2.171.1 (cun1p): [Reparationsgarantien der Landwirtschaft]

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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[Reparationsgarantien der Landwirtschaft]

Der Reichskanzler begrüßt die Erschienenen und weist in kurzen Worten auf die Notwendigkeit hin, die in der Reparationsfrage erforderlichen Garantien nunmehr in konkrete Formen zu bringen2.

2

Bereits am 2. 5. hatte der RK an v. Wangenheim, das Vorstandsmitglied des Reichslandbundes, geschrieben: „Wir haben in unserer Note [vom 2. 5.] zunächst nicht Einzelheiten darüber gegeben, wie wir uns die Tragung der allenfalls im Verhandlungswege von Deutschland zu übernehmenden Lasten durch die deutsche Wirtschaft denken. Aber es kann nicht bezweifelt werden, daß, wenn überhaupt Verhandlungen eingeleitet und zu einem erträglichen Ende geführt werden, dann Ertrag und Substanz der deutschen Wirtschaft in stärkster Weise herangezogen werden müssen. Die Rechtfertigung zu solcher Heranziehung liegt dann vor, wenn diesen Opfern gegenüber die Gewinnung der deutschen Freiheit in bestimmter sicherer Aussicht steht. Ich habe keinen Zweifel, daß unter solcher Voraussetzung, die ich gewiß nicht leichthin bejahen werde, auch die deutsche Landwirtschaft willig schwere Last auf sich nehmen wird, und würde es aus außenpolitischen Gründen, um über den Zwist der Parteien und Klassen hinweg einmütige Opfer- und Abwehrstimmung zu erreichen und zu festigen, wärmstens begrüßen, wenn die deutsche Landwirtschaft an ihrer Wiederbereitwilligkeit keinen Zweifel aufkommen ließe.“ (R 43 I /2537 , Bl. 105 f.). Frhr. v. Wangenheim hatte in seiner Antwort vom 5. 5. die grundsätzliche Opferbereitschaft der Landwirtschaft betont und dazu zwei Bitten ausgesprochen: „Einmal, daß bei dem Umfange dieser Opfer die nötige Rücksicht darauf genommen wird, daß sie uns nicht die Kreditfähigkeit und die höchste Leistungsfähigkeit nehmen, welche beiden wir unbedingt brauchen, wenn wir unsere Pläne zur Hebung der deutschen Wirtschaft und zur Erreichung der Unabhängigkeit vom Auslande durchführen wollen. Des weiteren würde ich dringend bitten, wenn über die in dieser Hinsicht zu ergreifenden Maßnahmen beraten wird, daß dann eine kleine Anzahl der leitenden Personen der Wirtschaftsstände und auch der Landwirtschaft zu den Beratungen zugezogen werden.“ (R 43 I /2537 , Bl. 108).

[518] Dr. Brandes: Die Landwirtschaft sei grundsätzlich bereit, die erforderlichen Lasten zu tragen. Voraussetzung müsse hierbei jedoch sein, daß eine Stabilisierung der Wirtschaft eintrete.

Der Reichskanzler Die Gesundung der Wirtschaft sei selbstverständliche Voraussetzung.

Dr. Brandes (fortfahrend): Die Erschienenen hätten mit den von ihnen vertretenen Organisationen noch nicht gesprochen. Der Kreis, in dem das Problem heute erörtert worden sei, sei sich aber einig, daß die Lasten, die die Landwirtschaft tragen solle, nur dann einen Zweck hätten, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben seien:

1.

Endgültige Regelung der Reparationsfrage3.

2.

Keine anderen Pfänder neben den wirtschaftlichen, insbesondere keine territorialen; Herausgabe der Gefangenen.

3.

Volle Souveränität in der Gesetzgebung des Reiches, auch im Haushalt.

4.

Freiheit im Abschluß von Handelsverträgen, wirtschaftliche Gleichberechtigung.

5.

Schutz des Privateigentums und der Person; keine weiteren Enteignungen, auch keine Enteignung durch Erbschaftssteuer.

6.

Aufbringung der Leistungen in Annuitäten, nicht in festen Kapitalbeträgen, doch Festsetzung von Kapitalbeträgen zur Ablösung der Last.

7.

Prozentmäßige Teilnahme aller Wirtschaftsgruppen an den Garantien.

8.

Verpfändung nur von Boden und Gebäuden, nicht von lebendem Inventar und Betriebsinventar.

