2.142.1 (wir1p): [Reichskonkordat]

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[Reichskonkordat]

Der Reichskanzler führte aus, daß er Gelegenheit gehabt habe, mit dem Nuntius Pacelli kurz zu sprechen. Danach bestehe auch bei der Kurie der Wunsch, in der Frage des Reichskonkordats voranzukommen. Entscheidend hierfür sei die Frage, wie sich Bayern sein Konkordat im Verhältnis zum Reichskonkordat denke. Die Verhandlungen müßten seiner Auffassung nach so geführt werden, daß die bayerischen Bestimmungen in das Reichskonkordat aufgingen und daß beide Konkordate gleichzeitig – in den Grundfragen übereinstimmend – zum Abschluß gebracht würden2.

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Siehe dazu Dok. Nr. 49 Anm. 2 und 4.

MinRat Goldenberger führte aus, daß Bayern vor dem das Reich Verhandlungen über das Reichskonkordat begonnen habe [sic], bereits Verhandlungen über ein bayer. Konkordat mit der Kurie eingeleitet und von Rom mehrere Punkte mitgeteilt erhalten habe, über die Rom eine Diskussion zu führen wünschte. Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Weimarer Verfassung könne ein selbständiges bayer. Konkordat zur Durchführung gebracht werden. Über diese Fragen sei noch unter dem Ministerpräsidenten Hoffmann im bayer. Verfassungsausschuß gesprochen worden, der sich bereit erklärt habe, die Verhandlungen über ein bayer. Konkordat mit Rom einzuleiten. Es liege augenblicklich bei Rom, zu den bayer. Bemerkungen Stellung zu nehmen. Dafür, daß die Verhandlungen sich in die Länge gezogen hätten, trüge die bayerische Regierung nicht allein Schuld; sie stehe auf dem loyalen Standpunkte, daß ein neues Konkordat frei von all den Schwierigkeiten sein müsse, unter denen das alte Konkordat von 1817 gelitten hätte. Dem Nuntius und dem Verfassungsausschuß sei bekannt, daß das bayer. Konkordat nur auf dem Boden und in dem Rahmen der Reichsverfassung abgeschlossen werden könne. Die Frage der Einordnung des bayr. Konkordats als Anhang oder dergleichen in das Reichskonkordat habe dagegen innerhalb der an dem Abschluß eines Reichskonkordats interessierten Parteien niemals einen Fürsprecher gefunden. Hierauf müsse auch bei den Verhandlungen Rücksicht genommen werden.

MinDir. Frh. v. Welser führte aus, daß der Gedanke eines Abschlusses eines Reichskonkordats insbesondere von der Außenpolitik getragen sei, um[388] eine Basis für Verhandlungen mit der Kurie zu haben. Man denke nicht daran, die ganzen Beziehungen zwischen Regierung und Kurie im Reichskonkordat zu regeln, nur in 8 oder 10 Punkten sollten Grundsätze festgelegt werden, um dann eventuell in Verhandlungen eintreten zu können. Der Gedanke, Einzelheiten festzusetzen oder sich in die Angelegenheiten der Länder einzumischen, habe nie bestanden. Wiederholt sei betont worden, daß das Recht der Länder zum Abschluß von Konkordaten nach der Verfassung außer Zweifel sei. Gedacht sei nur an ein Rahmenkonkordat von Reichs wegen, während die Länder Einzelkonkordate abschließen sollten. Vielleicht könnte es so gemacht werden, daß die Landesbestimmungen die Reichsbestimmungen wiederholten. Mit den Regierungen der größeren Länder sei man in ständiger Fühlung. Das Reichs- und Länder-Konkordate nebeneinander bestehen könnten, würde nicht zu Schwierigkeiten führen. Das Reichsministerium des Innern werde Verhandlungen nicht einleiten, ohne vorher mit Bayern sich ins Benehmen zu setzen. Ohne Preußen seien allerdings abschließende Verhandlungen unmöglich. Er bat um die Zustimmung Bayerns, daß man beiderseits sich über den Stand der Verhandlungen mit der Kurie Mitteilungen mache, um festzustellen, was festgelegt sei und was festgelegt werden solle. Er komme daher zu dem Ergebnis, daß das Reichskonkordat Bayern einschließen müsse, daß das bayer. Konkordat aber neben dem Reichskonkordat bestehen könne.

Der Reichskanzler betonte, daß sich Schwierigkeiten ergeben würden, wenn Bayern sich etwa ausschließen wollte und es eine Gefahr bedeuten würde, wenn Bayern ohne Fühlungnahme mit dem Reich seine Verhandlungen weiterbetreiben würde.

