1.198 (mu22p): Nr. 454 Der Reichsminister der Finanzen an Staatssekretär Pünder. 25. Februar 1930

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Nr. 454
Der Reichsminister der Finanzen an Staatssekretär Pünder. 25. Februar 1930

R 43 I /880 , Bl. 341-346, hier: Bl. 341-346 Umdruck

Betrifft: Haushalt 1930.

Nachstehend beehre ich mich die Deckungsvorschläge zum Haushalt 1930 zu übersenden. 25 Abdrucke sind beigefügt.

I.

Gegenüber der Vorlage an das Kabinett vom 17. Februar 1930 – A 1301 – haben sich in der Zwischenzeit eine Reihe von Veränderungen vollzogen1. Bei den nachstehenden Deckungsvorschlägen sind diese Veränderungen berücksichtigt. Es sind ferner die Pläne über die Beschaffung der Beträge, die im Jahre 1930 für die Arbeitslosenversicherung benötigt werden, in einer Reihe von Verhandlungen weiter gefördert worden, so daß angenommen werden kann, daß diese Ausgaben in den Etat nicht eingestellt zu werden brauchen.

1

Siehe Dok. Nr. 447.

Im Folgenden sind zunächst die Vorschläge für die Frage der Arbeitslosenversicherung wiedergegeben (II).

Ferner eine Übersicht der Veränderungen, die sich im Etat gegenüber der Kabinettsvorlage vom 17. Februar 1930 als notwendig erwiesen haben, und der Vorschläge für ihre Deckung (III).

Des weiteren sind die Erwägungen, die bei der Gestaltung dieser Deckungsvorlage maßgebend gewesen sind, aufgeführt (IV und V).

II.

Die Vorschüsse an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung belasten den Etat für 1930, wenn der heutige Rechtszustand bleibt, mit 250 Millionen Mark. Dieser Betrag ist aus Haushaltsmitteln nicht aufzubringen; es wird daher vorgeschlagen, daß durch eine Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Vorschuß, den das Reich im Etatjahr 1930 zu leisten hat, auf höchstens 150 Millionen Mark, für das Etatjahr 1931 auf höchstens 100 Millionen Mark zu bemessen ist. Diese Mittel werden dadurch aufgebracht, daß das Reich Reichsbahnvorzugsaktien in der genannten Höhe an die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und Invalidenversicherungsanstalten verkauft und sich die Möglichkeit eines Rückkaufs durch Vorbehalt eines Rückkaufsrechts sichert. Spätestens im[1496] Laufe von zehn Jahren ist der verkaufte Betrag wieder für die Reichskasse zurückzuerwerben. Entsprechende Tilgungsbeträge sind demnach in den Etat der nächsten Jahre einzusetzen. Die Verhandlungen mit der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und dem Verband der Landesversicherungsanstalten sind soweit vorgeschritten, daß der Verkauf für das Etatsjahr 1930 gesichert erscheint. Da bei Fortdauer der wirtschaftlichen Depression mit einem größeren Fehlbetrag der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als 150 Millionen Mark gerechnet werden muß, soll der Vorstand der Reichsanstalt die Ermächtigung erhalten, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um einschließlich des Vorschusses des Reichs in Höhe von 150 Millionen Mark Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Er soll zu diesem Zweck auch das Recht haben, Beiträge zu erhöhen, Ersparnisse in der Verwaltung herbeizuführen oder die Leistungen anderweit festzusetzen. Solche Beschlüsse kommen nur gültig zustande, wenn sowohl die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber im Vorstand in der Mehrheit zustimmen. Da es sich um eine Angelegenheit der Versicherung handelt, kommt das Stimmrecht der Vertreter der öffentlichen Körperschaften nicht in Frage. Sollte der Vorstand der Reichsanstalt nicht rechtzeitig einen entsprechenden Beschluß fassen, so hat die Reichsregierung das Recht ihrerseits die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, also die Beiträge zu erhöhen oder die Leistungen anderweit festzusetzen.

Wenn für das Etatsjahr 1931 der Vorschuß des Reichs geringer bemessen ist, so geschieht das deshalb, weil mit der Sanierung der Kassenlage, mit der im Jahre 1931 beginnenden Steuersenkung mit dem stärkeren Hereinströmen ausländischer Gelder bereits im Jahre 1931 eine Belebung der Wirtschaft spätestens von 1931 an zu erwarten ist. Andererseits wirkt sich ab 1931 bereits der Geburtenrückgang des Krieges aus.

III.

