2.103.4 (mu11p): 4. Beschränkung ihrer Zuständigkeit.

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4. Beschränkung ihrer Zuständigkeit.

 

Nachdem der Herr Reichspräsident den Gegenstand und die Bedeutung der Tagesordnung dargelegt2, die ins Ruhrgebiet entsandten Kommissare der Reichsregierung (Geheimrat von Jacobi und Geheimrat Zweigert) das Ergebnis ihrer Wahrnehmungen und ihrer Anordnungen im Ruhrgebiet mitgeteilt hatten3, und nach längerer Aussprache ergab sich eine Einigkeit über die Notwendigkeit sofortigen Einschreitens gegenüber der durch die Tätigkeit der außerordentlichen Kriegsgerichte geschaffenen Sachlage. Es wurde allseitig festgestellt, daß die Rechtssprechung der außerordentlichen Kriegsgerichte nicht einheitlich ist, daß sie nicht der Auffassung und den Anweisungen des Reichsministers der Justiz und des preußischen Justizministers entspricht und daß sie ein Gegenstand der Beunruhigung großer Teile der Bevölkerung des Ruhrgebiets geworden ist. Insbesondere erregt die hohe Zahl der von diesen Gerichten verfügten Verhaftungen (über 2400) und die oft aus geringfügigem Anlasse verhängten scharfen Strafen Besorgnis. – Die bisherigen Maßnahmen haben versagt, und es sind nunmehr schnelle und durchgreifende Anordnungen der Reichsregierung erforderlich.

2

S. dazu Dok. Nr. 87.

3

S. Dok. Nr. 98.

Als solche Maßnahmen werden beschlossen:

1.

Es sind durch das Reichsministerium des Innern und des Reichsjustizministers [!] sofort Anordnungen an die Staatsanwälte zu geben, um die Enthaftung der festgenommenen Personen durchzuführen. – Die Vertreter der Anklage sind anzuweisen, von einem Einschreiten dann abzusehen, wenn zur Zeit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Angeschuldigte sich nach dem 2. April 1920 der an sich strafbaren Handlung des Waffentragens, der Zusammenrottung usw. mehr schuldig gemacht hat. In zweifelhaften [260] Fällen (bei Zusammentreffen solcher Handlung mit gemeinen Verbrechen oder Vergehen) ist die Entscheidung eines beim Oberpräsidium einzusetzenden Generalstaatsanwalts einzuholen.

2.

In den Fällen, in denen schon Urteile ergangen sind, ist mit tunlichster Beschleunigung durch in ausreichender Anzahl zu entsendende besondere Beauftragte für Gnadensachen die Frage der gnadenweisen Milderung oder völliger Begnadigung zu prüfen und zwar unter sofortiger Aussetzung der Strafvollstreckung in allen Fällen, wo die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Strafe im Gnadenwege aufzuheben oder in eine geringe Gefängnisstrafe umgewandelt werden wird.

3.

Ferner soll die Beschränkung der Zuständigkeit der außerordentlichen Kriegsgerichte auf die Fälle schwerer gemeingefährlicher Verbrechen und Vergehen geprüft werden (§ 8 der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 5. Mai 1920)4.

4

<S. die VO in RGBl. 1920, S. 887  ff.>

Gleichzeitig soll erneut Anordnung an die Vertreter der Anklage ergehen, von der Überweisungsbefugnis des Absatzes 2 des § 85 dieser Verordnung im weiten Umfang in allen Fällen Gebrauch zu machen, wo an einer beschleunigten Erledigung kein besonderes Interesse besteht, oder diese beschleunigte Erledigung nicht möglich sein wird oder nur eine geringe Gefängnisstrafe zu erwarten ist.

5

S. Anm. 5 zu Dok. Nr. 87.

Die Anweisungen zu Ziffer 1 und 2 sollen noch heute durch Kommissare der beteiligten Reichsbehörden formuliert und sofort hinausgegeben werden. Gleichzeitig soll eine entsprechende Veröffentlichung in der Presse erfolgen6.

6

S. zur Ausführung der Beschlüsse Dok. Nr. 114.

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