1.64 (str2p): Nr. 178 Aufzeichnung über die Verhandlungen des Oberbergrats Witte mit der Micum. 25. Oktober 1923

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Text

RTF

 

[760] Nr. 178
Aufzeichnung über die Verhandlungen des Oberbergrats Witte mit der Micum. 25. Oktober 1923

R 43 I /453 , Bl. 138/139 Durchschrift1

1
 

Wie aus dem Schlußsatz hervorgeht, entstand die Aufzeichnung im PrHandMin. Am Kopf ist vermerkt, daß sie auf ein Telefongespräch mit Witte zurückgeht, das „mehrfach unterbrochen und schwer verständlich“ war.

 

Auf Vorladung der Micum hat Oberbergrat Witte2 gestern [24. 10.] über eine Stunde mit den Herren der Micum in Düsseldorf gesprochen.

2
 

Witte war Mitglied des Direktoriums der staatlichen Steinkohlenbergwerke in Recklinghausen.

Die Micum stellte zunächst nachstehende Forderungen3:

3

Zu den Forderungen der Micum s. die Verhandlungen mit der Sechserkommission und dem Bergarbeiterverband.

1.

20% des Absatzes sollen unentgeltlich als Reparation an die Entente geliefert werden.

 

Witte entgegnete, die Werke hätten nur 10% Reingewinn und könnten deshalb 20% nicht finanzieren.

2.

Die Kohlensteuer für die Vergangenheit und für die Zukunft müsse von den staatlichen Bergwerken anerkannt werden, doch werde die Micum nach Anerkenntnis nichts unmögliches verlangen.

 

Witte antwortete, die Kohlensteuer sei Reichsangelegenheit. Da außerdem die Forderung unter Ziffer 1 unerfüllbar sei, könne er ohne Instruktionen seiner vorgesetzten Behörde sich nicht dazu äußern.

 

Die Mitteilung des Herrn Witte, daß die Staatswerke voraussichtlich ab Montag [29. 10.] stillgelegt werden, hat bei der Micum eine gewisse Überraschung hervorgerufen4. Ein Herr der Gegenseite machte die Bemerkung, eine derartige Stillegung (abandonner) sei wohl gleichbedeutend mit einer Preisgabe der Verfügungsrechte des Preußischen Staates über die dortigen Staatsgruben. Herr Witte hat dem anscheinend widersprochen, doch konnte ich seine Ausführungen über diesen Punkt telefonisch nicht verstehen. Die Micum habe sich ferner darüber beklagt, daß Italien noch auf Kosten des Reiches Reparations-Lieferungen erhalte, während man Frankreich und Belgien derartige unentgeltliche Reparations-Lieferungen verweigere. Witte antwortete, die Verpflichtungen wegen der Italia-Lieferungen seien zu einem Zeitpunkt übernommen worden, als das Reich noch zahlungsunfähig war. Im übrigen würden die Italia-Lieferungen wohl in wenigen Tagen aufhören5. Die Gegenseite war von dieser Erklärung befriedigt.

4

Bergrat Bälz vom PrHandMin. notierte hs. unter der Aufzeichnung: „Der Betrieb der Staatswerke wird höchstwahrscheinlich ab Montag stillgelegt. Doch muß der Bergfiskus für die in der laufenden Woche verfahrenen Schichten noch unbedingt Geld haben.“

5

S. dazu Dok. Nr. 173.

 

Zum Schluß bat Herr Witte die Gegenseite, sich mit einer hypothekarischen oder sonstigen Belastung der Staatswerke bei Recklinghausen einverstanden zu erklären, damit Kredite für eine Weiterführung des Betriebes in Recklinghausen[761] flüssig gemacht werden könnten. Die Herren der Micum antworteten, dies widerspreche den Bestimmungen des Friedensvertrages, wonach die Reparations-Kommission eine erste Hypothek auf die Staatswerke habe6, doch wollten sie sich die Möglichkeit einer solchen Belastung wegen der Wichtigkeit der Weiterführung der Betriebe reiflich überlegen, und sie bäten Herrn Witte, in dieser Frage möglichst bald wieder vorzusprechen und zwar sobald er von seiner vorgesetzten Zentralinstanz allgemeine weitere Instruktionen erhalten habe.

6

Artikel 248 VV.

 

Herr Witte hat eben einen Eilbrief7 hierher, an das Handelsministerium, gerichtet und erbittet morgen früh sofortige telegrafische oder telefonische Beantwortung der darin gestellten Fragen.

7

In R 43 I nicht enthalten.

gez. Bälz.

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