Nach der Vorlage an das Reichskabinett vom 17. Februar 1930 ergab sich ein Fehlbetrag im ordentlichen Haushalt von 376 Millionen. Dieser Betrag hat sich durch die in der Kabinettsitzung am 17. Februar und in den folgenden Chefbesprechungen gefaßten Beschlüsse erhöht2:

2

Siehe Dok. Nr. 449, P. 3. Chefbesprechungen fanden am 22. 2. zum Etat des RArbMin. und am 25. 2. zum Etat des RIMin. statt (R 43 I /880 , Bl. 328, 338-340, hier: Bl. 328, 338-340).

1.

für Kriegsbeschädigtenrenten

um

10 Mio

2.

für Familienwochenhilfe

um

10 Mio

3.

für verschiedene Ausgaben beim R.Arb.Min.

um

2 Mio

4

für die Reichswehr

um

16 Mio

5.

für Grenzprogramme

um

2 Mio

6.

für die Saargänger

um

3 Mio

7.

für die Emelka

um

5 Mio

8.

für verschiedene Ausgaben beim Reichsministerium des Innern und der Reichskanzlei um rund

1 Mio

zusammen

49 Mio

[1497] Das Steuerrisiko von 45 Millionen war mit 25 Millionen auf das Spiritusmonopol, mit 20 Millionen auf die Besitz- und Verkehrssteuern aufgeteilt. Nach der neuesten Schätzung für die Umsatzsteuer muß mit einem Weniger-Aufkommen von 50 Millionen für 1930 gerechnet werden. Hiervon entfallen 35 Millionen auf das Reich, 15 Millionen auf die Länder. Der Steuerausfall für das Reich erhöht sich also auf 60 Millionen, mithin um 15 Millionen.

Da es zweifelhaft ist, ob der Plan, die produktive Erwerbslosenfürsorge aus dem Etat herauszunehmen, sich verwirklichen läßt, muß zunächst damit gerechnet werden, daß der in den Haushalt eingestellte Posten auf der Einnahme- wie auf der Ausgabeseite bestehen bleibt. Dadurch ergibt sich eine weitere Verschlechterung um 24 Millionen.

Der Fehlbetrag erhöht sich demnach auf insgesamt 464 Millionen. Er wird sich auf Grund einer mit der Reichsbank zu treffenden Vereinbarung über eine langsamere Tilgung der Schuld des Reiches bei der Reichsbank um rund 5 Millionen auf 459 Millionen senken lassen.

Ich schlage vor, den Fehlbetrag des Jahres 1928 mit 154 Millionen nicht, wie bisher vorgesehen, neben den 450 Millionen Schuldentilgung als Ausgabe auszubringen, sondern in die 450 Millionen einzubeziehen. Es bleibt dann ein durch Steuererhöhungen zu deckender Fehlbetrag von 305 Millionen.

Ich bitte folgendem Deckungsplan zuzustimmen:

Aufkommen

davon Reich

Länder

Erhöhung der Biersteuer um 75%

240

150

90

Erhöhung des Kaffee- und Teezolls (vom Kabinett bereits beschlossen)3

50

50

Benzinzoll

65

25

40

Mineralwassersteuer

40

40

Kürzung der Fälligkeitstermine bei verschiedenen Steuern

30

30

Verzicht auf die Herabsetzung der Industriebelastung

50

50

Summe

475

305

170

3

Siehe Dok. Nr. 451, P. 2.

IV.

Der Grundgedanke der Haushaltsaufstellung für das Jahr 1930 besteht darin, eine weitgehende Sanierung der Verhältnisse von Reich, Ländern und Gemeinden herbeizuführen und damit ein tragfähiges Fundament für eine Finanzreform zu schaffen, die sich in der Richtung der im Dezember 1929 dem Reichstag gemachten Vorschläge bewegt. Da eine Ausgabensenkung nennenswerten Umfangs nur durch Änderung einer größeren Reihe von bestehenden Gesetzen möglich ist und notgedrungen zu schweren und langwierigen politischen Auseinandersetzungen führt, mußte für den vorliegenden Haushalt noch auf eine solche[1498] verzichtet werden. Eine solche Ausgabensenkung kann auf einer Reihe von Gebieten nur durchgeführt werden, wenn gleichzeitig auch auf anderen Gebieten Ausgabensenkungen erfolgen, so daß kein Teil der Bevölkerung mit Recht die Auffassung vertreten kann, daß gerade ihm besondere Opfer angesonnen werden. Eine wirklich zu Buch schlagende Ausgabensenkung darf sich auch nicht auf den Etat eines Jahres beschränken, sondern muß in systematischer Weise für einen sich über eine Reihe von Jahren erstreckenden Zeitraum einen allmählichen Abbau von Ausgaben vorsehen. Aus diesen beiden Voraussetzungen ergibt sich, daß zu ihrer Verwirklichung eine längere Zeit nötig ist, als vor der Einbringung des Haushalts 1930 zur Verfügung gestanden hat. Ich beabsichtige aber, noch vor der Verabschiedung des Haushalts 1930 dem Kabinett und den gesetzgebenden Körperschaften ein Ausgabesenkungsgesetz zuzuleiten, das sowohl für das Reich wie für die Länder und Gemeinden eine Herabsetzung des öffentlichen Aufwandes vorsieht. Die Vorarbeiten an diesem Gesetz sind bereits erheblich vorgeschritten.

