1.25.1 (wir2p): [Bericht über die Verhandlungen des Ministers Hermes in Genua]

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[Bericht über die Verhandlungen des Ministers Hermes in Genua2]

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Dieser Berichterstattung war ein Telegrammwechsel vorausgegangen: zunächst hatte Wever am 1.5.22 StS Hemmer wie folgt informiert: „Parteiführerbesprechung von Deutschnationalen bis Unabhängigen Mittwoch abend 6 Uhr Reichskanzlei. Thema nur Bericht über die Finanzfragen in Genua. Wegen der übrigen Dinge wird Reichskanzler und Reichsaußenminister nicht vorgegriffen. Auch Reichsrat hat durch von Preger um Information gebeten. Werde versuchen, das abzubiegen, da lediglich Bericht über Finanzfragen Reichsrat kaum interessieren kann.“ (R 43 I /2452 , Bl. 11). Der RK reagierte darauf mit zwei Telegrammen, dem folgenden vom 2.5.22 an den RPräs. persönlich: „Heute stattfindender Besprechung mit Parteiführern sehe nicht ohne Besorgnis entgegen. Begrüße jedoch die beabsichtigte Abgrenzung des Informationsstoffes auf das rein Finanzielle. Möchte nicht verfehlen, noch einmal zu betonen, daß nach Auffassung hiesiger Delegationsmitglieder Rapallovertrag auf materielle Reparationslage nicht abträglich gewirkt hat, obwohl Stimmung anfänglich diesen Anschein hatte. Annehme, daß Telegramm an Minister Hermes betreffend seine Reise nach Paris [vgl. Dok. Nr. 259 Anm. 8] dort bekannt ist.“ (R 43 I /471 , Bl. 78). Das zweite Telegramm vom 2. 5. enthielt eine Anweisung des RK an Wever persönlich, über den Verlauf und das Ergebnis der Parteiführerbesprechung sofort „genauesten Bericht durch Fernschreiber“ nach Genua zu geben (R 43 I /471 , Bl. 59). Die Haltung Hermes’ in der Frage der Berichterstattung über Genua geht aus dem Bericht Wevers an StS Hemmer vom 1.5.22 wie folgt hervor: „Ich kann mitteilen, daß Herr H. nur sehr ungern sich überhaupt dem Wunsch der Parteiführer bzw. des Ältestenrats gestreckt hat und seinen Bericht lediglich auf die Finanzfrage beschränken will. Er ist heute etwa eine Stunde beim Vizekanzler gewesen, um – soviel ich gehört habe – die Sache abzubiegen. Aber es ist verständlich, daß schließlich die Herren Abgeordneten mal auch, und wenn auch nur auf diesem beschränkten Gebiet, etwas von einem hören, der dabei gewesen ist. Ich kann Sie jedenfalls versichern, daß wir gemeinschaftlich alles versucht haben, diesen Kelch an uns vorübergehen zu lassen. Wie ich mir aber in meinem gestrigen Bericht zu bemerken erlaubte, glaube ich nicht, daß Komplikationen daraus entstehen werden.“ (R 43 I /471 , Bl. 81 f.).

Minister Dr. Hermes erstattet Bericht über die Behandlung und Erledigung der Finanzfragen in Genua, wobei er insbesondere auf die Arbeiten der Finanzunterkommissionen[751] für Währungsfragen, Wechselkurse und Kreditfragen eingeht. Die Arbeiten der Finanzkommission seien im ganzen glatt verlaufen, und auch der Abschluß des Rapallo-Vertrages habe die Atmosphäre nur vorübergehend belastet, die sich aber bald wieder geklärt hätte, so daß kein Bodensatz zurückgeblieben sei.

Abgeordneter Müller-Franken wirft die Frage auf, ob die Parteiführer in absehbarer Zeit über die in Genua behandelten politischen Fragen etwas hören werden. Falls sich solche Mitteilungen noch lange hinzögern würden, so würde der Reichstag doch wohl früher tagen müssen, wobei er voraussetze, daß im Plenum über Genua nur in Anwesenheit der Reichsregierung verhandelt werden könnte3.

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Zur Frage der Einberufung des RT siehe Dok. Nr. 258.

Die Tätigkeit der Finanzkommission sei anerkennenswert. Er bäte nun um Auskunft, wie die Reparations- und Anleiheverhandlungen ständen. Er begrüßt es weiter, daß der Abschluß des Rapallo-Vertrages nach den Worten des Minister Hermes keinen Bodensatz zurückgelassen habe.