3

Diese Voraussetzung wird als einzige aufgenommen in die Pressenotiz, die die RReg. über diese Besprechung herausgibt. Sie lautet: „Die Vertreter der Landwirtschaft wurden heute nachmittag zu einer längeren Beratung des Reparationsproblems vom RK empfangen. In dieser Besprechung kam die grundsätzliche Bereitschaft der Landwirtschaft zum Ausdruck, weitgehende Opfer auf sich zu nehmen, wobei die Voraussetzung ist, daß das Reparationsproblem endgültig gelöst wird.“ (R 43 I /37 , Bl. 250).

Er bäte um Auskunft, wie die Garantie gedacht sei. Sollten die Garantien primär nur von Reich und Ländern getragen werden, und sei bei den Berufsständen nur an eine Art Ausfallgarantie gedacht, oder sollten die Wirtschaftsstände neben dem Reich und den Ländern quotenmäßig primär haften?

Der Reichskanzler Es sei an eine Garantie gedacht, die konkret auf den Grundbesitz abgestellt sei, die aber natürlich auf eine etwaige allgemeine Reparationssteuer abgerechnet würde.

Dr. Crone-Münzebrock: Die Landwirtschaft müsse wissen, wie die anteilige Belastung der einzelnen Wirtschaftsstände sei und wie die Länder beteiligt würden. Die Pfänder dürften nur dem Reich haften, nicht den Ententemächten.

Der Reichskanzler So sei es auch gedacht.

[519] von Ledebur: Die Mißwirtschaft in Preußen müsse beseitigt werden, die Politik des Ministers Severing sei unerträglich.

Der Reichskanzler verweist kurz auf die Reichsverfassung und die durch sie gegebene selbständige Stellung der Länder.

Hepp: In erster Linie müsse das Reich für die Garantien aufkommen, die Wirtschaft nur subsidiär. Die heutige Besprechung könne nur unverbindlich sein, besonders was die Frage der Höhe anlange.

Freiherr von Loe: Die Stimmung im besetzten Gebiet sei abgeflaut. Die rheinische Landwirtschaft sei zu jedem Opfer bereit, wenn sie dadurch der Gefahr der Opferung ihres Landes entginge. Sie müßten vom Feinde frei werden.

von Oppen betont nochmals die Voraussetzungen: Freigabe des besetzten Gebiets, Freilassung der Gefangenen, Schutz der Person und des Eigentums.

von Kerkerinck: Die jetzige Erbschaftssteuer und die Siedlung sei nichts als Maske der Enteignung. In diesem Rahmen bewege sich auch der Antrag Müller-Franken4. Das jetzige Opfer müsse das letzte Substanzopfer sein.

4

Es handelt sich hier um den SPD-Antrag zur Reform der Bodenverteilung und Bodennutzung vom 15.5.23 (RT-Drucks. Nr. 5868, Bd. 377 ). Die wichtigste Bestimmung dieses Antrags lautet: „Die Privateigentümer von mehr als 750 ha landwirtschaftlich oder 100 ha forstwirtschaftlich benutzten Bodens sind verpflichtet, den überschießenden Teil an das Reich abzutreten. Als angemessene Entschädigung ist der für die Veranlagung zur Vermögenssteuer festgelegte Wert der Grundstücke zu zahlen.“

Weilnböck: Jede weitere kommunistische Entwicklung müsse von der Regierung gehindert werden. Eine Erweiterung der Siedlung und der Naturalwertsteuern sei unerträglich. Sie müßten auch freie Wirtschaft für die Landwirtschaft verlangen.

[v. Oppen bringt einen Enteignungsfall zur Sprache]

Nach einem kurzen Schlußwort des Reichskanzlers wurde die Besprechung geschlossen.

Am Donnerstag, den 1. Juni soll die Besprechung beim Minister Luther fortgesetzt werden5.

5

Darüber waren Aufzeichnungen in R 43 I nicht zu ermitteln. Am 2. 6. teilt v. Hahnke in der Rkei mit, daß sich der Landbund am 3. und 4. 5. mit der Garantiefrage befassen werde. „Unter den Voraussetzungen, unter denen die Landwirtschaft sich garantiebereit erklären wolle, sei besonders wichtig, daß nicht etwa bei scheiternden Reparationsverhandlungen Schlüsse auf Steuerleistungsfähigkeit gezogen würden.“ (Vermerk Kempners in R 43 I /37 , Bl. 296). Mit Schreiben vom 4. 6. kündigt der Reichslandbund dem RK eine Denkschrift an, die v. Hahnke am 13. 6. in der Rkei überreicht (abgedruckt als Dok. Nr. 187).

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