Prof. Delbrück begründete die außenpolitische Notwendigkeit eines Reichskonkordats. Die Kurie sei für uns die Zentrale im Verkehr mit den feindlichen Ländern; andererseits habe die Kurie Veranlassung, Vorgänge, wie sie in Sachsen vorgekommen seien3, zu verhindern. Die akuten Anlässe seien die Frage des Saargebiets und die des Ostens. Er erinnere nur an die östlichen Diözesangrenzen in Danzig, Posen und Oberschlesien, ferner an den Schutz der Minoritäten in den letzteren abgetretenen Gebieten. Wenn erreicht werden könnte, daß ein apostolischer Delegat für Oberschlesien und Danzig bestellt werde, so würde es möglich sein, ihn für die deutschen Interessen zu interessieren. Wenn Bayern dem Reichskonkordat nicht beitreten würde, so würde Preußen es auch nicht tun; dadurch würde der Abschluß eines Reichskonkordats verhindert werden.

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Siehe Dok. Nr. 134, Mitteilung des RK.

Der Reichskanzler war unter Hinweis auf den sächsischen Zwischenfall der Auffassung, daß es unerträglich sei, zu all den vorhandenen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch Schwierigkeiten auf kirchenpolitischem Gebiet eintreten zu lassen. Die Frage des Reichskonkordats müsse auch unter dem Gesichtspunkte der Rettung des Vaterlandes behandelt werden. Er richte deshalb an die bayerischen Herren die dringende Bitte, daß sie zur Gesundung des Reichs und zur Vermeidung politischer Konflikte sich mit dem Abschluß[389] eines Reichskonkordats einverstanden erklären sollten. Er wolle auch noch die Notwendigkeit mit Rücksicht auf die von dem Referenten im Auswärtigen Amt [Prof. Delbrück] hervorgehobenen Punkte: Saargebiet, Danzig, Oberschlesien unterstreichen. Er sei bereit, keinen Schritt zu unternehmen, ohne daß Bayern mitwirke. Er würde auch dankbar sein, wenn Graf Lerchenfeld mit den Herren der bayerischen Volkspartei über die Frage sprechen würde. Er würde gleichfalls in Berlin mit Vertretern der bayerischen Volkspartei Fühlung nehmen, damit sie sich der katholischen Minderheiten annähmen.

Graf Lerchenfeld machte kurz Mitteilung über die Sachlage, die er bei Übernahme der Ministerpräsidentschaft vorgefunden habe und verlas die seinerzeit von dem Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Simons, gegenüber Bayern abgegebene Erklärung4. Er habe gedrängt, um die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Die hinsichtlich des Saargebiets erhobenen Bedenken könne er nicht ganz teilen; dagegen müsse er die Notwendigkeiten, die sich im Osten ergeben, anerkennen. Dort sei das Deutschtum gefährdet und könne nur gehalten werden, wenn die katholische Kirche das Deutschtum stütze. Er glaube, daß kein Grund vorhanden sei, die Sonderverhandlungen mit der Kurie einzustellen, sondern weiterzuverhandeln. Es würde sich ein Weg schon finden lassen. Zur Zeit läge die Angelegenheit bei der Kurie. Es sei notwendig, sich klar zu werden, weitere Verhandlungen über ein Reichskonkordat einzuleiten. Er wolle heute eine Erklärung nicht abgeben, da er zunächst den Ministerrat und die Fraktionen hören müsse. Der von dem Reichskanzler vorgeschlagene Weg scheine ihm aber der richtige zu sein, um die Interessen des Reichs und Bayerns gleichmäßig zu wahren.

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Siehe Dok. Nr. 49 Anm. 4.

Prof. Kaas teilte mit, daß die bayerische Volkspartei noch nicht zugezogen sei. Bayern stehe auf dem Standpunkt, daß es vollständig selbständig ein Konkordat schließen könne, und daß die Reichsregierung die Möglichkeit habe, die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Er glaube, daß die Verhältnisse heute anders lägen als zu dem Zeitpunkt, wo die Verhandlungen zwischen Bayern und der Kurie begonnen hätten, und anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Notiz niedergeschrieben sei. Bayern habe jedenfalls das geschriebene und verbriefte Recht, so vorzugehen, und wenn Bayern nicht freiwillig in höherem Interesse davon abwiche, würden wir nicht in der Lage sein, Bayern zu zwingen; er glaube aber, daß man Bayern davon überzeugen könne, daß Gründe vorlägen, die ihm einen sparsamen Gebrauch von dem ihm zustehenden Recht zweckmäßig erscheinen ließen. Zu unterscheiden seien die Grundsatzgesetzgebung des Reichs und die Materie der Ausführungsgesetzgebung, die die Länder beträfe. Hinsichtlich der ersten Gruppe sollte Bayern prüfen, ob nicht ein Entgegenkommen für die Einordnung der bayerischen Sonderwünsche in das Reichskonkordat möglich sei. Die Kurie gehe von der Voraussetzung aus, eventuell mit Bayern und dem Reich abzuschließen. Für die Kurie sei aber entscheidend der materielle Inhalt.

