1.121.1 (wir2p): Reparation.

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Reparation.

Der Reichskanzler bespricht die Mitteilung der Reparationskommission, wonach der Vertreter der Deutschen Regierung gemäß Artikel 234 des Friedensvertrages von der Reparationskommission gehört werden soll1. Staatssekretär Bergmann würde jedenfalls nach Paris gehen. Zu erwägen sei, ob auch Vertreter der Reichsbank, des Wiederaufbauministeriums und des Reichskohlenkommissariats zweckmäßig nach Paris gehen würden.

1

Siehe dazu Bergmann, Reparationen, S. 181; Wortlaut des Art. 234 VV siehe Dok. Nr. 229 Anm. 8.

Minister Dr. Hermes: Staatssekretär Fischer habe telefoniert, daß die Entscheidung der Reparationskommission am Donnerstag [31. 8.] fallen würde, und daß neben den vorgesehenen Lieferungsverträgen2 noch andere Vorschläge nötig seien. Er denke sich die Sache so, daß Herr Bergmann in Paris durch private Besprechungen die Atmosphäre feststellen bzw. schaffen würde, während Staatssekretär Schroeder als Vertreter der Regierung offiziell mit der Reparationskommission verhandeln würde. Er, Hermes, sei gegen die Entsendung von Havenstein, weil sofort der Eindruck entstünde, daß wir auf den belgischen Gedanken mit garantierten Wechseln eingehen wollten3.

2

Vgl. Dok. Nr. 349 Anm. 4 und siehe Dok. Nr. 354 Anm. 2.

3

Siehe dazu Dok. Nr. 359 Anm. 2.

Ihm erscheine der belgische Vorschlag an sich diskutabel; es müsse aber erreicht werden, daß nur Schatzwechsel, keine Bankwechsel gegeben würden.

Staatssekretär Bergmann: Die D-Banken würden sich sicher weigern, die Wechsel zu indossieren, die Reichsbank desgleichen. Auch deshalb sei er gegen Havensteins Mitgehen.

Der belgische Vorschlag komme überhaupt nur dann in Frage, wenn das Moratorium nicht zustandekäme.

Staatssekretär von Simson: Man müsse seines Erachtens in Aussicht nehmen, daß auch einige Vertreter der Industrie morgen nach Paris führen.

Minister Dr. Hermes ist hiermit einverstanden.

Der Reichskanzler ist grundsätzlich gleichfalls einverstanden und bittet um weitere Ausführungen über den Gedanken der Schatzwechsel.

Minister Dr. Hermes: Zunächst müßte versucht werden, mit den Lieferungsverträgen durchzukommen. Gehe dies nicht, so müsse der Gedanke der Schatzwechsel besprochen werden. Er halte dies für nicht sehr bedenklich, da die[1058] Zahlungen für das Jahr 1923 später doch geregelt werden müßten. Man müsse zunächst Beruhigung schaffen, dann würde vielleicht im Herbst das Anleihekomitee zusammentreten.

Der Reichskanzler spricht sich grundsätzlich gegen den Gedanken der Schatzwechsel aus. Er wolle sich aber zur Zeit noch nicht endgültig entscheiden. Eine Entscheidung könne nötigenfalls Bergmann nach Paris telegraphiert werden.

Staatssekretär Bergmann: Auf bloße Schatzwechsel werde sich Belgien nicht einlassen.

Staatssekretär von Simson: Der Gedanke der Schatzwechsel sollte seines Erachtens vor der Mittwoch-Sitzung [30. 8] gar nicht erwähnt werden. Er halte es für ausgeschlossen, daß Belgien sich mit unsicheren Wechseln zufrieden gäbe. In der französischen Presse würde bereits von neuem der Gedanke des Reichsbank-Goldes diskutiert.

Minister Dr. Hermes: Wir müßten vermeiden, daß wir ein Moratorium mit unannehmbaren Bedingungen bekämen.

Minister Dr. Köster: Weshalb glaubt Minister Hermes, daß durch nicht garantierte Schatzwechsel der Bruch vermieden werden kann?

Minister Fehr unterstreicht diese Frage und weist auf die Notwendigkeit hin, auch Holzsachverständige nach Paris zu entsenden.

Staatssekretär Bergmann: Die Dinge lägen nicht so, daß Deutschland Schatzwechsel anbiete, sondern wir wüßten von den Belgiern, daß ein Moratorium ohne Verpfändung von Gruben und Forsten unmöglich sei. Da dies wiederum für uns unmöglich sei, regten die Belgier ein Sonderarrangement zwischen ihnen und uns an. Er werde zweifellos in der Wechselfrage bestürmt werden.

Der Reichskanzler Dann müsse Bergmann erwidern, daß die Reichsbank und die D-Banken für eine Garantie der Wechsel nicht zu haben wären. Er dürfe jedoch nicht sagen, daß das Reich solche Wechsel ausstellen würde.

Minister Hermes: Er halte es für wohl möglich, daß die Belgier auf die garantierten Wechsel nicht eingehen würden, aber wir hätten dann wenigstens alles getan. Der Zweck des Ganzen sei doch, die Belgier von der französischen Seite fortzuziehen.

Der Reichskanzler Er glaube, es sei besser, das ganze Problem jetzt nicht zu verkleistern, sondern es der Entscheidung der leitenden Staatsmänner zuzuführen.

Minister Dr. Hermes: Er habe für diesen Gedanken das vollste Verständnis, könne sich aber nicht dafür aussprechen. Wenn Bergmann die Diskussion so, wie der Reichskanzler sie geschildert habe, für möglich halte, so sei er damit durchaus einverstanden.

Es sei nötig, morgen auch mit den Industriellen über den belgischen Vorschlag zu sprechen; denn Stinnes würde vielleicht seine Bereitwilligkeitserklärung zurücknehmen, wenn er höre, daß neben den Lieferungsverträgen noch weitere Sicherungen verlangt würden4.

4

Siehe Dok. Nr. 360.

[1059] Der Reichskanzler hat Bedenken, hierüber schon jetzt mit weiteren Kreisen zu sprechen.

Minister Schmidt teilt diese Bedenken.

Minister Dr. Hermes: Soeben telefoniere Staatssekretär Fischer aus Paris, daß der belgische Vorschlag im Vordergrund der Diskussion stände.

Staatssekretär Bergmann: Bei der ganzen Situation wäre es das richtigste, wenn er bäte, ihn von seinem Auftrag zu entbinden, denn über die Lieferungsverträge habe nicht er zu reden, und über die Wechsel solle er nicht sprechen. Tue er das letztere nicht, so sei seine Mission schon jetzt als verfehlt anzusehen. Jedenfalls bäte er dringend, ihn bis morgen mittag telegraphisch zu instruieren. Er müsse feststellen, daß er ohne einen klaren Auftrag nach Paris fahre.

Hierauf wird die Besprechung geschlossen.

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