1.126 (ma32p): Nr. 368 Vermerk des Ministerialrats Vogels über eine Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien am 8. Dezember 1927, 16.30 Uhr

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[1148] Nr. 368
Vermerk des Ministerialrats Vogels über eine Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien am 8. Dezember 1927, 16.30 Uhr

R 43 I /2570 , Bl. 155–157

Anwesend: von der DNVP: Oberfohren (Vorsitz), v. Dryander; von der DVP: Scholz, Brüninghaus, Morath; vom Zentrum: v. Guérard, Brüning, Groß, Allekotte; von der BVP: Leicht, Dauer.

Besoldungsgesetz.

Der Abg. v. Guérard legte die anliegenden, bereits im Vermerk vom 8. Dezember – Rk. 9573/27 – näher bezeichneten Entwürfe vor1. Sein Wunsch ging dahin, daß die Koalitionsparteien die Anträge zur gleichzeitigen Erledigung mit der Besoldungsvorlage im Reichstag2 gemeinsam einbringen möchten. Für den Fall, daß eine gemeinsame Aktion der Regierungsparteien für untunlich gehalten werden sollte, bat er sich Entschließungsfreiheit für das Zentrum aus, die Anträge allein einzubringen und zu betreiben.

1

Gemeint sind die folgenden Entwürfe: 1) Entwurf einer Entschließung betr. Aufhebung des Reichspostfinanzgesetzes (siehe Anm. 3); 2) Entwurf eines Antrags auf Ergänzung des Besoldungsgesetzes durch mehrere neue Paragraphen (siehe Anm. 5); 3) Entwurf einer Entschließung betr. Verwaltungsvereinfachung, Personalverminderung usw. (siehe Anm. 8). StS Pünder vermerkte hierzu: RK Marx habe ihm am 7. 12. abends die Entwürfe mit der Mitteilung übergeben, daß sie am 7. 12. von der Zentrumsfraktion „genehmigt“ worden seien und daß sie „als gemeinsame Anregungen der Regierungsparteien“ zusammen mit der Besoldungsvorlage vom RT erledigt werden sollen. „Der Herr Reichskanzler wünscht, die Erledigung dieser Ergänzungswünsche genauestens zu verfolgen.“ (Vermerk Pünders vom 8.12.27, Rk 9573/27, in R 43 I /2570 , Bl. 148).

2

Der Entwurf des Besoldungsgesetzes (RT-Bd. 419 , Drucks. Nr. 3656 ) wurde zu diesem Zeitpunkt vom Haushaltsausschuß des RT beraten. Am 13. 12. begann die 2. Lesung im Plenum des RT.

Die Vertreter der DNP und BVP erklärten im wesentlichen übereinstimmend, daß sie mit den sachlichen Zielen der Anträge weitgehend übereinstimmten, daß es ihnen aber technisch unmöglich erschien, die erforderlichen Vorberatungen so zu beschleunigen, daß dadurch die Verabschiedung der Besoldungsvorlage nicht gefährdet werde.

Im einzelnen wurde zu den verschiedenen Anträgen folgendes ausgeführt:

1. Antrag betr. Aufhebung des Reichspostfinanzgesetzes3.

3

Entwurf der Zentrumsfraktion: Der RT wolle beschließen, die RReg. zu ersuchen, dem RT einen GeEntw. vorzulegen, der das Reichspostfinanzgesetz vom 18.3.24 zwecks Wiederherstellung des Mitwirkungsrechts des RT bei der Festsetzung des Haushalts der RP aufhebt (R 43 I /2570 , Bl. 154).

