1.106 (ma12p): Nr. 318 Richtlinien der Reichsregierung für Verhandlungen mit den Parteien über die Regierungsumbildung. [7. Oktober 1924]

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Nr. 318
Richtlinien der Reichsregierung für Verhandlungen mit den Parteien über die Regierungsumbildung. [7. Oktober 1924]1

1

Die Richtlinien, die kein Datum und keine Überschrift tragen, werden an den Fraktionsvorsitzenden der DNVP, Hergt, sowie an den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Müller-Franken, mit folgendem Begleitschreiben des StSRkei (i. V. Kempner) vom 7. 10. übersandt: „Im Auftrage des Herrn RK beehre ich mich, die von der RReg. aufgestellten Richtlinien über die zu führende Politik zu übersenden. Der Herr RK läßt bitten, ihm bis spätestens Mittwoch, d. 8. Oktober abends 8 Uhr eine Antwort darüber zugehen zu lassen, ob die Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei [bzw. der Sozialdemokratischen Partei] bereit ist, ein Kabinett nach Maßgabe der mit ihm geführten Unterredung zu bilden.“ Ebenfalls am 7. 10. werden die Richtlinien auch an die Abg. Scholz (DVP) und v. Guérard (Zentrum) mit kurzem Begleitschreiben übersandt.

In R 43 I /1306 , Bl. 96f, 105f befindet sich auch der ursprüngliche Entwurf der Richtlinien in zwei Exemplaren, die von StS Bracht bzw. MinDir. Kempner im Sinne der endgültigen Fassung korrigiert sind. Offenbar sind die Änderungen bei der Besprechung des Entwurfs durch die Minister am 6. 10. vorgenommen worden. Die Abweichungen des Entwurfs von der oben abgedruckten endgültigen Fassung werden im folgenden angemerkt (Anm. 3, 5, 6 und 7).

R 43 I /1306 , Bl. 98f Durchschrift

1. Die Verfassung vom 11. August 1919 wird als rechtsverbindliche Grundlage des staatlichen Lebens anerkannt. Jeder Versuch, ihre Abänderung auf ungesetzliche, insbesondere gewaltsame Weise herbeizuführen, wird demgemäß als Hochverrat zu verfolgen und zu bestrafen sein.

2. Die Richtung der Außenpolitik wird in erster Linie durch die Londoner Abmachungen2 bestimmt. Die auf Grund derselben erlassenen Reichsgesetze sind loyal auszuführen3, ebenso wie wir die loyale Durchführung des Abkommens von unseren Vertragsgegnern erwarten. Die Regierung wird es sich angelegen sein lassen, die Auswirkung der übernommenen Verpflichtungen aufs sorgfältigste zu überwachen und die sich als notwendig erweisenden Abänderungen zu erreichen.

2

Londoner Abkommen zur Durchführung des Dawes-Plans.

3

Im Entwurf hieß es: „sollen loyal ausgeführt werden“.

Die Aufnahme in den Völkerbund soll entsprechend der im deutschen Memorandum4 niedergelegten Auffassung erstrebt werden.

4

S. Dok. Nr. 306, P. 3.

[1094] 3. Bei der Lastenverteilung in Ausführung der bezeichneten Gesetze sollen die Maßstäbe der Wirtschaftsförderung und der sozialen Gerechtigkeit angewendet werden. Die bestehenden Finanzgesetze sollen nach diesen Gesichtspunkten durchgearbeitet werden5.

5

Diese Fassung des Absatzes 3 geht auf einen Vorschlag RFM Luthers zurück. Im Entwurf lautete der Absatz: „Bei der Lastenverteilung in Ausführung der bezeichneten Gesetze sollen die Maßstäbe der Gerechtigkeit und Billigkeit angewendet werden; insbesondere soll Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit genommen und eine weitgehende Schonung der wirtschaftlich schwächeren Volkskreise erstrebt werden. Die bestehenden Steuergesetze sollen, soweit erforderlich, nach diesen Gesichtspunkten verbessert werden.“

4. Als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung wird es betrachtet, die sozialen Leistungen dem Bedürfnis entsprechend zu steigern, sobald die finanzielle Lage des Reichs es irgendwie zuläßt6.

6

Danach hieß es weiter im Entwurf: „Das Ergebnis der Besprechung der Arbeitsminister in Bern wird begrüßt und läßt die Hoffnung zu, daß auf der Grundlage einer wirklich gleichmäßigen Anwendung seitens der anderen Mächte die Durchführung des Washingtoner Abkommens auch für Deutschland möglich wird.“

Zur Besprechung der Arbeitsminister in Bern über die Ratifizierung des Washingtoner Arbeitszeitabkommens vgl. Dok. Nr. 321, Anm. 4.

5.7 Wirtschaftspolitisch wird möglichste Steigerung der Produktion und des Nutzungsgrades der Arbeit angestrebt werden, um die internationale Kredit- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern, wie sie insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Reparationsbelastung unerläßlich ist. Ausgehend vom Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit werden staatliche Eingriffe nur insoweit in Betracht kommen, als sie notwendig erscheinen, um eine wirtschaftsschädliche Unterdrückung der Wirtschaftsfreiheit von anderer Seite abzuwehren. Bei Lösung der bevorstehenden außenhandelspolitischen Aufgaben wird mit der Stärkung der inländischen Produktion gleichzeitig auf die möglichste Förderung der Ausfuhr auf dem Boden von Gegenseitigkeit und Meistbegünstigung und die tunlichste Schonung des Verbrauchs hingearbeitet werden.

7

Der folgende Absatz fehlte im Entwurf. Der Text dieses Absatzes wurde von RWiM Hamm am 6. 10. nach der Ministerbesprechung vom gleichen Tage (s. Dok. Nr. 317 am Schluß) zur Ergänzung der Richtlinien an den RK übersandt.

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