Minister Dr. Hermes: Auf die Frage des Abgeordneten Müller erwidere er, daß der Anleiheausschuß der Reparationskommission voraussichtlich am 23. Mai in Paris tagen werde. Den Vorsitz führe Delacroix, Mitglieder seien u. a. Bergmann, Vissering und Pierpont-Morgan.

Er sowohl wie Bergmann hätten in Genua mit Delacroix über die Anleihefrage gesprochen und dabei den Eindruck gewonnen, daß Delacroix dieser Frage die größte Bedeutung beimesse und ein praktisches Resultat erzielen wolle. Er, Minister Hermes, sei der Ansicht, daß vorher bereits durch Fühlungnahme mit der Reparationskommission der Boden für die Anleiheverhandlungen vorbereitet werden müsse. Er sei der Meinung, daß Deutschland etwa 4 Jahre Atempause brauche, damit eine internationale Anleihe überhaupt ermöglicht[752] werde. Dies sei auch die Ansicht einiger alliierter Staaten. Die Vorarbeiten für die Verhandlungen seien im Gange.

Abgeordneter Müller-Franken bittet um Auskunft, ob es in Genua möglich gewesen wäre, mit Amerika Fühlung zu nehmen.

Minister Dr. Hermes: Dies sei leider nicht möglich gewesen. Wir würden erst in Paris sehen, welche Haltung Amerika einzunehmen gedenke.

Abgeordneter Hergt wünscht zu wissen, ob bei den unverbindlichen Unterredungen über eine internationale Anleihe etwa für uns gefährliche Garantien verlangt worden seien.

Er weist weiter darauf hin, daß nach einem Artikel von Keynes im „Berliner Tageblatt“ englische und amerikanische Kreise anscheinend auf eine Endlösung des Reparationsproblems hinauswollten, während Deutschland einer endgültigen Lösung noch nicht zustimme. Er bitte um Auskunft, ob diese Ansicht zutreffe.

Minister Dr. Hermes: Die Garantien für eine Anleihe seien in keiner Weise detailliert erörtert worden.

Was die Ansicht von Keynes anlange, so sei seines Erachtens der Standpunkt von Sir Robert Horne, der in der Tat auf eine baldige Lösung hinauswolle, zur Zeit nicht haltbar. Hornes Projekt gehe im großen und ganzen etwa dahin, von der gesamten deutschen Reparationsschuld 65 Milliarden, die etwa dem Betrage der interalliierten Schulden entsprächen, vorläufig beiseite zu stellen, nicht etwa gleich zu streichen. Es blieben dann nach Horne immer noch 45 Milliarden übrig, die von uns verzinst und getilgt werden müßten, was aber für uns nicht tragbar sei.

Es sei ferner zu berücksichtigen, daß es bei der Stimmung in Frankreich ausgeschlossen sei, schon heute zu einer vollen Lösung der Frage zu kommen. Seydoux arbeite auf eine Teillösung hin.

Wenn wir zunächst eine Atempause und eine internationale Anleihe in entsprechendem Betrage bekämen, so sei dies zunächst als zufriedenstellend zu betrachten.

Abgeordneter Marx spricht seine Befriedigung aus, daß es endlich zu direkten Verhandlungen und einer persönlichen Fühlungnahme mit den leitenden Staatsmännern des Auslandes gekommen sei. Er spricht der deutschen Delegation und dem Minister Dr. Hermes seinen Dank für ihre Tätigkeit aus.

Im einzelnen wünsche er Auskunft über folgende Fragen:

1.

Wird die Konferenz von Genua noch über diese Woche hinaus dauern?

2.

Er sehe den Maßnahmen der Reparationskommission mit Sorge entgegen. Liege eine Möglichkeit vor, alsbald mit ihr zu verhandeln?4

3.

Sei in den steuerlichen und finanziellen Fragen mit Sanktionen gedroht worden?

4

Eine dt. Antwort auf die Note der Repko vom 13.4.22 stand noch aus (siehe Dok. Nr. 246 Anm. 4).

Minister Dr. Hermes: Über die erste Frage wisse er nichts.

Zu 2: Die Möglichkeit zu alsbaldigen Verhandlungen mit der Reparationskommission[753] sei durchaus gegeben. Die Vorbereitungen dazu seien im Gange. Er glaube, daß diese Verhandlungen schwierig sein würden.

Zu 3: Die Sanktionen seien nicht erörtert worden.