Für das Jahr 1930 mußte sich der Reichsfinanzminister mit denjenigen Abstrichen begnügen, die sich ohne wesentliche Veränderung der geltenden Gesetzgebung als durchführbar erwiesen haben. Der sich nach diesen Abstrichen ergebende Fehlbetrag beträgt 305 Millionen. In den Etats der Länder für 1930 liegen nach vorläufigen Schätzungen über 200 Millionen Mark. Es ist dabei nicht in Rechnung gestellt, daß sich diese Fehlbeträge noch insofern erhöhen, als die Vorschätzungen der Überweisungen an die Länder für das Jahr 1930 hinter denen des Haupthaushalts für 1929, auf Grund dessen die Länderetats für 1930 aufgestellt wurden, um einen Betrag zurückweichen, der im Saldo etwa 38,1 Millionen beträgt. Dieser Rückgang liegt in der Beeinflussung der Überweisungssteuern durch die zur Zeit noch sinkende Konjunktur. Es kann den Ländern zugemutet werden, daß sie ihren Anteil an den Rückgang dieser Konjunktur selbst tragen und durch Ersparnisse auszugleichen suchen. Auch im übrigen ist es nicht Aufgabe des Reichs, Defizitbeträge in den Haushalten der Länder voll durch Mehrüberweisungen zu decken. Wohl aber hat das Reich in einem gewissen Umfang den Ländern die Mittel zur Verfügung zu stellen, um die schwersten Fehlbeträge zu vermeiden und ihrerseits den Gemeinden, die durch die Entwicklung der Wirtschaftslage in ihren Wohlfahrtsetats zum Teil mit beträchtlichen Erhöhungen rechnen müssen, zu Hilfe zu kommen. Zu diesem Zwecke soll vom Reich der oben ausgeworfene Betrag von 170 Millionen Reichsmark in dem neuen Finanzausgleich den Ländern überwiesen werden mit der Auflage, daß der etwa ¼ des Gesamtbetrages ausmachende Ertrag der Mineralwassersteuer zur Erleichterung der Lage der durch soziale Maßnahmen besonders beschwerten Gemeinden zu verwenden ist.

Es ist in Aussicht genommen, daß die zu überweisenden Beträge aus der Biersteuer und aus der Mineralwassersteuer nach dem örtlichen Aufkommen, der Betrag aus dem Benzinzoll nach dem Schlüssel der Kraftfahrzeugsteuer unter die Länder zu verteilen sind. Vorläufige Berechnungen ergeben, daß hiermit den dringendsten Bedürfnissen der wesentlichen in Betracht kommenden Ländern Genüge getan sein wird.

[1499] V.

Das Finanzprogramm vom Dezember 1929 ging davon aus, die Mittel für die Senkung der Steuern aus einer stärkeren Belastung der entbehrlichen Genußmittel zu gewinnen4. Der Haushaltsvorschlag 1930 beruht auf dem Gedanken, die gleichen Quellen zunächst für die Sanierung der Verhältnisse in Reich, Ländern und Gemeinden stärker fließend zu machen.

4

Siehe Dok. Nr. 374, P. 2.

Diesem Ziel dient die Erhöhung der Biersteuer mit 75% gegenüber dem bisherigen Rechtszustand. 25% hiervon, also 1/7 der gesamten Biersteuer sollen für das Jahr 1930 den Ländern überwiesen werden. Bei der Verteilung nach dem örtlichen Aufkommen werden auf Preußen ein Anteil von 46,7%, auf Bayern von 26,2%, auf Sachsen von 7,8%, auf Württemberg von 4,8% und auf Baden von 4,6% entfallen. In der gleichen Richtung der Besteuerung des nicht unbedingt notwendigen Verbrauchs liegt die Erhöhung des Kaffee- und Teezolls. Bei den stark gesunkenen Weltmarktpreisen, dem der inländische Verbraucherpreis nicht in dem gleichen Umfange gefolgt ist, erscheint es überdies zweifelhaft, ob die Mehrbelastung hierfür den Verbraucher treffen oder nur einen Teil der ohne wirtschaftlichen Grund angewachsenen Handelsspanne in Anspruch nehmen wird.

