2.128 (mu11p): Nr. 128 Bericht über die Tätigkeit eines russischen Agenten in Brandenburg. 4. Juni 1920

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Nr. 128
Bericht über die Tätigkeit eines russischen Agenten in Brandenburg. 4. Juni 1920

R 43 I /2667 , Bl. 76 f. Abschrift1

1

Der Bericht war der Rkei am 4. 6. vom StKom. für öffentliche Ordnung zugesandt worden. Da der Name des russ. Vertreters in Berlin Viktor Kopp in diesem Bericht genannt wird, veranlaßte der RK, daß auch das AA Kenntnis erhielt (R 43 I /2667 , Bl. 75).

Der mehrheitssozialistische Abgeordnete Sidow aus Brandenburg2 war gestern nach Berlin gekommen, um im Namen seiner Partei und nach Rücksprache mit dem Oberbürgermeister von Brandenburg zur Kenntnis der Regierung zu bringen, daß in Brandenburg ein Russe aufgetaucht ist, der offensichtlich als Agent der Sowjetregierung propagandistisch tätig ist. Der Russe, ein etwa 40jähriger gutangezogener Mann, anscheinend mit akademischer Bildung, der nach seinen Angaben bereits einmal in Hamburg seiner politischen Tätigkeit wegen verhaftet war, hatte sich zunächst an Mitglieder der USPD gewandt, um diese Partei für seine Pläne zu gewinnen. Die betreffenden Mitglieder der USPD hatten sich jedoch ablehnend verhalten, offenbar waren sie ängstlich, sich augenblicklich mit derartigen Dingen zu befassen, und hatten den Russen an ein Mitglied der SPD verwiesen, das im Rufe steht, im Gegensatz zu seiner Partei umstürzlerischen Plänen im Sinne der russischen Sowjet-Regierung geneigt zu sein.

2

Sidow war bis 1924 Abgeordneter des Wahlkreises Potsdam I.

Der russische Agent setzte ihm auseinander, daß für die deutschen linksradikalen Parteien der Augenblick gekommen sei, die jetzige Regierung zu stürzen und an ihre Stelle eine Regierung zu setzen, die Deutschland nach dem Muster Sowjets-Rußlands umgestalten und damit die Möglichkeit schaffen könne, ein sofortiges Zusammengehen Deutschlands und Rußlands in die Wege zu leiten. Wenn Deutschland sich nicht dazu aufraffe, dies jetzt auszuführen, so werde Sowjet-Rußland gezwungen sein, diesen für sein Fortbestehen durchaus[310] notwendigen Umschwung in Deutschland mit Gewalt herbeizuführen, und die russischen roten Heere müßten in Deutschland einmarschieren. Auf den Einwand des mehrheitssozialistischen Herrn, daß ja noch die Randstaaten einem russischen Einmarsch entgegenständen, antwortete der Russe, daß diese bereits soweit bolschewistisch vorbereitet und unterminiert seien, daß ein ernsthafter Widerstand keinesfalls zu erwarten sei3. Auch rechne die Sowjet-Regierung fest damit, daß in dem Augenblick, in dem seine Heere an der deutschen Grenze erscheinen, eine kommunistisch-unabhängige Erhebung innerhalb Deutschlands die militärischen Kräfte der deutschen Regierung binden und damit den weiteren russischen Vormarsch zu einem leichten Spiel machen werde4. Der russische Agent fügte hinzu, er stände in Verbindung mit dem offiziellen Vertreter der Sowjet-Regierung, Herrn Viktor Kopp.

3

Über die baltischen Verhältnisse hatte der StKom. im Lagebericht vom 17. 5. mitgeteilt: „Nach den aus Litauen vorliegenden Nachrichten ist es wahrscheinlich, daß noch in diesem Monat in Litauen der Versuch zur Aufrichtung der Räterepublik gemacht werden wird. Als die Hauptbeteiligten an diesem Umsturzplan werden die litauischen Bolschewisten im Verein mit den regulären Truppen in Schaulen, Ponewesch, Radsiwilischki und Marianapol genannt. Kowno ist der Treffpunkt der kommunistischen Agenten Deutschlands, Rußlands und Lettlands“ (R 43 I /405 , Bl. 146-150).

4

In einem Lagebericht vom 31.5.20 hatte der StKom. schon über die Bedeutung des russ. Vormarschs in Polen ausgeführt: „Die Verbindung der linksradikalen Gruppen mit Sowjet-Rußland steht fest. Bleiben, wie es zur Zeit den Anschein hat, die Sowjetheere Sieger und besetzen sie Warschau, so ist als sicher anzunehmen, daß dieses Ereignis von ausschlaggebendem Einfluß auf die Entschlüsse der revolutionären Führer sein wird“ (R 43 II /398 , Bl. 43-47).

Der Abgeordnete Sidow ist in Übereinstimmung mit den Ansichten seiner Parteifreunde in Brandenburg der Auffassung, ein derartiger Agent Herrn Kopps trete zweifellos nicht nur in Brandenburg auf, sondern es sei damit zu rechnen, daß eine ganze Reihe im gleichen Sinne wirkender Leute in Deutschland tätig sind. Auf diese Gefahr wollte er die Regierung aufmerksam machen.

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