Abgeordneter Riesser: Den Gewinn Genuas sehe er in der erfolgten persönlichen Fühlungsnahme. Diese sei von der Finanzkommission geschickt und taktvoll ausgenutzt worden. Die Beschlüsse der Finanzkommission seien annehmbar5.

5

Entschließungen der Kommission für Finanzfragen siehe Material über die Konferenz von Genua (RT-Drucks. Nr. 4378 , S. 70 ff., Bd. 373).

Was die Verhandlungen mit der Reparationskommission anlange, so sei eine Atempause an sich nicht genügend, aber zur Zeit müßten wir wohl hiervon ausgehen. Man dürfe nicht übersehen, daß die uns durch die Noten vom 21. März 1922 gewährten Stundungen verzinslich seien6.

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Zu den Noten vom 21.3.22 siehe Dok. Nr. 229 Anm. 2.

Er erwarte, daß bei den Verhandlungen daran festgehalten würde, daß keinerlei Einmischung in unsere Gesetzgebungs-, Finanz- und Verordnungshoheit gestattet werden könne. Hier gäbe es kein Zurück.

Besorgt sei er über die Treuga-dei-Verhandlungen7. Er fürchte, daß darin das Recht zu Sanktionen ausdrücklich aufrecht erhalten und womöglich eine neue Anerkennung des Versailler Vertrages verlangt werden würde.

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Der Treuga-dei-Gedanke Lloyd Georges ist in einem Telegramm Wirths vom 27. 4. für den RPräs. persönlich wie folgt erläutert: „Neuer Teil der Konferenz scheint mit der Treuga-dei-Idee Lloyd Georges begonnen zu haben. Lloyd Georges Absicht geht, soweit wir unterrichtet sind, dahin, die Signatarmächte des Versailler Vertrags in Genua zu veranlassen, sich gegenseitig nicht anzugreifen und im Falle eins doch erfolgenden Konfliktes mit friedlichen Mitteln gemeinsam hinzuwirken. Auf wie lange diese Treuga-dei befristet werden soll, steht noch dahin. Es scheint nicht die Absicht zu bestehen, den Plan hier in Genua zum definitiven Beschluß einer Vereinbarung zu erheben, sondern es wird wohl darauf hinauskommen, daß beschlossen wird, das Projekt den Regierungen, die den Versailler Vertrag unterzeichnet haben, zur Annahme zu empfehlen. Wir sind bisher mit der Sache nicht befaßt worden. Bei der großen positiven Bedeutung, die sie für Deutschland haben kann (Sanktionen, Reparationsfrage), haben wir geglaubt, der gesamten Presse, auch der des Auslandes sagen zu sollen, daß hinter einem Plan, der dem wirklichen Frieden der Welt dient auf der Grundlage einer wahren Gerechtigkeit und gleichmäßigen Verpflichtung und Berechtigung aller Nationen, auch Deutschland stehen wird. Wir wollen mit dieser grundsätzlichen Erklärung der Zustimmung den etwa erfolgenden Vorwürfen Frankreichs, Deutschland wolle keine Friedenssicherung, vorbeugen, die sicher kommen werden, wenn es sich darum handeln wird, die Implizierung der Sanktionsfrage zu hintertreiben. Taktik ist also die: Sympathieerklärung, bevor Einzelheiten bekannt und diskutiert werden, um dann bei uns enttäuschenden Details um so nachhaltiger unsere Interessen wahren zu können.“ (R 43 I /471 , Bl. 56 f.). Die DAZ brachte eine Notiz über den Treuga-dei-Gedanken Lloyd Georges mit dem Hinweis, daß bei Verhandlungen darüber, von denen Deutschland nicht einmal informiert gewesen ist, Frankreich und die kleine Entente sich gegen den Gedanken gestellt hätten. (DAZ Nr. 198 vom 28.4.22).

Minister Dr. Hermes: Zu den letzten Äußerungen des Abgeordneten Riesser könne er sich nicht äußern.

Zu der Frage der Souveränität bemerke er, daß sie entsprechend der grundsätzlichen Auffassung der Reichsregierung geregelt werden müsse. Um eine gewisse Kontrolle würden wir freilich nicht herumkommen, aber ihr Maß und ihre Form müßten mit unserer Souveränität verträglich sein.

Abgeordneter Moses stellt die Frage, wie der Rapallo-Vertrag auf die Finanzverhandlungen gewirkt habe.

