2.99.1 (lut1p): Parlamentarische Geschäftslage und Steuerangelegenheiten.

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Parlamentarische Geschäftslage und Steuerangelegenheiten.

Der Reichsminister der Finanzen begründete in eingehenden Ausführungen die Notwendigkeit, die dem Reichstag vorliegenden Gesetzentwürfe über die Aufwertung, den Finanzausgleich, die verschiedenen Steuern sowie die Zollvorlage und die Etatsgesetze noch vor dem Beginn der großen Sommerpause der Reichstagsberatungen zu erledigen.

[320] Staatssekretär Dr. Popitz ergänzte diese Ausführungen insbesondere hinsichtlich der Steuergesetze. Er erklärte es für notwendig, den Reichstag bis zum Ende des Juli zusammenzuhalten.

In eingehender Aussprache ergab sich Einstimmigkeit darüber, daß es notwendig sei, den Regierungsparteien die Geschäftslage eingehend darzulegen und sie zu veranlassen, bis zur Verabschiedung sämtlicher Gesetze zusammenzubleiben. Von einer längeren Unterbrechung der Beratungen durch Vertagung des Plenums soll abgesehen, dagegen soll der Versuch gemacht werden zu erreichen, daß Ausschüsse gleichzeitig nebeneinander tagen und daß die Beratungen um 10 Uhr beginnen und bis 2 Uhr täglich fortgesetzt werden, während das Plenum in der Regel erst nachmittags um 3 oder 4 Uhr beginnen solle. Den Regierungsparteien soll ferner mitgeteilt werden, daß die Reichsregierung es nicht ertragen könne, daß hinsichtlich der Umsatzsteuer bindende Beschlüsse gefaßt würden, ehe feststehe, wie die Einnahme- und Ausgabeseite des Etats sich gestalten werde. Diese Besprechung soll am 9. Juni vormittags 11 Uhr im Reichstagsgebäude stattfinden. Die Reichskanzlei wurde mit der Einladung beauftragt1.

1

Über diese Besprechung in den Akten nichts ermittelt. Eine weitere diesbez. Beratung, an der unter Vorsitz Luthers die RM v. Schlieben und Schiele sowie Vertreter sämtlicher Koalitionsparteien teilnehmen, findet am 8. 7. statt. Es wird ein parlamentarischer Arbeitsplan vereinbart, der die Verabschiedung der Aufwertungsgesetze durch den RT und die Erledigung der Zoll- und Steuervorlagen durch die RT-Ausschüsse bis 18. 7. vorsieht (Beschlußprotokoll vom 9. 7. in R 43 I /2397 , Bl. 52 f.). Eine entsprechende Mitteilung übersendet der RK am 9. 7. an den RT-Präs. (Vermerk Luthers in R 43 I /2397 , Bl. 51).

Der Reichswehrminister wies auf die Notwendigkeit hin, die Vorbereitungen zur Beantwortung der Entwaffnungsnote2 auf das äußerste zu beschleunigen. Er schlug vor, der Interalliierten Militär- und Kontrollkommission mitzuteilen, daß für den Geschäftsverkehr über die Beantwortung der Note in der Person des Generals von Pawelsz ein allgemein Bevollmächtigter bestellt sei3, und die Interallierte Militär- und Kontrollkommission aufzufordern, diesem möglichst umgehend das Material zu übermitteln, das der Note zu Grunde gelegen habe4.

2

S. Dok. Nr. 96, dort bes. Anm. 1.

3

Zur Bestellung des Generals v. Pawelsz zum Leiter der Verhandlungen mit der IMKK s. Dok. Nr. 112, dort auch Anm. 4.

4

Gemeint ist wohl der am 15.2.25 Marschall Foch vorgelegte „Zusammenfassende Schlußbericht der IMKK über die Generalinspektion“, den das AA in einem Weißbuch zur Entwaffnungsfrage in der zweiten Jahreshälfte 1925 veröffentlicht (s. Materialien zur Entwaffnungsnote, S. 127 ff.). Wann dieser Bericht, dessen Inhalt dem RWeMin. schon Anfang März 1925 auf inoffiziellem Wege bekanntgeworden war (s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 39), der RReg. offiziell zugeleitet wird, konnte in den Akten nicht ermittelt werden. Lt. WTB übergibt die Frz. Reg. am 8. 6. einen Auszug an die Presse und erklärt dazu, der offizielle IMKK-Bericht sei in seinem vollen Wortlaut nicht zur Veröffentlichung geeignet, da er zu viele technische Einzelheiten enthalte (nach „Tägliche Rundschau“ vom 9. 6.).

Der Reichswehrminister wies ferner darauf hin, daß der Punkt 10 der Note5[321] die Gefahr einer neuen Spionagewelle in sich schließe und bat dringend, alsbald Vorsorge dagegen zu treffen.

5

Punkt 10 der Entwaffnungsnote: „Sie [die All. Regg.] zweifeln in der Tat nicht, daß während des zur Durchführung der in Rede stehenden Maßnahmen [insbes. militärische und industrielle Abrüstung; Fortbestehen der IMKK-Kontrollen] erforderlichen Zeitraums kein neuer ernster Verstoß Deutschlands gegen irgendeine vertragliche Verpflichtung der Auswirkung des Artikel 429 [VV] ein Hindernis entgegenstellen wird.“

Der Reichsminister des Auswärtigen hielt für ausgeschlossen, die Einzelheiten mit der Interalliierten Militär- und Kontrollkommission zu behandeln, da dabei eine rasche Erledigung ausgeschlossen sei. Er regte vielmehr an, die Verhandlungen lediglich mit den interalliierten Regierungen zu führen. Er bat aber, die näheren Erörterungen dieser Frage erneut auf die Tagesordnung einer Besprechung zu setzen, da er heute nicht genügend vorbereitet sei.

Es wurde beschlossen, die technische Weiterbehandlung der Entwaffnungsnote alsbald auf die Tagesordnung einer Kabinettssitzung zu setzen, in der auch die Frage der Spionageabwehr und der Behandlung der Presse erörtert werden sollen6. Die Vorbereitungen für die Beantwortung der Note innerhalb der Ressorts sollen auf das äußerste beschleunigt werden.

6

S. Dok. Nr. 101.

Der Reichskanzler teilte mit, daß er vom Abgeordneten Hergt als Vorsitzendem des Auswärtigen Ausschusses erfahren habe, einzelne Ausschußmitglieder würden in der für den 10. Juni in Aussicht genommenen Sitzung die Darlegung der Einzelheiten des Standpunkts der Reichsregierung zu jedem Punkte der Entwaffnungsnote wünschen.

Es wurde beschlossen, daß die Regierungsparteien dahin beeinflußt werden sollen, derartige Wünsche nicht zu stellen. Sollten solche geäußert werden, so soll darauf hingewiesen werden, daß vor Abschluß der Erörterungen innerhalb der Ressorts, die beschleunigt werden würden, die Einzelheiten nicht mitgeteilt werden könnten.

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