Die nicht dem Zentrum angehörenden Abgeordneten erklärten, daß der Antrag mit der Besoldungsvorlage in keinem Zusammenhang stehe. Der Antrag werde zweckmäßig bei der Beratung des Reichshaushalts, speziell bei der Beratung des Postetats zu stellen und zu verfolgen sein. Über die Zweckmäßigkeit des Antrages äußerte sich der Abg. Scholz skeptisch. Ähnlich war die Stellungnahme des Abg. Leicht. Er meinte, es sei schwer einzusehen, warum man den[1149] gegenwärtigen Zustand, bei welchem aus dem Postbetriebe rund 100 Millionen Reichsmark zum Reichshaushalt beigesteuert würden, ändern wolle.

Der Abg. Oberfohren schloß sich sachlich dem Standpunkt des Zentrums an.

Ergebnis: Alle Parteien einigten sich dahin, den Antrag jetzt nicht einzubringen, ihn vielmehr für die Beratung beim Reichshaushalt (Postetat) zurückzustellen4.

4

Während der laufenden Legislaturperiode wurde ein Antrag auf Aufhebung oder Abänderung des Reichspostfinanzgesetzes von seiten der Regierungsparteien nicht eingebracht.

2. Anträge auf Einschiebung von §§ 40–46 in das Reichsbesoldungsgesetz5.

5

Entwurf der Zentrumsfraktion: Der RT wolle beschließen, dem Besoldungsgesetz folgende neue Paragraphen einzufügen:

§ 40 neu: Die RReg. hat bis zum 1.2.28 dem RT einen GesEntw. zu unterbreiten, der 1) eine Beseitigung der im Reich entbehrlichen Behörden und eine Zusammenlegung von Behörden vorsieht. In erster Linie sind die kleinen Finanzämter und Oberpostdirektionen baldigst aufzuheben; 2) eine Neuverteilung von Behördenaufgaben vornimmt zwecks Ersparnis von Beamten und Erzielung stärkerer Verantwortlichkeit und Selbständigkeit der unteren Beamtengruppen.

§ 41 neu: Für die Dauer von zunächst 5 Jahren, beginnend am 1.4.28, fällt von je drei freien oder freiwerdenden planmäßigen Beamtenstellen der Besoldungsordnung A (aufsteigende Gehälter, Anlage 1 zum Besoldungsgesetz) eine Stelle weg. Ausnahmen sind mit Zustimmung des RFM zulässig.

§ 42 neu: Im einstweiligen Ruhestand befindliche Beamte, deren Wiederverwendung nicht zu erwarten ist, sind in den endgültigen Ruhestand zu überführen.

§ 43 neu: Die Altersgrenze gemäß Gesetz über Einstellung des Personalabbaues vom 4.8.25 (RGBl. I, S. 181 ) wird auf 68 Jahre erhöht. Beamte, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, können ohne Rücksicht auf Dienstunfähigkeit auf ihr Ersuchen in den Ruhestand versetzt werden. Beamte, deren Beibehaltung z. B. infolge übermäßigen Fernbleibens vom Dienst sich nicht mehr rechtfertigen läßt, sind als dienstunfähig in den dauernden Ruhestand zu versetzen. Die RReg. wird ermächtigt, mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des RT und des RR die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

§ 44 neu: Soweit Länder, Kommunalverbände und Organe des öffentlichen Rechts die Besoldung in einem der Reichsbesoldungsordnung entsprechenden Ausmaß erhöhen, finden die Vorschriften der §§ 40 bis 43 dieses Gesetzes auf sie entsprechende Anwendung.

§ 45 neu: Soweit Länder, Kommunalverbände und Organe des öffentlichen Rechts die Besoldung in einem der Reichsbesoldungsordnung entsprechenden Ausmaß erhöhen, sind sie verpflichtet, bei der Überleitung der vorhandenen Stellen in die neue Besoldungsordnung für jeden einzelnen Fall zu prüfen, ob die in den entsprechenden Gruppen der alten Besoldungsordnung befindlichen Beamten sämtlich oder nur zum Teil in die neue Besoldungsgruppe zu überführen sind.