[754] Minister Dr. Hermes: Er habe hierzu bereits ausgeführt, daß zunächst eine Belastung der Atmosphäre eingetreten sei, die dann aber wieder erleichtert worden wäre.

Abgeordneter Becker (Hessen): Minister Dr. Hermes habe erklärt, daß der Rapallo-Vertrag bei den Finanzsachverständigen keinen Bodensatz zurückgelassen hätte. Er spräche die Hoffnung aus, daß ein solcher auch bei anderen Delegierten und Sachverständigen nicht zurückgeblieben sei.

Die Ausführungen des Ministers hätten das aus der Presse gewonnene Bild vervollständigt. Abschließend könne man aber erst urteilen, wenn die Protokolle der Finanzverhandlungen vorlägen. Der heutige Gesamteindruck sei jedenfalls erfreulich.

Die bevorstehenden Anleiheverhandlungen seien von äußerster Bedeutung, denn hier handele es sich um die praktische Auswirkung der theoretischen Verhandlungen in Genua. Er hoffe, daß die Geneigtheit Delacroix’ für eine Anleihe nicht etwa durch das belgische Markabkommen8 erkauft worden sei.

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Zum belgischen Markabkommen siehe Dok. Nr. 87, Anm. 13–15 und Dok. Nr. 180 P. 1.

Fraglich sei ihm, ob, wenn England eine Gesamtregelung wolle, wir uns auf den Standpunkt stellen könnten, diese sei noch verfrüht. Von einer solchen Haltung befürchte er eine Verschlechterung der englischen Stimmung.

Zur Anleihefrage müsse er noch folgende Bemerkungen machen:

Wenn wir eine Anleihe in so hohem Betrage bekämen, wie die Diktatleistungen der nächsten 4 Jahre betrügen, so läge hierin keine Erleichterung, denn wir müßten sie verzinsen und tilgen. Mindestens würde nach Ablauf der 4 Jahre hierdurch eine Mehrbelastung gegenüber dem jetzigen Zustand sich ergeben.

Es sei ferner zu befürchten, daß, wenn wir nach Ablauf der 4 Jahre wirtschaftlich leistungsfähiger wären als jetzt, uns dann noch größere Leistungen auferlegt werden könnten.

Es müsse verlangt werden, daß die Anleihe bestimmte Grenzen nicht überschreite, um keine zu hohe Jahresbelastung zu bewirken. Unter die Anleihe setzten wir freiwillig unseren Namen. Höhe und Bedingungen der Anleihe seien also entscheidend. Wichtig seien hier vor allen Dingen auch unsere Bedingungen. Wir müßten dabei eine Erleichterung in der Besatzung erreichen, und zwar nicht nur in der Sanktionsbesatzung von Düsseldorf und Duisburg-Ruhrort. Man dürfte nicht unterschätzen, daß bei gewissen Kreisen die Besatzung die Separationsbestrebungen fördere.

Endlich spräche er die Erwartung aus, daß ein Anleihevertrag nicht ohne Mitwirkung des Reichstags abgeschlossen würde.

Vizekanzler Bauer: Die Anleihefrage sei noch in keiner Weise spruchreif. Vor endgültigen Abmachungen würde der Minister Dr. Hermes sich natürlich mit den Parteiführern in Verbindung setzen. Er bitte daher, die Anleihefrage heute nicht zu vertiefen.

Minister Dr. Hermes schließt sich diesen Ausführungen des Vizekanzlers an. Es sei im übrigen selbstverständlich, daß Delacroix nicht selbstlos an diese[755] Frage herangehe. Es sei wohl möglich, daß die Anleihefrage in einem Gesamtkomplex von Fragen auf eine breite Basis komme. Vor entscheidenden Abmachungen würde mit den Parteiführern eingehend gesprochen werden.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Becker (Hessen) über den englischen Plan der Reparationsregelung bemerke er folgendes:

Wenn wir auch aus den erwähnten Gründen die Auffassung Horne’s nicht teilten, so würde dadurch die Frage des taktischen Vorgehens in keiner Weise präjudiziert. Selbstverständlich würden wir jede taktische Möglichkeit ausnutzen, daher auch den Horne’schen Plan nicht einfach ausschalten.

Was die Höhe der Anleihe anlange, so hätte man an etwa 3 bis 4 Milliarden gedacht.

Abgeordneter Becker (Hessen) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß in Paris nichts Endgültiges entschieden werden solle, was nicht die Parteiführer vorher gehört hätten.

