1.1.1 (ma32p): 1. Entwurf eines Gesetzes über die Vereinheitlichung des Steuerrechts.

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1. Entwurf eines Gesetzes über die Vereinheitlichung des Steuerrechts.

Staatssekretär Dr. Popitz erläuterte die Grundzüge des Gesetzentwurfs1.

1

§ 4a des Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs vom 9.4.27 (RGBl. I, S. 91 ) verpflichtete die RReg., bis zum 1.10.27 den Entwurf eines Rahmengesetzes zur Regelung der Realsteuern und der Hauszinssteuer vorzulegen. RFM Köhler entsprach dieser Vorschrift, indem er am 6.5.27 dem Kabinett den „Entwurf eines Gesetzes über die Vereinheitlichung des Steuerrechts (Steuervereinheitlichungsgesetz)“ zuleitete. Das Gesetz war ein Mantelgesetz, das ein Grundsteuerrahmengesetz, ein Gewerbesteuerrahmengesetz, ein Gebäudeentschuldungssteuergesetz und ein Steueranpassungsgesetz umfaßte. Der Zweck der Entwürfe war die Vereinheitlichung und Senkung der Grundsteuer, Gewerbesteuer und Gebäudeentschuldungssteuer (Hauszinssteuer) sowie die Vereinheitlichung der Steuerverwaltung in den Ländern und Gemeinden. In der ausführlichen Gesetzesbegründung wird auf die erheblichen Unterschiede hingewiesen, die hinsichtlich der Steuerbemessung und -erhebung in den dt. Ländern bestanden. Die Vielgestaltigkeit, Zersplitterung und Unübersichtlichkeit des Landessteuerrechts bringe der Wirtschaft schwere Nachteile. Von den Spitzenverbänden der Wirtschaft, vom RT und den Parlamenten der meisten Länder werde daher immer nachdrücklicher eine Angleichung und Ermäßigung der Realsteuern und eine Vereinfachung der Steuerverwaltung gefordert (R 43 I /2398 , Bl. 7–71).

Noch vor der Kabinettssitzung ließ der RFM den GesEntw. den Finanzministern der Länder zugehen. In einem Votum des PrFM Höpker-Aschoff vom 14. 5. zum Entw. des Steuervereinheitlichungsgesetzes heißt es: „Dem großen Ziele ist zuzustimmen, durch eine Vereinheitlichung des Steuerrechts auf dem Gebiete der Grund- und Gewerbesteuer und der Hauszinssteuer […] eine materielle Angleichung der steuerlichen Belastung in den einzelnen Ländern und Gemeinden und eine Senkung der vielerorts überspannten Realsteuern zu erreichen. Allerdings würde die Annahme der Gesetzesvorlage für die Länder die fast restlose Beseitigung ihrer Steuerhoheit auf ihnen bisher noch zustehenden Gebieten der Realsteuern und der Hauszinssteuer bedeuten, und zwar sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung wie auch der Verwaltung. Im wesentlichen verbliebe ihnen nur noch hinsichtlich der Gesetzgebung die Bestimmung des zu erhebenden Umlagesatzes (Hundertsatzes der von Reichs wegen festgesetzten Hauptsteuerbeträge), hinsichtlich der Verwaltung nur das Recht des Erlasses und der Ermäßigung und der Mitwirkung bei den von den Reichsfinanzbehörden auszusprechenden Stundungen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese Kodifikation des bisherigen Landessteuerrechts und die zwangsweise Überführung der Landessteuerverwaltungen auf die Reichsfinanzbehörden keine Grundsatzgesetzgebung im Sinne des Art. 11 der Reichsverfassung mehr darstellt und der verfassungsändernden Mehrheit in Reichstag und Reichsrat bedarf. Wird trotz dieser Bedenken dem höher zu stellenden Ziel zugestimmt, so muß doch das beabsichtigte Maß und Tempo der Vereinheitlichung in mancher Beziehung als überspannt erscheinen.“ (PrFM an PrMinPräs. und PrStMin., 14. 5., R 43 I /2398 , Bl. 76–78; hierzu Bemerkungen von MinR Vogels vom 15. 5., ebd., Bl. 79–81). Die Württ. Reg. erhob in einem Schreiben an den RK vom 28. 5. die „stärksten Bedenken“ gegen die Entwürfe des Steuervereinheitlichungsgesetzes und der angeschlossenen Steuergesetze: Die Entwürfe, die bis ins einzelne die Besteuerung des Grundvermögens und des Gewerbes regelten und den Ländern in der Hauptsache nur noch die Bestimmung des jährlichen Umlagesatzes überließen, bedeuteten „die fast völlige Aufhebung der Steuerhoheit der Länder“. Sie seien demnach keine Rahmengesetze im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes vom 9.4.27, sondern verstießen gegen Art. 8 der RV. Die Württ. Reg. müsse daher den Entwürfen in ihrer jetzigen Fassung „den entschiedensten Widerspruch entgegensetzen“ und den RK bitten, „die Ausführung des § 4a des Finanzausgleichsgesetzes so zu gestalten, daß nicht wiederum ein wesentliches Stück der Selbständigkeit der Länder verloren geht“ (R 43 I /2398 , Bl. 125).

