1.122.1 (mu22p): 1. Reichsfinanzreform.

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1. Reichsfinanzreform.

Der Reichskanzler teilte mit, daß er um 1 Uhr nachmittags den Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht in der Reichskanzlei empfangen habe. Die Unterredung sei durch das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Bankdirektor Wassermann, der sich bei Gelegenheit einer gesellschaftlichen Veranstaltung in der Reichskanzlei am Abend des 11. Dezember dazu erboten habe, zustandegekommen2. Dr. Schacht habe in der Unterredung nachdrücklichst erklärt, daß es mit den Kreditansprüchen des Reiches nach seiner Meinung nicht so weiter gehen könne wie bisher. Er habe seine Mitwirkung für eine weitere Kreditaufnahme des Reiches davon abhängig gemacht, daß neue Einnahmequellen mit einem Ertrage von 500 Millionen RM erschlossen würden. Dr. Schacht habe sich auch bereit erklärt, sich zur Begründung dieser Forderung und Unterstützung der Reichsregierung überall da einsetzen zu lassen, wo es die Reichsregierung für notwendig halten sollte. Dabei habe Dr. Schacht wohl in erster Linie an einen Vortrag vor den Fraktionsführern gedacht. In der weiteren Aussprache mit Dr. Schacht habe sich ergeben, daß für ihn der springende Punkt in Folgendem liege: Er gehe aus von einem augenblicklichen Kassendefizit von 1,7 Milliarden RM. Demgegenüber lasse er als Deckung nur 2 Posten gelten, nämlich

2

Siehe dazu Dok. Nr. 379.

a)

die 500 Millionen Kreuger-Anleihe,

b)

den Schatzwechsel-Kredit von 400 Millionen auf Grund des § 5 des Haushaltsgesetzes und den 100 Millionen Kontokorrent-Kredit bei der Reichsbank.

[1249] Er verlange weitere 500 Millionen ordentliche Deckung. Diese Forderung werde, so meinte der Reichskanzler, im wesentlichen erfüllt, wenn der vom Reichskabinett genehmigte Nachtragsetat vom Reichstag verabschiedet sei, denn durch diesen Nachtragsetat werde das in das Kassendefizit von 1,7 Milliarden RM einbezogene Defizit 1928 von 150 Millionen RM und das Defizit 1929 von 300 Millionen aus den Erleichterungen des Young-Planes abgedeckt. Ferner könne man hierzu das Mehraufkommen aus der im Regierungsprogramm ab 1. Januar vorgesehenen Erhöhung der Tabaksteuer von 50–60 Millionen hinzurechnen. Eine Einigung mit dem Reichsbankpräsidenten auf dieser Basis werde also wohl gelingen.

Der Reichsminister der Finanzen verlas in Ergänzung der Ausführungen des Reichskanzlers einen Schriftwechsel mit dem Reichsbankpräsidenten, in welchem der Reichsminister der Finanzen dem Reichsbankpräsidenten von dem Regierungsprogramm Kenntnis gab, und der Reichsbankpräsident die Forderung nach der Erschließung neuer Einnahmequellen mit einem Aufkommen von 500 Millionen RM forderte3. Er bat um die Ermächtigung, mit Dr. Schacht in der Sache mündlich verhandeln zu können.

3

Schacht hatte von Hilferding am 10. 12. das Finanzprogramm erhalten und war darüber unterrichtet worden, daß im RT die Vertrauensfrage gestellt werde. Ferner hatte Hilferding dem RbkPräs. mitgeteilt, die Deutsche Bank, die Firma Mendelssohn & Co. und die Reichskreditgesellschaft wollten einen bei der Finanzlage des Reichs notwendigen Auslandskredit vermitteln. Schacht war gebeten worden, zu seiner Unterrichtung als Vertreter der drei Unternehmen Direktor Wassermann, Dr. Kempner und Geheimrat Heymann zu empfangen. Schacht hatte jedoch am 11. 12. erwidert, er wolle diesen Besuch verschieben, bis ihm mitgeteilt worden sei, in welcher Weise die von ihm geforderte Deckung von 500 Mio RM für die schwebenden Verpflichtungen vom RT aufgebracht werde. Nach Klärung dieser Frage sei er zu Gesprächen über die Erfordernisse von Krediten bereit (auf dem Anschreiben des RFM an Pünder vom 11. 12. die Paraphe des RK; BA: Nachlaß Pünder  130).

Diese Ermächtigung wurde erteilt4.

4

Siehe zu den Ausführungen des RFM Dok. Nr. 379.

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