2.219.11 (wir1p): 11. Abkommen über die Durchführung der Sachlieferungen gemäß Anlagen II und IV des Teiles VIII des Versailler Vertrages.

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11. Abkommen über die Durchführung der Sachlieferungen gemäß Anlagen II und IV des Teiles VIII des Versailler Vertrages.

Minister Dr. Rathenau bemerkt zu dem Abkommen, das im Einzelnen vom Wiederaufbauministerium vorgetragen werden würde, daß es der Entscheidung[602] der Reparationskommission unterliege6. Für Frankreich gelte es nicht, da mit diesem das Wiesbadener Abkommen geschlossen sei, das allerdings von der Reparationskommission noch nicht genehmigt sei. In dem neuen Abkommen sei der freie Verkehr zwischen Besteller und Lieferanten zur Grundlage gemacht worden. Die festgesetzte Höhe von 1450 Millionen Goldmark7 würde keinesfalls zur Wirkung kommen, denn ein beträchtlicher Teil davon fiele auf die Kohlenlieferungen, und etwa 950 Millionen auf das Wiesbadener Abkommen. Es handele sich jetzt grundsätzlich darum, den Beweis zu erbringen, daß wir solche Sachleistungen wirklich darbieten wollten.

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Am 27.2.1922 war von Bemelmans als dem Vertreter der Repko und von Cuntze als dem Vertreter der dt. Reg. in Berlin ein Sachlieferungsabkommen paraphiert worden, das die folgenden ausdrücklichen Vorbehalte der dt. Reg. enthielt: „1. Abkommen erhält nur für diejenigen alliierten Länder Geltung, denen gegenüber Deutschland noch nicht durch andere Abkommen über die Ausführung der Anlagen II und IV zu Teil VIII des Versailler Vertrages gebunden ist. Sollte ein derartiges zurzeit bestehendes Abkommen aus irgendwelchen Gründen fortfallen, so ist Deutschland bereit, mit diesem Lande wegen der Anwendung des vorstehenden Abkommens in Verhandlung einzutreten. Bis zum Abschluß eines neuen Abkommens bleiben zwischen beiden Ländern die Bestimmungen des Versailler Vertrages in Kraft; 2. Die für das Jahr 1922 festzustellende Sachlieferungsschuld Deutschlands muß sich im Rahmen der in Cannes genannten Zahl halten, und das in Cannes vorgesehene Verhältnis von ungefähr 2:1 zwischen den auf diese Weise Frankreich und der Gesamtheit der übrigen Alliierten zuzuerkennenden Ansprüchen muß für die Dauer des Jahres 1922 anerkannt werden; 3. Die alliierten Mächte, die das vorstehende Verfahren annehmen, müssen sich mit der deutschen Regierung ins Einverständnis setzen, falls sie in Deutschland amtliche Stellen aufrecht erhalten oder schaffen wollen, die sich mit der Durchführung des vorstehenden Abkommens befassen – ohne daß hierdurch das Recht der konsularischen Vertretung beeinträchtigt wird; 4. Artikel VI sind die Worte „in dem durch dieses Abkommen geordneten Verfahren“ zu streichen.“ (R 43 I /27 , Bl. 12-18, hier: Bl. 17f; Text des endgültigen Abkommens siehe RT-Drucks. Nr. 4468, Bd. 374  und RGBl. 1922 II, S. 638  ff.).

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Diese Summe war in Cannes als Verpflichtung für die Sachlieferungen festgesetzt, davon sollten an Frankreich 950 Mio Goldmark und an die übrigen Alliierten 500 Mio Goldmark entrichtet werden (siehe Note der Repko an die dt. Reg. vom 31.3.22, RT-Drucks. Nr. 4140 , S. 161, Bd. 372).

Auf eine Frage des Reichskanzlers erklärt Staatssekretär v. Simson, daß die Regierungsparteien mit dem Grundsatz des freien Verkehrs einverstanden seien, wenn Kautelen gegen Mißbrauch getroffen würden.