Am 18. 5. fand im RFMin. eine Besprechung des RFM mit den Finanzministern der Länder über das Steuervereinheitlichungsgesetz statt. Am 28. 5. übersandte der RFM dem StSRkei eine Zusammenstellung von Änderungen zum Entwurf des Steuervereinheitlichungsgesetzes, mit denen einigen Änderungswünschen der Länder Rechnung getragen werden sollte (R 43 I /2398 , Bl. 108–120; hierzu eine Aufzeichnung Vogels’ vom 1. 6., ebd., Bl. 121–122).

[772] Reichsminister Dr. Köhler erklärte anschließend, daß die Aussprache im wesentlichen nur zur Unterrichtung des Kabinetts über die Grundzüge des Gesetzes dienen solle. Den endgültigen Wortlaut des dem Reichsrat vorzulegenden Gesetzentwurfs werde er dem Kabinett erst später unterbreiten können. Er habe nämlich über den vorläufigen Entwurf mit den Ländern Fühlung aufgenommen und sei bestrebt, den von den Ländern bei diesen Vorverhandlungen geäußerten Wünschen möglichst Rechnung zu tragen. Insbesondere habe die Bayerische Regierung noch die schriftliche Mitteilung besonderer Wünsche in Aussicht gestellt, die er noch abwarten wolle2.

2

In einem Gespräch mit dem Reichsvertreter in München am 24. 5. hatte Staatsrat Schmelzle erklärt, daß von seiten Bayerns gegen den GesEntw. des RFMin. „die schwersten Bedenken erhoben werden“ müßten. Aus der Abänderung und Herabsetzung der Ertragssteuern würde Bayern eine Mindereinnahme von etwa 40 Mio RM erwachsen, „vor allem aber ginge der Entwurf in der Unifizierung und Verreichlichung der Steuerverwaltung noch weit über den gegenwärtigen Zustand hinaus. Zum Glück handle es sich lediglich um Referentenentwürfe. Es sei aber auch ganz ausgeschlossen, daß Entwürfe dieser Art die Zusicherung [sic] Bayerns finden würden.“ (Bericht v. Haniels vom 24. 5., R 43 I /2246 , Bl. 150).

In der folgenden Aussprache kam zum Ausdruck, daß die Reichsregierung das Gesetz unter allen Umständen innerhalb der Frist des § 4 a des Gesetzes über den vorläufigen Finanzausgleich vom 9. April 1927 dem Reichstage vorlegen will, und daß zu diesem Zwecke angestrebt werden müsse, die Kabinettsberatung so rechtzeitig abzuschließen, daß der Entwurf dem Reichstage noch vor Beginn der Sommerferien zugehen kann. Es wurde in Aussicht genommen, die abschließende Kabinettsberatung spätestens bis zum 16. Juni erfolgen zu lassen3.

3

Die nächste Kabinettsberatung über das Steuervereinheitlichungsgesetz fand erst am 30. 6. statt: Dok. Nr. 263, P. 7.

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