Auf eine Frage des Abgeordneten Müller-Franken erwiderte Vizekanzler Bauer, daß die Sitzung des Ältestenrats des Reichstags voraussichtlich am Sonnabend den 6. Mai stattfinden könne9.

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Wever faßte die Sitzung in einem Telegramm für den RK vom 3.5.1922 wie folgt zusammen: „Hermes berichtet zunächst dem Kabinett über Arbeiten Finanzkommissionen und Ergebnisse, insbesondere über Währungsfragen, Wechselkurse und Kredite. Politische Fragen wurden nicht berührt. Kabinett nahm Kenntnis. Demnächst Hermes gleichen Vortrag vor Parteiführern. […] Hermes erwähnt, daß Rapallo-Vertrag bei Mitgliedern der Finanzkommissionen keine Verstimmung zurückgelassen hätte, Atmosphäre sei nur vorübergehend belastet worden. Er vorhebt, daß nunmehr wichtige Verhandlungen mit Reparationskommission zu führen seien. Vier Jahre Atempause sei nötig, um internationale Anleihe zu ermöglichen. Marx befriedigt und dankt Delegation und Hermes. Riesser begrüßt Tätigkeit Finanzkommissionen, bei Verhandlungen mit Reparationskommission müsse Souveränität wie in unserer Note aufrecht erhalten werden. Riessers Versuch, über zehnjährigen Pakt zu sprechen, wurde von Hermes abgebogen. Müller, Hergt und Moses keine wesentlichen Ausführungen. Demokraten äußerten sich gar nicht. Becker-Hessen erklärte Gesamteindruck heute für erfreulich und hoffte, daß durch Vertrag auch bei andern Kommissionen keine Verstimmung zurückgeblieben sei. Abschließendes Urteil sei erst bei Vorliegen der Protokolle möglich. Äußerte Wünsche für Anleiheverhandlungen in Paris. Protokoll wird morgen übersandt. Ältestenrat erst Sonnabend wegen weiterer Disposition über Reichstagsbeginn. Erbitte rechtzeitige Instruktion.“ (R 43 I /2452 , Bl. 40). Ausführlicher äußert sich Wever in seinem Bericht vom 4.5.22 an StS Hemmer: „Die Besprechung wurde von dem Vizekanzler damit eröffnet, daß er sagte, die Herren hätten den Wunsch geäußert, einen Bericht über Genua zu erhalten. Der Herr Minister Hermes wäre bereit, soweit sein Fachressort in Frage komme, über die zur Verhandlung gekommenen Finanzfragen zu berichten. Minister Hermes teilte dann mit, daß er seine Aufgabe darin sehe, einen Bericht über die Behandlung und Erledigung der Finanzfragen der Genueser Konferenz zu erstatten. Selbstverständlich müsse er es sich versagen, die politischen Fragen zu beurteilen. Die Aufnahme der deutschen Delegation in Genua wäre die denkbar beste gewesen, die Arbeit in der Kommission und der ganze Apparat hätten geklappt. Er hätte es auf finanziellem Gebiet als Aufgabe betrachtet, daß man nicht sofort zu praktischen Ergebnissen kommen könne, sondern daß wir eine Atmosphäre schüfen und einen Kontakt mit den anderen Ländern herstellten, um der Lösung der Reparationsfrage näher zu kommen. Die Frage als solche sei ausgeschaltet gewesen. Man habe sich daher darauf beschränkt, in den Kommissionen Boden zu gewinnen und (in den Pausen und bei den Tees) (diesen Zusatz nur im Kabinett gemacht) Fragen zu berühren, die mit der Reparation zusammenhingen, ohne die Reparationsfrage selbst zu berühren. Hiernach machte er von der Einteilung der Finanzkommission Mitteilung und erstattete sodann den Bericht über die wesentlichsten Punkte des Londoner Memorandums usw., indem er auch die wichtigsten Sätze und Amendements vorlas, wobei er die Bedeutung der einzelnen Punkte gerade für die Verhandlungen mit der Reparationskommission betonte. Das weitere ist von Herrn Kempner ausführlich mitgeteilt. Zusammenfassend kann ich nur hervorheben, daß die Aussprache vollständig friedlich verlief und daß über die Grenze des gesetzten Themas nicht hinausgegangen worden ist.“ (R 43 I /471 , Bl. 90 f.). Vgl. dazu auch den Bericht Hermes vor dem Kabinett (Dok. Nr. 259, P. 5).

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