1.47 (mu22p): Nr. 303 Der Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen an den Reichskanzler. Königberg, 27. September 1929

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[964] Nr. 303
Der Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen an den Reichskanzler. Königberg, 27. September 1929

R 43 I /1857 , Bl. 103 f., hier: Bl. 103 f.

[Betrifft: Ostprogramm.]

Durch den Übergang vom Dawes-Plan zum Young-Plan erfährt der Reichshaushaltsplan eine fühlbare Entlastung, die für das laufende Rechnungsjahr auf rd. 360 Millionen Reichsmark veranschlagt worden ist und ab 1. April 1930 für die nächsten 10 Jahre auf jährlich rd. 700 Millionen Reichsmark noch ansteigen wird.

Nach bisher unwidersprochen gebliebenen Pressemeldungen ist bereits ein Nachtragsetat in Vorbereitung, in dem über die aus den herabgesetzten Reparationsleistungen frei werdenden Summen verfügt werden soll. Auch ist von maßgebender Stelle die Forderung auf Schaffung eines „Westland-Grenzprogramms“ erhoben worden, zu dessen Erfüllung auf Jahre hinaus außerordentlich starke Mittel aus dem Reichshaushalt beansprucht werden1.

1

Siehe Dok. Nr. 220 und Dok. Nr. 223, P. 1.

Angesichts dieser Sachlage kann ich nicht unterlassen, nochmals und mit allem Nachdruck auf den Notstand hinzuweisen, der die Wirtschaft Ostpreußens mit unverminderter Heftigkeit erfüllt. Wenn eine Katastrophe bisher noch vermieden worden ist, so eigentlich nur durch die Hoffnung auf die Auswirkungen der im Juli beschlossenen Maßnahmen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Rentabilität und – nicht zuletzt – durch die erwarteten Auswirkungen des Gesetzes über wirtschaftliche Hilfe für Ostpreußen2.

2

Siehe Dok. Nr. 180 und Dok. Nr. 234.

Es bedarf heute keiner Worte mehr zur näheren Darlegung der ostpreußischen Wirtschaftslage. Im Augenblick, da sich durch die Ermäßigung der Tributzahlungen und die Räumung der Rheinlande erhebliche wirtschaftliche wie finanzielle Erleichterungen, namentlich im Westen, fühlbar machen, kann Ostpreußen erwarten, daß das Reich sich in entsprechend gesteigertem Umfange der Sorgen unserer schwer ringenden Heimatprovinz annimmt. Das Maß an Selbsthilfe ist in dem verarmten Ostpreußen schneller erschöpft als in dem wirtschaftlich reichen Westen. Werden Mittel für ein Grenzprogramm überhaupt[965] ausgeworfen, so muß deshalb zunächst und ausreichend für die Rettung der Provinz Ostpreußen gesorgt werden.

Ich bitte deshalb dringlichst, daß bei den aus dem Young-Plan frei gewordenen Mitteln in erster Linie Ostpreußen bedacht wird, um zunächst die nach dem Ostpreußenhilfsgesetz geschaffenen Fonds aufzufüllen und darüber hinaus den Weg freizumachen für weitere Hilfsmaßnahmen innerhalb des wirtschaftlichen Sanierungsprogramms für Ostpreußen3.

3

Das Schreiben wurde den zuständigen Ressorts zugeleitet (Pünder an Blunck, 11.10.29; R 43 I /1857 , Bl. 105, hier: Bl. 105).

Dr. Blunck

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