2.241.1 (ma31p): Endgültige Erledigung der Saar- und Saargängerfrage.

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Endgültige Erledigung der Saar- und Saargängerfrage.

Der Reichsarbeitsminister trug den Sachverhalt vor. Danach befinden sich die deutschen Bergleute des Saargebiets infolge Einlegung zahlreicher Feierschichten gegenwärtig in einer großen wirtschaftlichen Notlage. Der Reichsarbeitsminister war der Meinung, daß hier unbedingt aus Reichsmitteln geholfen[764] werden müsse. Denn nachdem die Reichsregierung vor einigen Monaten die deutsche Beamtenschaft des Saargebiets durch eine Notstandsbeihilfe betreut habe1, könne sie aus politischen Gründen die notleidende Bergarbeiterschaft unmöglich im Stich lassen. Er schlage vor, den Bergleuten, deren Zahl sich auf 75 000 belaufe, durch eine einmalige, durch die Gewerkschaften zu verteilende Beihilfe in einem mittleren Betrage von 50 bis 60 M für jeden Arbeiter zu helfen. Die Verteilung solle nach Maßgabe der sozialen Bedürftigkeit erfolgen. Der Gesamtbetrag der Beihilfe werde sich auf dieser Grundlage voraussichtlich auf 4 bis 4½ Millionen M belaufen. Für den Fall der Annahme seines Vorschlags sei es unbedenklich, die Saargängerunterstützung mit sofortiger Wirkung einzustellen. Ferner könnte die Fahrgeldbeihilfe an die Saargänger entsprechend dem Vorschlage des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete nach einer Übergangszeit von 2 Monaten – Juni und Juli – gleichfalls eingestellt werden2.

1

Siehe Dok. Nr. 226, Anm. 1.

2

Siehe Dok. Nr. 236.

In der nachfolgenden längeren Aussprache, an welcher sich insbesondere der Preußische Minister des Innern Grzesinski sowie die Reichsminister des Auswärtigen und der Finanzen beteiligten, wurde besonders erwogen, auf welche Weise man den mit Sicherheit zu erwartenden Berufungen von seiten anderer Arbeitnehmer des Saargebiets in einer für die Finanzen des Reichs am besten erträglichen Form begegnen könne.

Das Kabinett beschloß, daß zur Behebung von wirtschaftlichen Notständen in der deutschen Arbeitnehmerschaft des Saargebiets einmalig eine Gesamtsumme von 6 Millionen Reichsmark bereitgestellt werden solle. Die Verteilung soll im Einvernehmen mit dem Saarausschuß3 erfolgen mit der Maßgabe, daß von der genannten Gesamtsumme ein Betrag von höchstens 3,75 Millionen nach dem Antrage des Reichsarbeitsministers an die notleidenden Bergleute entsprechend ihrer sozialen Bedürftigkeit verteilt werden soll. Die Unterstützung der Saargänger soll mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Die Fahrgeldbeihilfe für die Saargänger soll in bisheriger Weise nur noch für die Monate Juni und Juli weitergezahlt werden4. Es bestand Einverständnis darüber, daß die im Fluß befindlichen Verhandlungen über ein Entgegenkommen des Reichs auf dem Gebiete der Sozialversicherung fortgesetzt werden sollen5. Wegen der zur[765] Bereitstellung des Unterstützungsbetrages von 6 Millionen erforderlichen haushaltsrechtlichen Verhandlungen wird der Reichsminister der Finanzen das Erforderliche in die Wege leiten6.

3

Zur Bildung des Saarausschusses siehe Dok. Nr. 226, Anm. 2.

4

Dieser Beschluß über die Einstellung der Saargängerunterstützung wurde von der RReg. in der Ministerbesprechung vom 5. 7. (P. 6) und in der Kabinettssitzung vom 15.7.27 (P. 5) erneut bestätigt. Doch stellte das RMinbesGeb. in den Monaten August bis Oktober in beschränktem Umfang Beihilfen für die Saargänger aus eigenen Haushaltsmitteln zur Verfügung (R 43 I /244 , Bl. 105–108). In der Kabinettssitzung vom 18. 10. beschloß die RReg. die Wiedereinführung der Fahrgeldentschädigung für die Saargänger; siehe Dok. Nr. 319, P. 4.

5

Verhandlungen zwischen Vertretern der Regierungskommission des Saargebiets und der RReg. vom 7. bis 20.7.27 in Berlin führten zur Paraphierung einer „Abrede“, die eine Angleichung von Sozialversicherungsleistungen des Saargebiets an diejenigen des Reichs vorsah und die die Zusammenarbeit zwischen den beiderseitigen Versicherungsträgern regelte (RArbM an StSRkei, 12.7.27, R 43 I /244 , Bl. 56–85). Am 13. 10. wurde die Abrede in Heidelberg unterzeichnet. Siehe die „Verordnung über die Abrede zwischen der Deutschen Regierung und der Regierungskommission des Saargebiets über Angelegenheiten der Sozialversicherung des Saargebiets“ vom 27.10.27 (RGBl. II, S. 896 ); Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Abrede vom 2.11.27 (RGBl. II, S. 1073 ).

6

Die Verteilung der Notstandsbeihilfe von 6 Mio RM an die Saararbeiter erfolgte durch die Gewerkschaften (Aktenstücke hierzu in R 43  I /244  und 245 ). In der Kabinettssitzung vom 23. 11. beschloß die RReg., einen zusätzlichen Betrag von 300 000 RM zur Verfügung zu stellen; siehe Dok. Nr. 349, P. 8.

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