2.219.1 (wir1p): 1. Zwangsanleihe.

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1. Zwangsanleihe1.

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Zum Projekt der Zwanganleihe siehe Dok. Nr. 205 Anm. 1, P. 1 und P. 8 der Ausführungen Wirths.

Minister Hermes teilt mit, daß über die vorgesehene Zwangsanleihe Besprechungen mit den Sachverständigen stattgefunden haben und weiter fortgesetzt werden. Dem Reichswirtschaftsrat werde der anliegende Fragebogen zur Äußerung übersandt werden2. Die in der „Vossischen Zeitung“ mehrfach[600] gegebene Darstellung über die Behandlung der Zwangsanleihe durch das Reichsfinanzministerium sei völlig falsch. Er habe mit der Deutschen Volkspartei über die technischen Einzelheiten der Zwangsanleihe gesprochen und ihr gesagt, daß schon im Kalenderjahr 1922 größere Mittel aus der Anleihe eingehen müßten3.

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Es handelt sich um eine dreiseitige, hektographierte Ausarbeitung in der zunächst dargelegt wird, wie weit das Reichsnotopfer nach dem Gesetz betr. die beschleunigte Veranlagung und Erhebung des Reichsnotopfers vom 22.12.1920 eingezogen ist (siehe dazu auch Dok. Nr. 100, Anm. 2). Die Aufzeichnung fährt dann fort: „Hierzu soll als weitere Belastung die Zwangsanleihe treten. I. Die Anleihe soll auferlegt werden in Höhe des Gegenwerts von 1 Mrd Goldmark (Beschluß der Kompromißpartei). – II. Einschätzungsgrundlage: Welches Vermögen soll den Maßstab für die Beteiligungspflicht bilden? – Soll das Notopfervermögen (Stand vom 31.12.1919) zugrundegelegt werden, obwohl die Bewertungen des Vermögens der derzeitigen Geldentwertung in keiner Weise angepaßt ist? Soll der Vermögensstand am 31.12.1922 als Maßstab genommen werden? – III. Erhebungssatz: a) Welcher Prozentsatz des Vermögens soll in Zwangsanleihe angelegt werden? Wie soll der Tarif gestaffelt werden? b) Welche Freigrenzen werden vorgeschlagen? 1. Allgemein, 2. für das reine Kapitalvermögen eine höhere Freigrenze, eventuell in Verbindung mit der Höhe des Einkommens? – IV. Wann und wie sollen die Einzahlungen erfolgen? a) Wird er Vermögensstand vom 31.12.1922 zugrunde gelegt, so kann die endgültige Festsetzung nicht vor Sommer 1923 erfolgen, denn früher kann mit der Veranlagung der Vermögenssteuer nicht gerechnet werden. In diesem Fall wären Vorauszahlungen für 1922 erforderlich. b) Wie können solche Vorauszahlungen erreicht werden? 1. durch Gewährung eines Diskonts für besonders frühe Einzahlungen? Wie hoch müßte der Diskont sein? 2. durch Zuschläge zum endgültigen Anleihebetrag, soweit Vorauszahlungen bis zu einem bestimmten Tage des Jahres 1922 noch nicht erfolgt sind? 3. Würden, wenn die Anleihe nach dem Stand vom 31.12.1922 bemessen wird, Vorauszahlungen aufgrund von Selbsteinschätzungen, die jeder im Laufe des Jahres 1922 vorzunehmen hätte, erfolgen können? 4. Könnten die Notopferveranlagungen neben der Selbsteinschätzung als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Vorauszahlungen benutzt werden? 5. Sollen zuviel gezahlte Notopferbeträge auf die Zwangsanleihe angerechnet werden können? – V. Zinsfuß und Ausgabekurs: Nach dem Beschluß der Kompromißpartei soll die Anleihe in den ersten drei Jahren unverzinslich sein. Welcher Zinsfuß käme vom 4. Jahr ab in Frage? Wie hoch soll der Ausgabekurs sein? VI. Amortisation: a) Welcher Prozentsatz jährlich? b) auf welche Weise? – VII. Lombardfähigkeit: Mit welchem Prozentsatz des Börsenkurses soll die Anleihe beliehen werden können?“ (R 43 I /2393 , Bl. 235 f.). Eine Reaktion des VRWiR in R 43 I nicht ermittelt.

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Siehe etwa den Artikel von Georg Bernhard „Die Regierung der Staatssekretäre“ (Vossische Zeitung Nr. 100 vom 28.2.22), in dem das RFMin. unter anderem deshalb kritisiert wird, weil es über seine Pläne zur Zwangsanleihe bislang Stillschweigen bewahrt habe; das geschehe nur deshalb, weil es nicht beabsichtige, die Zwangsleihe noch im Jahre 1922 zu erheben. Der Artikel unterstellt also, das RFMin. wolle die Zwangsanleihe durch einen späteren Erhebungstermin sabotieren.

Der Minister trägt darauf den Inhalt des Fragebogens im einzelnen vor.

Minister Bauer: Der wesentlichste Punkt bei den kommenden Verhandlungen würde sein, daß schon im Jahre 1922 erhebliche Beträge auf die Zwangsanleihe eingehen müßten.

Der Reichskanzler schließt sich dieser Auffassung an. Er stellt zur Erwägung, ob vielleicht neben den Finanzämtern andere Stellen mit der Vorveranlagung zu befassen seien, wie etwa die Landwirtschaftskammern, die Handelskammern, die Handwerkskammern.

Der Reichskanzler macht ferner darauf aufmerksam, daß die Unabhängige Sozialdemokratische Partei in der Frage der Zwangsanleihe zur Zeit eine Wandlung durchmache. Einige Mitglieder der USPD hielten sie für ein gefährliches Experiment.

Die Frage der Zwangsanleihe müsse unter allen Umständen bis zum Anfang der nächsten Woche geklärt werden.

Minister Hermes hat Bedenken, andere Behörden als die Finanzämter mit der Veranlagung zu befassen, sagt aber Prüfung der Frage zu.

Minister Schmidt will sich zu den Einzelheiten der Vorlage heute nicht äußern. Die Sozialdemokratische Partei halte sich an das Steuerkompromiß für gebunden. Da eine Selbsteinschätzung vorgesehen sei, so sei es vielleicht nicht nötig, die Veranlagung durch andere Körperschaften als die Finanzämter vornehmen zu lassen.

Das Kabinett ermächtigt den Reichsfinanzminister, auf der vorgetragenen Grundlage mit den Parteien zu verhandeln.

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