§ 46 neu: Die Vorschriften der §§ 40 bis 45 finden auf die RP entsprechende Anwendung. Bis zur Aufhebung des Reichspostfinanzgesetzes erläßt der RPM die näheren Vorschriften (R 43 I /2570 , Bl. 151–153).

Von den neuen Paragraphen sind die §§ 42 und 43 Abs. 2 verfassungsändernd.

Die Zentrumsabgeordneten erklärten, daß der verfassungsändernde Charakter nach ihrer Auffassung der Verabschiedung der neuen Bestimmungen kaum im Wege stehen werde. Zur Einfügung der Bestimmungen in das Gesetz genüge die einfache Mehrheit. Dadurch gewinne das ganze Gesetz allerdings verfassungsändernden Charakter. Die Opposition werde jedoch kaum die Verantwortung dafür übernehmen, daß sie durch eine Ablehnung des verfassungsändernden Gesetzes die rechtzeitige Fertigstellung der ganzen Vorlage unmöglich mache. Den übrigen Parteien erschien das in dieser Taktik liegende Risiko zu groß. Man befürchte[te], daß die Opposition ihrerseits die Besoldungsvorlage ohne die verfassungsändernden Bestimmungen neu aufnehmen werde und daß[1150] dann die Regierungsparteien in der unbequemen Lage sein würden, den Anträgen der Opposition zuzustimmen. Zu den einzelnen Paragraphen wurde folgendes erklärt:

§ 40: Inhaltlich keine gesetzgeberische Bestimmung, vielmehr eine Entschließung, daher richtiger in Form einer Entschließung einzubringen.

§ 41 gehört in das Etatgesetz. Der verfolgte Zweck wird daher richtiger durch eine Entschließung auf Einarbeitung in das Etatgesetz erreicht.

§ 42 ist bereits erledigt durch die vom Haushaltsausschuß angenommene Entschließung zum Wartestandsgesetz6.

6

In der vom Haushaltsausschuß angenommenen Entschließung wurde die RReg. ersucht, eine Novelle zum Wartestandsgesetzentwurf vorzulegen, um zu erreichen, daß Wartestandsbeamte, deren Wiederverwendung ausgeschlossen erscheint, in den Ruhestand überführt werden können; siehe RT-Bd. 420 , Drucks. Nr. 3765  unter II a 2.

§ 43 gehört in das Beamtenrecht. Der angestrebte Zweck wird am besten erreicht durch Entschließung auf Einbringung einer Novelle zum Beamtenrecht.

§ 44 erledigt sich durch Stellungnahme zu § 40–43.

§ 45: Die Bestimmung ist wichtig im Hinblick auf den endgültigen Finanzausgleich. Alle Parteien waren einig, daß dieser Paragraph in das Besoldungsgesetz einzufügen sei. Der erforderliche Antrag soll im Plenum gestellt werden.

§ 46 erledigt sich ohne weiteres durch die Einstellung zu den vorhergehenden Paragraphen.

Ergebnis: Die Parteien einigten sich dahin, die Vorschläge der §§ 40–44 sowie 46 in Form von Entschließungen gemeinsam weiterzuverfolgen. § 45 soll bei der Plenarberatung der Besoldungsvorlage in das Gesetz eingefügt werden7.

7

Bei den weiteren interfraktionellen Besprechungen einigten sich die Regierungsparteien (wahrscheinlich am 12. 12.) darauf, im RT einen gemeinsamen Antrag einzubringen, der die Einführung von vier neuen Paragraphen (§§ 40 bis 43) in das Besoldungsgesetz vorsah; dieser Antrag übernahm die Intention der §§ 41, 44, 45 und 46 aus dem Antragsentwurf des Zentrums (siehe Anm. 5). Der Antrag auf Einfügung neuer Paragraphen in das Besoldungsgesetz wurde von den Fraktionen des Zentrums, der DVP und der DNVP (nicht jedoch der BVP) am 13. 12. dem RT vorgelegt (RT-Bd. 420 , Drucks. Nr. 3797 ) und vom RT bei der Verabschiedung des Besoldungsgesetzes am 14. 12. angenommen (RT-Bd. 394, S. 12073 , 12113 ). Siehe §§ 40 bis 43 des Besoldungsgesetzes vom 16.12.27 (RGBl. I, S. 349 ).