Auf eine weitere Frage des Reichskanzlers über die Förderung der französischen separatistischen Bestrebungen8 erklärt Staatssekretär v. Simson, daß sich das Abkommen zunächst auf Frankreich nicht beziehe. Trete hierin später eine Änderung ein, so müsse diese Frage mit Frankreich erörtert werden.

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Aufgrund von Zeitungsnachrichten über eine eingeplante Ausdehnung des Cuntze-Bemelmans-Abkommens auf Frankreich hatte auch das PrIMin. in einem Schreiben Severings an den RK vom 21.3.22 solche Bedenken erhoben: „Diese Frage berührt ein vitales Interesse der preußischen Rheinlandpolitik; die Politisierung der rheinischen Industrie mittels industrieller Bevorzugung durch unmittelbare französische Lieferungsaufträge. Damit wird der von Frankreich geförderte rheinische Separatismus das erste wirksame Instrument erhalten, indem rheinische Industriellen (indirekt dadurch eventuell auch Arbeiter-) Kreise durch ein System der französischen Begünstigung in den Aufträgen für den Separatismus gewonnen werden können. Dazu kommt, daß hierbei auch eine Möglichkeit gewonnen wird, rheinische Separatisten mit rheinischen Industriemitteln zu finanzieren und so den finanziellen Unterstützungen der Dorten- und Smeetskreise das Odium der französischen Unterstützung zu nehmen. […] Ich darf daher bitten, bei der weiteren Behandlung der Frage der Ratifikation, insbesondere bei den Beratungen im Reichskabinett die maßgebenden Innenressorts hinzuzuziehen, um die aus den eingehenden und jahrelangen Beobachtungen der Rheinlandfrage gewonnenen Erfahrungen hierbei mit der erforderlichen Wucht zur Geltung zu bringen. Ich möchte zugleich noch hervorheben, daß bei den Wiederaufbaulieferungen eine Bevorzugung der rheinischen Industrie mit Rücksicht auf ihre bisherige Bedrückung angezeigt ist, daß aber diese Bevorzugung nicht durch französische Stellen, sondern durch deutsche Stellen geschehen muß, um sich im deutschen Sinne auszuwirken.“ (R 43 I /27 , Bl. 40 f.).

[603] Geheimrat Cuntze trägt nunmehr die Grundzüge des Abkommens vor.

Auf eine Frage des Reichskanzlers über die Behandlung von Holzlieferungen erklärt er, daß Holz nicht in den freien Verkehr komme.

Der Reichskanzler regt an, dem Abkommen heute unter Vorbehalt der Bestimmungen über Holz zuzustimmen9.

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In der Anlage A des Entwurfs wird wie in der endgültigen Fassung unter 6. Holz als zu den Artikeln gehörig genannt, die auch weiterhin nur in dem durch den Friedensvertrag vorgesehenen Verfahren bezogen werden können (R 43 I /1375 , Bl. 37-42, hier: Bl. 40).

Staatssekretär Dr. Müller bittet, heute von einer formellen Zustimmung zu dem Abkommen abzusehen und zunächst die Stellungnahme der Reparationskommission abzuwarten.

Ministerialrat Jaffé teilt mit, daß Holzlieferungen in das Abkommen nicht aufgenommen werden könnten, da die Gegner einerseits unsere Außenhandelsregelung respektieren, andererseits aber auf unsere Holzlieferungen nicht verzichten wollten.

Der Reichskanzler Er müsse noch eine Deputation von Holzinteressenten anhören. Zu dieser Besprechung würde er Vertreter der beteiligten Ressorts hinzuziehen.

Staatssekretär Dr. Müller hält die Erörterung der Frage für nötig, ob das Abkommen dem Reichsrat und Reichstag vorzulegen sei.

Auf Vorschlag des Ministers Bauer wird diese Frage zurückgestellt, da eine Stellungnahme des Kabinetts zum Abkommen selbst heute nicht erfolgen solle.

Der Reichskanzler stellt fest, daß das Kabinett von dem Abkommen Kenntnis genommen habe.

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