1.230.4 (ma32p): 4. Bericht über das Phosgen-Unglück in Hamburg.

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4. Bericht über das Phosgen-Unglück in Hamburg14.

14

Vgl. zuvor Dok. Nr. 471, P. 2.

Oberregierungsrat Dr. Quassowski berichtete über das Ergebnis seiner im Auftrage des Reichswirtschaftsministers an Ort und Stelle vorgenommenen Untersuchung. Er legte gleichzeitig einen schriftlichen Bericht vor, dessen Veröffentlichung[1471] insbesondere auf Wunsch des Staatssekretärs v. Schubert vom Reichskabinett beschlossen wurde (liegt bei)15.

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Im beiliegenden Bericht Quassowskis heißt es: Das Hamburger Gasunglück vom 20.5.28 (siehe Dok. Nr. 471, Anm. 3) „ist äußerlich dadurch entstanden, daß der auf den Kessel aufgeschweißte Dom in der Schweißnaht abgesprungen ist. […] Das in dem Kessel enthalten gewesene Phosgen stammte gleich den auf dem Lagerplatze noch vorhandenen Vorräten aus Demobilmachungsbeständen des alten Heeres. Dessen Bestände unterlagen nicht sämtlich der Zerstörung, vielmehr hat das Bureau de liquidation du matériel de guerre Erzeugnisse mit wirtschaftlicher Verwendungsmöglichkeit in gewissem Umfange freigegeben. Ob der hier fragliche verhältnismäßig geringe Restbestand seinerzeit ausdrücklich freigegeben worden ist, hat bisher nicht festgestellt werden können, doch hat auch der französische Sachverständige für diese Fragen das für höchst wahrscheinlich erklärt.“ Dr. Stoltzenberg habe das von ihm erworbene Phosgen 1927 und Anfang 1928 nach dem jetzigen Lagerplatz in Hamburg gebracht. Zur Zeit lagerten dort noch rd. 70 000 kg Phosgen. Von 1925 bis 1928 habe Stoltzenberg rd. 45 000 kg zu industrieller Verwendung ins Ausland verkauft. Phosgen werde u. a. als Zwischenprodukt für Teerfarbstoffe und Arzneimittel verwandt. „Die deutsche Jahreserzeugung an Phosgen beträgt etwa 1 500 t, woraus die geringe Bedeutung des Stoltzenbergschen Lagers zu ersehen ist. Eine Verletzung des Gesetzes über Kriegsgerät vom 27. Juli 1927 (RGBl. I, S. 239 ) liegt hiernach nicht vor, da es sich weder um ‚für Kriegszwecke bestimmte giftige, erstickende oder ähnliche Erzeugnisse‘ handelt (§ 3 Ziff. 41), noch eine Herstellung ohne die erforderliche Genehmigung stattgefunden hat (§ 8). Es hat überhaupt keine Herstellung von Phosgen durch Dr. Stoltzenberg stattgefunden. Auch eine Verletzung sonstiger gesetzlicher Vorschriften kommt nicht in Betracht. [Danach gestrichen: Die Lagerung muß als ordnungsmäßig betrachtet werden, auch wenn man unterirdischer Lagerung den Vorzug gibt.] Das höchst bedauerliche Unglück ist nicht anders zu beurteilen als andere Unglücksfälle, die durch Zusammenwirken unübersehbarer Zufälle eintreten können. Trotzdem hat der Hamburger Senat die Unschädlichmachung der Restbestände in die Wege geleitet […]“ (undatierter Bericht mit Sichtvermerk Pünders vom 30.5.28, R 43 I /1430 , Bl. 308–310).

Der Reichswehrminister erklärte, daß er die Lagerung des Phosgens als nicht ordnungsgemäß ansehen könne16 und daher bitte, aus dem Bericht die Feststellung, daß die Lagerung ordnungsmäßig gewesen sei, zu streichen.

16

Im geheimen Bericht des GenLt. Ludwig (siehe Dok. Nr. 471, Anm. 4) heißt es: Die vom Beauftragten des RWeMin. besichtigte Anlage Stoltzenbergs in Hamburg „macht einen äußerst dürftigen, primitiven Eindruck. […] Es scheint auffallend, daß die Gewerbebehörde diese Anlage in dieser Umgebung auf einem im Betrieb befindlichen Industriegelände mitten zwischen anderen Industrieanlagen und direkt an der Straße genehmigen konnte.“ Infolge der unglücklichen Lage des Platzes hätte sich die Katastrophe noch weit verhängnisvoller auswirken können.

Das Reichskabinett stimmte dem zu.

Es beschloß ferner, daß vor Veröffentlichung des Berichts durch den Hamburgischen Gesandten mit dem Senat der Stadt Hamburg Fühlung aufgenommen werden sollte17.

17

Der Untersuchungsbericht Quassowskis (Anm. 15) wurde größtenteils unverändert in WTB-Nr. 881 vom 1.6.28 veröffentlicht (R 43 I /726 , Bl. 105; in R 43 I /726  weitere Aktenstücke insbes. zum Streit zwischen dem Hamb. Senat und der RReg. über die Frage der Haftung für das Gasunglück).

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

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