2.146 (ma11p): Nr. 146 Peter Klöckner an den Reichsminister des Auswärtigen. Haus Hartenfels bei Duisburg, 15. März 1924

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[466] Nr. 146
Peter Klöckner an den Reichsminister des Auswärtigen. Haus Hartenfels bei Duisburg, 15. März 1924

R 43 I /454 , Bl. 69-73 Durchschrift1

1

Eine Durchschrift dieses Schreibens sendet Klöckner am 17. 3. dem RK zur Kenntnis.

[Kohlenlieferungen an Frankreich und Belgien; Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen der deutschen und französischen Schwerindustrie]

Sehr geehrter Herr Minister!

Herr Präsident Frantzen von der Micum hatte mich vor einigen Tagen um eine private Besprechung gebeten. Dieselbe fand heute vormittag in Düsseldorf statt. An derselben nahm außerdem der belgische Delegierte, Herr Hannecart, teil.

Herr Frantzen eröffnete die Besprechung, indem er mich bat, ihn und seinen Kollegen als Privatperson zu betrachten und mit ihm offen und ehrlich, ohne jede Verbindlichkeit, als Privatmann zu sprechen.

Er und sein Kollege interessierten sich dafür, wie man sich in unseren Kreisen die Deckung des französischen und belgischen Kohlen- und Koksbedarfs denke, nachdem die Aufgaben der Micum erledigt wären, die ja immer als Provisorium aufgefaßt worden seien.

Ich erwiderte hierauf, daß auch wir im Privatwirtschaftsleben diese Frage öfters überlegt und besprochen hätten und daß wir uns den Verlauf etwa wie folgt denken würden:

Man könne annehmen, daß nach Bekanntgabe des Resultats der jetzt tagenden internationalen Kommission2 die deutsche Regierung gezwungen werden würde, noch eine Zeitlang die Reparationskohlenlieferungen zu leisten. In diesem Falle würde der Bergbau die Lieferungen für Rechnung der Regierung wie vor dem Ruhreinbruch leisten. Ich könne mir aber auch denken, daß von Frankreich und Belgien versucht werden würde, den Bedarf der französischen und belgischen Werke auf längere Jahre sicherzustellen, weil auf die Dauer Lothringen und Frankreich ohne den Koks des Ruhrbergbaues nicht existieren könnten, und für diesen Fall würde meines Erachtens der Bergbau bereit sein, durch freiwillige Privatverträge den gesamten Bedarf an Koks und Kohlen für lange Jahre zur Deckung zu übernehmen. Über die Dauer der Verträge könne man verhandeln, ich könne mir 5, 10, 15 oder sogar 20 Jahre denken. Dieselbe Frage sei auch gestern von der Generaldirektion der Werke in Kneuttingen3, mit welcher ich in Koblenz verhandelt hätte, an mich gestellt worden, und dieser gegenüber hätte ich mich als Vorsitzender der Klöckner-Werke bereit erklärt, zu jeder Zeit wegen eines derartigen Koks- und Kohlenlieferungsvertrages privatim zu verhandeln, sobald die Reparationsfrage gelöst[467] und die deutsche Regierung ihr Einverständnis zu derartigen Verträgen erteilen würde.

2

Gemeint sind die in Paris tagenden Sachverständigenkomitees.

3

Kneuttingen (frz. Knutange): lothringische Ortschaft mit Werken der Eisenindustrie.

Die Herren frugen mich alsdann, wie ich mir die zu gebende Sicherheit für derartige Verträge denken würde. Ich antwortete, daß man nicht gewohnt sei, bei Privatverträgen eine Sicherheit zu geben, weil die Unterschrift verpflichten und auch von der Privatwirtschaft geachtet werden würde. Ich hätte mir den Fall aber auch nach dieser Richtung schon überdacht, und ich glaubte, daß, falls derartige Verträge für den gesamten Bedarf in Frankreich und Belgien gemacht würden, der deutsche Bergbau sich entschließen müsse, noch mindestens 1000 Koksöfen zu bauen, um hierdurch dauernd in die Lage zu kommen, nicht nur den Bedarf von Frankreich und Belgien, sondern auch von ganz Deutschland zu liefern. Den Herren von Kneuttingen hätte ich gesagt, daß bei solch langen Verträgen, wenn auch die Bedingungen noch so scharf überlegt und abgemacht worden seien, im Laufe der Jahre immer Differenzen kommen würden. Und aus diesem Grunde würde es sich vielleicht empfehlen, derartige Verträge zwischen Privaten in der Weise zu ergänzen, daß die Franzosen eine Beteiligung von vielleicht 25% bei den deutschen Werken und umgekehrt die deutschen denselben Prozentsatz Beteiligung bei den französischen Werken nehmen würden. Die Kneuttinger Herren hätten mir hierauf geantwortet, daß ihnen als Wirtschaftler eine derartige Beteiligung wohl gangbar erschiene, daß sie aber doch die Ansicht zum Ausdruck bringen müßten, daß das französische Volk heute noch nicht reif wäre, um eine Beteiligung der Deutschen an französischen Werken zu ermöglichen. Ich hätte daraufhin den Kneuttinger Herren geantwortet, daß wir dann mit den Beteiligungen überhaupt noch warten und uns zunächst darauf beschränken müßten, daß wir die Kokslieferung übernehmen und daß die Franzosen dagegen Halbzeug, Fertigfabrikate und Minette liefern sollten. Ich würde mich jetzt damit beschäftigen, eine Basis für ein derartiges Abkommen zu finden, und ich hätte mit den Kneuttinger Herren abgemacht, daß wir uns, sobald das Resultat der Pariser Verhandlungen wegen endgültiger Lösung der Reparationsfrage sich übersehen lasse, wiedersehen wollten, um Endgültiges zu vereinbaren.