Der Reichskanzler war der Auffassung, daß eine Form sich finden werde. Der Charakter des bayer. Konkordats könnte ja herausgearbeitet werden. Soweit[390] er übersehe, scheine ihm als ausschlaggebender Inhalt die Schulfrage zu sein. Vielleicht könnte man im Reichskonkordat so weit gehen, wie es die Verfassung bestimme und, daß in der Schulfrage im bayerischen Sonderkonkordat weitere Bestimmungen aufgenommen werden würden. Die letzte Frage sei noch nicht vollkommen geklärt; sie hänge davon ab, wie Preußen und die übrigen Länder sich zu dieser Frage stellen wollen.

Der Reichsminister des Innern betonte nochmals die Notwendigkeit des sofortigen Abschlusses eines Reichskonkordats. Ob dieses zustande komme, hänge von der Stellung Bayerns und Preußens ab. Es handele sich darum, die großen Massen seiner Partei, die gleichgültig und zum Teil widerstrebend bei Seite ständen, heranzuziehen unter Hinweis auf die nationalen Gesichtspunkte. Auch die Länder würden noch Schwierigkeiten machen.

Graf Lerchenfeld betrachtete die heutige Besprechung nur als eine formale Vorbesprechung, die zu einem Votum nicht führe. Man habe den gegenseitigen Standpunkt kennengelernt. Er würde bitten, zu veranlassen, daß die Reichsressorts ihm ein Schreiben zugehen ließen, welches die heutigen Besprechungspunkte kurz darstelle und einen Vorschlag für weitere Verhandlungen mache5. Bayern würde dann inzwischen Gelegenheit haben, mit den Parteien in Verbindung zu treten, so daß die Nachbesprechungen bald mit dem Ziele des Abschlusses einer Vereinbarung folgen könnten.

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In R 43 I nicht ermittelt

Der Reichskanzler teilte mit, daß er beabsichtige, auch als Außenminister an den Nuntius die Bitte zu richten, ihm ein Schreiben zu schicken, in dem die Wünsche der Kurie enthalten seien6. Nach Eingang eines solchen Schreibens werde er der bayer. Regierung Mitteilung machen und er würde dankbar sein, wenn auch einem Vertreter der Regierung erlaubt würde, die Antwort der Kurie auf die bayerischerseits unternommenen Schritte einzusehen. Mit Vertretern der bayer. politischen Parteien werde er sprechen.

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Am 14.11.1921 richtet der RK an den Nuntius Pacelli das folgende Schreiben: „Euer Exzellenz beehre ich mich im Anschluß an unsere mündlichen Besprechungen zu bitten, mir diejenigen Punkte mitteilen zu wollen, auf welche die Kurie bei Abschluß eines Reichskonkordats besonderen Wert legt. Ich werde dann sofort die Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der in Betracht kommenden deutschen Ländern aufnehmen, um die Erledigung der Angelegenheit zu beschleunigen. Indem ich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß Euer Exzellenz aus der mündlichen Unterredung den Eindruck gewonnen habe, ich werde bemüht sein, die Angelegenheit in wohlwollendem Sinne und auf das Nachdrücklichste zu fördern, zeichne ich als Euer Exzellenz ergebenster gez. Wirth“. (Abschriftlich in R 43 I /2202 , Bl. 72 f.). Bereits am 15.11.21 antwortet der apostolische Nuntius dem RK aus Berlin: „Euer Exzellenz! Bezugnehmend auf die Besprechungen vom 11. und 12. ds. und auf das sehr geschätzte Schreiben von gestern beehre ich mich der an mich gerichteten Einladung gemäß anliegend eine Zusammenstellung derjenigen Punkte zu überreichen, welche unter Vorbehalt möglicher Abänderungen und Ergänzungen die Wünsche des Heiligen Stuhles für die in Aussicht genommenen Konkordatsverhandlungen darstellen. Der weitere Gang der Verhandlungen wird Gelegenheit bieten, über die erwähnten Punkte alle erwünscht erscheinenden Aufklärungen zu geben und etwaige Abänderungs- und Ergänzungsvorschläge der Reichsregierung im Geiste der Verständigung in ernste und wohlwollende Erwägung zu ziehen. – Die besondere Wichtigkeit der Angelegenheit macht es in beiderseitigem Interesse notwendig, den Inhalt der überreichten Punktationen wie auch die gesamten Verhandlungen streng geheim zu halten.“ (Schreiben und Punktationen in R 43 I /2202 , Bl. 74; die Punktationen sind abgedruckt als Anhang Nr. 6 in Kupper, Reichskonkordatsverhandlungen 1933, S. 441).

[391] Graf Lerchenfeld bat noch darum, die heutige Besprechung als streng vertraulich zu behandeln, damit nichts in die Presse gelange, da sonst die Angelegenheit nicht zum guten Ende geführt werden könne.

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