3. Entwurf einer Entschließung betr. Verwaltungsreform8.

8

Entwurf der Zentrumsfraktion: Der RT wolle beschließen, die RReg. zu ersuchen,

1) auf die Länder, die entsprechende Maßnahmen noch nicht getroffen haben, einzuwirken, daß auch in diesen eine planmäßige Vereinfachung des gesamten Behördenorganismus unter Verringerung der Zahl der Beamten bis zum nächsten Finanzausgleich durchgeführt wird;

2) auf die Länder dahin einzuwirken, daß sie gesetzliche Sicherungen schaffen, um nicht gerechtfertigte Eingruppierungen von Beamten der Gemeinden sowie der Organe des öffentlichen Rechts gegenüber vergleichbaren Reichsbeamten zu vermeiden. Spätestens mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz ist dem RT eine Übersicht vorzulegen, aus der ersichtlich ist, in welchem Umfang solche Übergruppierungen noch bestehen;

3) dem RT alljährlich eine Übersicht vorzulegen, aus der a) die Zahl der Beamten nach den einzelnen Gehaltsstufen in Reich, Ländern, Kommunalverbänden, bei RB, RP und sonstigen Organen des öffentlichen Rechts erkennbar ist, b) die Pensionen ersichtlich sind, die von denselben Körperschaften gezahlt werden;

4) den Reichsbeamten jede wirtschaftliche Nebenbetätigung, insbesondere die Vermittlung von Waren, zu untersagen und auf die RP, die RB, die Länder und Gemeinden im gleichen Sinne einzuwirken;

5) baldigst einen GesEntw. vorzulegen, wonach bei Beamten, die ein Einkommen von mehr als 8000 RM aus gewinnbringender Beschäftigung haben, eine Kürzung des Ruhegehalts erfolgt;

6) dem RT eine gesetzliche Regelung des Urlaubs in dem Sinne vorzulegen, daß den Beamten nur in Ausnahmefällen ein Urlaub von mehr als 4 Wochen gewährt werden darf;

7) dem RT eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, die die Ruhegehälter wieder auf 75% des pensionsfähigen Diensteinkommens begrenzt (R 43 I /2570 , Bl. 149–150).

Die Parteien einigten sich dahin, von der vorgeschlagenen Entschließung die Ziffern 1, 2, 3 und 4 gemeinsam einzubringen, dagegen die Weiterverfolgung[1151] der Ziffern 5, 6 und 7 dem Zentrum allein zu überlassen. Es wird eine gemeinsame Umredigierung der von den Regierungsparteien gemeinsam einzubringenden Entschließungen erfolgen9.

9

Bei den weiteren interfraktionellen Besprechungen einigten sich die Regierungsparteien darauf, in die gemeinsame Entschließung zur Verwaltungsreform die Ziffern 1, 2, 3 und 4 aus dem Entschließungsentwurf des Zentrums (Anm. 8) sowie § 40 aus dem Antragsentwurf des Zentrums (Anm. 5) sinngemäß zu übernehmen. Die Entschließung wurde von den Fraktionen des Zentrums, der DVP und der DNVP am 13. 12. dem RT vorgelegt (RT-Bd. 420 , Drucks. Nr. 3798 ) und vom RT am 15.12.27 bei der Verabschiedung des Besoldungsgesetzes angenommen (RT-Bd. 394, S. 12165  f.). Das Zentrum verzichtete auf die Einbringung einer eigenen Entschließung. – Zur Erörterung der Angelegenheit im Kabinett siehe Dok. Nr. 373, P. 2 und Dok. Nr. 374.

Vogels 8. 12.

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