Auf dem gleichen Gedanken beruht auch die Wiedereinführung der Steuer auf Mineralwasser und andere künstlich bereitete Getränke. Auch diese Getränke, deren Konsum, ohne einen Nährwert für die Bevölkerung zu besitzen, in vielen Kreisen an die Stelle der der Besteuerung unterliegenden alkoholischen Getränke getreten ist, können, ohne daß ein sachlicher Schaden daraus erwächst, für die Deckung des öffentlichen Bedarfs herangezogen werden. Wenn in diesem Zusammenhang von der Heranziehung des Weines und der nochmaligen Heranziehung des Branntweins abgesehen worden ist, so ist dafür beim Wein die Erwägung maßgebend, daß die weinbauenden Gebiete Deutschlands sich schon jetzt vermöge des Rückgangs des Weingenusses in den bekannten erheblichen Schwierigkeiten befinden und daß bereits die letzte Erhöhung der Trinkbranntweinpreise zu einem starken Rückgang des Konsums und damit auch der Einkünfte aus dem Spiritusmonopol geführt hat.

Die Mineralöle sind auch in anderen Ländern mit einem Finanzzoll belegt. Die Einführung eines solchen in mäßiger Höhe wird der Verwendung der belasteten Stoffe Schwierigkeiten nicht machen. Eine ausgleichende Belastung der in Deutschland erzeugten gleichartigen Stoffe ist in Aussicht genommen, wird sich aber aus technischen Gründen noch einige Monate hinziehen. Der Umbau der Kraftfahrzeugsteuer, der auf den Wunsch des Reichstags von der Regierung zurzeit geprüft wird und der möglicherweise dazu führen wird, daß neben der Wagensteuer eine Belastung des Betriebsstoffes erfolgt, wird im gegebenen Augenblick mit diesem Mineralölzoll in eine organische Verbindung zu bringen sein. Bei einer Einarbeitung dieses Zolles in die spätere Belastung des Kraftverkehrs wird sich ergeben, welches die für einen Dauerzustand angemessene Höhe einer solchen Belastung ist. Um eine zu schwere Belastung auch während einer Übergangszeit zu verhüten, ist in Aussicht genommen, den Zuschlag zur[1500] Kraftfahrzeugsteuer, der ursprünglich mit 15% beabsichtigt war, nur mit 10% festzusetzen.

Schließlich schien es im Hinblick auf die besondere Notlage des Jahres 1930 nicht möglich, die beabsichtigte Herabsetzung der Industriebelastung in Höhe von 50 Millionen auf Kosten des Etats bereits jetzt vorzunehmen, wenn auch nicht verkannt werden kann, daß dies angesichts der bisherigen Zweckbestimmung der Industriebelastung für die Reparationen und des ausdrücklichen Hinweises im Young-Plan auf die im Interesse der Wirtschaft notwendige Beseitigung dieser Last höchst bedauerlich ist. Um die Fortbelastung wenigstens nicht in voller Höhe von 300 Millionen sich auswirken zu lassen, soll zur Deckung von 50 Millionen ein entsprechender Teil des Reservefonds der Industrieobligationenbank, der aus überhobenen und der deutschen Wirtschaft über das notwendige Maß hinaus entzogenen Beträgen aufgesammelt worden ist, herangezogen werden. Durch diese Verwendung der im Fonds befindlichen Beträge würde auch ein in früherer Zeit den an den Industrieobligationen beteiligten Kreisen gegebenes Versprechen seine Einlösung finden.

Überprüft man die beabsichtigte Deckungsvorlage unter dem Gesichtspunkt, welche von den in ihnen enthaltenen Belastungen vorwiegend die unbemittelten Kreise und welche vorwiegend die besitzenden treffen, ein Gesichtspunkt, der zwar in seiner Berechtigung sehr problematisch ist, aber doch an manchen Stellen noch hoch bewertet wird, so ergibt sich folgendes Bild:

Die unbemittelten Kreise trifft vorwiegend die Erhöhung der Biersteuer mit

240 Mio

dagegen wird die Wirtschaft und [werden] die besitzenden Kreise der Bevölkerung vorwiegend getroffen von

1. der Erhöhung des Kaffee- und Teezolls mit

50 Mio

2. der Erhöhung des Benzinzolls mit

65 Mio

3. der Kürzung der Fälligkeitstermine mit

30 Mio

4. dem Verzicht auf die Herabsetzung der Industriebelastung mit

50 Mio

zusammen

195 Mio

Die Mineralwassersteuer trifft unbemittelte und besitzende Kreise wahrscheinlich in gleichem Umfange. Es kommt hinzu, daß das Aufkommen aus der Mineralwassersteuer den Ländern mit der Auflage überwiesen werden soll, daß es denjenigen Gemeinden, deren Wohlfahrtslasten besonders drückend sind, zur Erleichterung der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu überweisen, also einem besonderen sozialen Zwecke dienen soll.

