schaffen würden als bisher. Er fragte mich, wie wir zu einer Übernahme der Schulden alliierter Länder gegenüber Amerika stehen würden. Ich erwiderte ihm, daß wir hierzu gern bereit sein könnten, daß wir aber geglaubt hätten, diese Frage unsererseits nicht anschneiden zu sollen. Er trat mir darin bei, daß dieser Standpunkt richtig sei.

Ich übermittelte ihm den Auftrag, daß der Reichsminister Simons ihn gern bei sich sehen würde. Er erwiderte, er wolle zunächst den Inhalt unserer Besprechung Herrn Lloyd George mitteilen und dann weiteren Bescheid geben.

Die Besprechung wurde beiderseits ausdrücklich als privat und vertraulich bezeichnet und endete gegen 12 Uhr18.

18

Teile eines Berichts über diese Unterredung von der Seite Lord D’Abernons finden sich in DBFP, 1st Series, Vol. XV, p. 286–288.

gez. Schroeder

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