2.170.8 (lut1p): d) Sicherheitspolizei.

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d) Sicherheitspolizei.

Geheimrat Nord teilte mit, daß in der Frage der Sicherheitspolizei neue Schwierigkeiten eingetreten seien, da die Gegenseite das Kontingent für die kasernierte Polizei nur in einer Höhe von 25 000 Mann zugestehen wolle23. Es[665] sei also damit zu rechnen, daß auch dieser Punkt in Locarno zur Sprache gebracht werden müsse, falls es nicht gelänge, in kürzester Zeit eine zufriedenstellende Regelung zu finden.

23

Vgl. Anm. 6 zu Dok. Nr. 152. – In einer nicht datierten, wahrscheinlich Anfang Oktober 1925 von Nord verfaßten Aufzeichnung (R 43 I /442 , Bl. 225 f., s. dort unter: „Letztes Material des Generals v. Pawelsz für die Konferenz“) heißt es zum Stand der Polizeifrage: Die Länderregierungen seien nach langwierigen Verhandlungen übereingekommen, den Forderungen der IMKK in fast allen Punkten nachzukommen. Nur die Frage der Kasernierung sei noch ungeklärt. „Während die IMKK jetzt als Höchstzahl 22–25 000 Köpfe an kasernierter Polizei zulassen will, haben die Länderregierungen ihren Bedarf […] unter Einschätzung aller einschlägigen Verhältnisse (Schutz der Industrie, der Häfen, der Bergwerke und des offenen Landes usw.) auf mindestens 35 000 Mann beziffert. Die Länderregierungen stellen sich dabei mit Recht auf den Standpunkt, daß die ihnen jetzt auferlegte völlige Umorganisierung ihrer Polizei nur unter der Voraussetzung überhaupt möglich sein wird, daß die Aktions- und Verwendungsfähigkeit der Polizei nicht völlig lahmgelegt wird. Dies würde aber ihrer Ansicht nach geschehen, wenn nicht ein Mindestsatz von 35 000 Mann kasernierter Polizei zugestanden worden wäre.“ Die geforderte Herabsetzung sei umso unverständlicher, als die IMKK für Preußen eine kasernierte Polizeistärke von 19 840 als angemessen bezeichnet habe. Für alle übrigen Länder, einschließlich Bayerns und Hamburgs, wolle sie, nachdem sie anfänglich schon mit einer weit höheren Ziffer gerechnet hätte, jetzt nur noch 6000 Mann im ganzen zugestehen.

Der Reichskanzler erklärte abschließend, daß Beschlüsse zur Zeit natürlich nicht gefaßt werden könnten. Er dankte für die Informationen und bat, von den Verhandlungen in Locarno keinen übermäßig günstigen Ausgang zu erwarten. Wenn er auch an ein Nichtscheitern der Konferenz glaube, so sei er nach wie vor nicht optimistisch.

Der Reichsminister des Innern bat, die aufgestellten Richtlinien dem Kabinett mitzuteilen und die Zustimmung des Kabinetts herbeizuführen.

Staatssekretär Dr. Kempner verlas die Richtlinien24.

24

Die endgültigen „Richtlinien für die Ministerzusammenkunft in Locarno“ sind der Vorlage abschriftlich beigefügt. Ihr Wortlaut:

„I. Allgemeine Richtlinie: Grundlage unseres Vorgehens bleibt die deutsche Note vom 20. Juli 1925.

II. Inhalt des Sicherheitspaktes und seiner Nebenverträge.

1. In der Präambel des Londoner Entwurfs und seinen Bestimmungen über die Geltungsdauer ist auf eine Fassung hinzuwirken, die den Gedanken eines deutschen Verzichts auf deutsches Land und Volk ausschließt.

2. Die Schiedsverträge mit den östlichen Staaten sind so zu fassen, daß Grenzfragen unter keinen Umständen unter das bindende Schiedsgerichtsverfahren fallen.

3. Eine französische Garantie für die östlichen Schiedsverträge ist abzulehnen.

III. Völkerbund: Aufrechterhaltung des Völkerbundsmemorandums vom September 1924, insbesondere Beseitigung der deutschen Bedenken gegen den Artikel 16. Dazu kommt, daß vor dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund eine ernste Inangriffnahme des Problems der allgemeinen Weltabrüstung sichergestellt sein muß.

IV. Allgemeine politische Fragen.

1. Die Räumung der Kölner Zone und die endgültige Bereinigung der alliierten Entwaffnungsforderungen (einschließlich des Investigationsrechts und der Luftfahrtnote) muß vor der Schlußkonferenz sichergestellt sein, damit sie auf der Schlußkonferenz nicht noch zum Verhandlungsobjekt werden können.

2. Vor dem endgültigen Abschluß des Sicherheitspaktes muß die Revision des Okkupationsregimes im Rheinland und Saargebiet sichergestellt sein.

3. Es muß auf eine wesentliche Verkürzung der Besatzungsfristen für die zweite und dritte Zone sowie auf eine wesentliche Verkürzung der Abstimmungsfrist für das Saargebiet hingewirkt werden.“ (R 43 I /1405 , S. 185-187; abgedr. in: Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 24).

Das Kabinett stimmte zu.

Der Reichsminister des Innern ersuchte um Feststellung, daß sich die Richtlinien unter II,1 auf die §§ 8 und 11 des Entwurfs eines Sicherheitspakts25 bezögen.

25

Gemeint ist der auf der Londoner Juristenkonferenz von Anfang September 1925 (s. dazu Anm. 1 zu Dok. Nr. 157) erörterte Entwurf eines Sicherheitspaktes vom 4. 9. Zur Geltungsdauer heißt es dort in Art. 8: Der beim Völkerbundsrat zu hinterlegende Vertrag solle in Kraft bleiben, bis der Rat auf Verlangen von mindestens zwei Vertragspartnern anerkannt habe, „daß der Völkerbund den Hohen Vertragsschließenden Teilen ausreichende Garantien bietet.“ Und in Art. 11: „Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden, aber erst in Kraft treten, wenn Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden ist.“ (Der Entw. ist gedr. in: Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 20).

[666] Dies wurde festgestellt.

Der Reichsminister des Innern ersuchte darauf den Reichskanzler, Bindungen, die über die Richtlinien hinausgingen, in Locarno nicht einzugehen. Er dürfe doch wohl annehmen, daß, wenn sich die Notwendigkeit weiterer Entschließungen herausstelle, zuvor das Kabinett in Berlin gehört werde.

Der Reichskanzler erwiderte, daß die Delegierten sich als Beauftragte der Reichsregierung ansähen. Sie würden sich als solche im Rahmen der Richtlinien halten, seien im übrigen aber jetzt nicht in der Lage zu sagen, welche Entscheidungen sie im einzelnen treffen würden. Im Einzelfalle würden sie, ohne den Rahmen der Richtlinien verlassen zu wollen, doch darauf angewiesen sein, lediglich sich selbst und ihrem eigenen Gewissen verantwortlich zu sein.

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