Die besitzenden Kreise werden außerdem noch dadurch belastet, daß die Vermögenssteuerveranlagung, die an sich nach dem Gesetze zum 31. Dezember 1929 stattzufinden hätte, nicht stattfinden soll, sondern daß beabsichtigt ist, zu verordnen, daß die Vermögenssteuer nach der letzten Veranlagung, derjenigen vom 31. Dezember 1927, weiter erhoben werden soll. Da sich die Vermögen, und zwar sowohl die in Wertpapieren angelegten Vermögensobjekte wie der Grundbesitz und die Betriebsvermögen, seit dem 31. Dezember 1927 sehr erheblich in ihrem Werte vermindert haben, liegt in der Unterlassung der Neuregelung in Wirklichkeit eine recht beträchtliche Erhöhung der Vermögenssteuer,[1501] deren Ausmaß auf etwa 100 Millionen berechnet werden kann. Das Unterbleiben der Neuveranlagung wird gleichzeitig mit dem Haushalt durch eine Verordnung des Reichsfinanzministers zusammen mit einem Ausschuß des Reichsrats und des Reichstags festzusetzen sein.

Die vorstehenden Ausführungen ergeben, daß das Gleichgewicht zwischen der Massenbelastung und der Belastung der Wirtschaft und der besitzenden Kreise – selbst wenn man entgegen den Tatsachen annimmt, daß nur die unvermögenden Schichten dem Biergenuß ergeben sind – in vollem Umfange gewahrt ist. Eher könnte man noch vor einer Mehrbelastung der besitzenden Kreise sprechen.

VI.

Um die von dem Herrn Reichskanzler vor dem Reichstag im Dezember 1929 als notwendig im Interesse der gesamten deutschen Volkswirtschaft bezeichnete Steuersenkung5 nicht für die Dauer unmöglich zu machen, muß Vorsorge getroffen werden, daß nicht etwaige, sich aus einer über Erwarten günstigen Entwicklung des deutschen Wirtschaftslebens ergebende Überschüsse und die durch Fortfall der im laufenden Etat vorgesehenen außerordentlichen Schuldentilgung während des nächsten Etatsjahres freiwerdenden Beträge von vornherein durch Erhöhung der Ausgaben verschlungen werden. Auch in Ländern und Gemeinden muß einem Anwachsen der Ausgaben Einhalt getan werden. Zu diesem Zweck sind für das Reich, für diejenigen Länder, die eine solche Bestimmung noch nicht haben, sowie für die Gemeinden Vorschriften in Aussicht genommen, die neue Ausgaben an die Erschließung neuer Einnahmequellen knüpfen, und ferner über die Überschüsse von vornherein eine einer ordnungsmäßigen Haushaltsführung entsprechende Verfügung treffen. Diese Vorschriften stellen keine ungesunde Beengung der Lebensmöglichkeiten des öffentlichen Körpers dar. Sie finden sich bereits im wesentlichen in der preußischen Verfassung und in den Verfassungen anderer Länder und haben sich überall dort, wo sie vorhanden sind, gut bewährt.

5

Gemeint ist die Regierungserklärung vom 12.12.29.

Um das große Ziel der Finanzreform, Entlastung der Wirtschaft, gleichzeitig das beste Mittel zur Behebung der Arbeitslosigkeit, zu erreichen, ist auf gesetzlichem Wege festzulegen:

einmal die Begrenzung der Ausgaben des Jahres 1931;

zweitens die Bestimmung, daß freiwerdende Beträge zur Senkung der die Wirtschaft belastenden Steuern im Sinne des vom Reichstag gebilligten Finanzprogramms vom 12. Dezember 1929 zu verwenden sind.

Drittens behalte ich mir weitere Vorschläge dafür vor, in welchem Umfange die in dem eingangs erwähnten Ausgabensenkungsgesetz vorgeschlagenen Herabsetzungen der Reichs-, Länder- und Gemeindeaufwendungen festgelegt werden sollen6.

6

Diese Vorlage scheint vom RK mit dem RFM und StS Schäffer am 26. 2. besprochen worden zu sein (Tagebuch Schäffers; Institut für Zeitgeschichte ED 93).

Moldenhauer

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