Herr Frantzen bestätigte mir hierauf, daß in Frankreich eine Beteiligung der deutschen Werke an den französischen Werken noch nicht genehm wäre. Er habe sich aber gedacht, daß zur Sicherung der Kokslieferung die französischen Werke einseitig an den deutschen Werken beteiligt werden müßten. Ich dürfe nicht vergessen, daß Deutschland eine große Schuld an Frankreich zu bezahlen habe und daß Deutschland das Geld fehle. Deutschland besitze aber große Zechen und Werke und Fabriken. Diese, oder Teile derselben, könnten von der deutschen Regierung erworben und alsdann nach Frankreich als Bezahlung gegeben werden. Er gebrauchte das Beispiel, daß die deutsche Regierung von einer Zeche mit 1000 Kuxe 250 oder 300 erwerben und diese Kuxe nach Frankreich weitergeben könne.

Ich entgegnete, daß ich diesen Fall für ganz ungangbar ansehen müsse. Deutschland habe alles hergegeben, was es besessen habe. Frankreich habe auch in Elsaß-Lothringen das Privateigentum beschlagnahmt, wir hätten also unsere dortigen Werke verloren, während Deutschland im Jahre 1870 das Privateigentum[468] in Lothringen geschont und beispielsweise den de Wendels die Eisenwerke gelassen habe. Die deutsche Wirtschaft könne ganz unmöglich jetzt zugeben, daß Wirtschaftsteile an der Ruhr beschlagnahmt und nach Frankreich gegeben würden. Wenn Deutschland weiter bezahlen solle, dann müsse man ihm die Vermögensobjekte lassen und die Deutschen müßten versuchen, mit denselben so viel wie möglich zu verdienen und Steuern zu bezahlen, um dadurch der Regierung zu ermöglichen, Reparationen zu leisten. Abschlachten der deutschen Industrie und gleichzeitig ungeheure Zahlungen wäre ganz undenkbar. Nach meiner persönlichen Ansicht würde keine Regierung es wagen dürfen, an das deutsche Volk mit einem derartigen Ansinnen heranzutreten, und ich wäre auch bestimmt überzeugt, daß sich kein Reichstag zur Sanktionierung derartiger Abkommen finden würde.

Herr Frantzen erwiderte mir darauf, daß nach seiner Kenntnis dieser Gedanke aber doch schon bei der Regierung erwogen und von dieser nicht als ungangbar bezeichnet worden sei.

Demgegenüber blieb ich dabei, daß die deutsche Wirtschaft mit allen Mitteln einen derartigen Plan bekämpfen und freiwillig unter keinen Umständen auch nur einen Teil eines Unternehmens zu derartigen Zwecken abgeben würde.

Ich bat sodann die Herren, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen, weil dasselbe politisch sei und ich deshalb auch als Privatmann mich nicht weiter äußern könne.

Herr Frantzen sagte mir dann noch, mit der Bitte, ihm dieses nicht zu verübeln, ich dürfte nicht vergessen, daß die Franzosen immer noch Sieger seien und daß wir deshalb auch Bedingungen akzeptieren müßten, die uns nicht genehm wären.

Ich wies aber auch diese Bemerkung scharf zurück und bemerkte, daß auch der Sieger schließlich nicht alles, was er haben wolle, durchsetzen könne.

Aus der ganzen Unterredung empfand ich eine gewisse Nervosität, sowohl auf seiten des Herrn Frantzen, als auch bei Herrn Hannecart. Es machte auf mich den Eindruck, als wenn beide Herren jetzt vor Toresschluß die Deutschen noch zu Zugeständnissen veranlassen möchten, die in dem Programm der internationalen Kommission nicht vorgesehen sind.

Über das, was am 15. April eintreten wird bei Ablauf der Micumverträge, sagte Herr Frantzen nichts. Ich habe diese Sache aber während der Unterhaltung einmal gestreift, indem ich sagte, daß der deutsche Bergbau und die gemischten Werke bis zum äußersten mit Schulden überladen wären und daß wir nach dem 15. April auch nicht einen Tag mehr in der Lage wären, aus uns Kohlen und Koks umsonst zu liefern und die hohen Steuern zu bezahlen. Wir müßten uns aus diesem Grunde auch das Geld in England leihen, welches zur Errichtung von 1000 Koksöfen notwendig wäre. Herr Frantzen ist auf diese Bemerkung nicht weiter eingegangen. Er winkte mit der Hand und sagte, die Verhältnisse wären ihm bekannt.

Ich gebe Ihnen, sehr verehrter Herr Reichsminister, von dieser Unterredung Kenntnis, trotzdem wir gegenseitig in Düsseldorf abgesprochen haben, über die Unterhaltung nicht zu reden.

[469] Ich werde auch der Sechser-Kommission nächsten Montag [17. 3.] streng vertraulich Mitteilung machen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

gez. Peter Klöckner

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