2.23.1 (bau1p): 1. [Entwurf eines Gesetzes über das Reichsnotopfer.]

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1. [Entwurf eines Gesetzes über das Reichsnotopfer3.]

3

Mit Schreiben vom 8. 7. legte der RFM dem RMinPräs. einen als geheim eingestuften GesEntw. über das Reichsnotopfer ohne die zugehörige Begründung vor. Der Entw. habe „mit der größten Beschleunigung“ im RFMin. fertiggestellt werden müssen, da der RFM die alsbaldige Einbringung des GesEntw. über die große Vermögensabgabe zur Bedingung für die Übernahme des RFMin. gemacht habe (R 43 I /2402 , Bl. 12–18). Das Reichsnotopfer stellt die wichtigste – aber auch die bei den Rechtsparteien umstrittenste – der vermögensabhängigen Steuern im Reformprogramm des RFM dar. Programmatisch wird in § 1 der Kabinettsvorlage festgestellt: „Der äußersten Not des Reichs opfert der Besitz durch eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu bemessende große Abgabe vom Vermögen (Reichsnotopfer).“ In der – nachgereichten – Begründung heißt es dazu: „Nur die Überleitung eines Teils der Privatvermögen in die Hand des Reichs kann in kurzer Zeit eine fühlbare Abminderung der Schuld bewirken“ und damit zur Stabilisierung des gefährdeten Reichshaushalts beitragen. Entsprechend rigoros ist die Progression bei der nur einmal zum 31.12.19 vorgesehenen Veranlagung zu dieser Steuer. Der Steuersatz für das 5000 M überschreitende, veranlagungsfähige Vermögen beginnt bei 10% und endet für Beträge, die über 7 Mio M hinausgehen, bei 65%. Neben der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte durch Kinder- und Familienfreibeträge werden, um den Gang der Wirtschaft zu schonen, Degressionsmöglichkeiten bei der Veranlagung des Stammkapitals von Kapitalgesellschaften vorgesehen. Angaben über die finanzielle Belastung der einzelnen Steuerpflichtigen durch das Reichsnotopfer und die übrigen einmaligen Vermögensabgaben für 1919 s. in der NatVers.-Drucks. Nr. 947  vom 19.8.19 (NatVers.-Bd. 338 ). Nach einer vom RFMin. am 30.4.20 abgeschlossenen Übersicht u. d. T. „Die Steuerbelastung in Deutschland“ beträgt das geschätzte Gesamtaufkommen aus dieser Steuer 45 Mrd M, während sich die Erträge aus den übrigen einmaligen Vermögensbelastungen auf 2 Mrd M bei der außerordentlichen Vermögensabgabe für 1919 und auf 8–10 Mrd M bei der Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs für 1919 belaufen sollen (R 43 I /2393 , Bl. 111–134, hier Bl. 116). – Der GesEntw. geht unverändert dem Staatenausschuß am 14. 7. und in überarbeiteter Fassung am 26. 7. der NatVers. zu (NatVers.-Bd. 337 , Drucks. Nr. 677 ). Das Ges. über das Reichsnotopfer wird am 31.12.19 verkündet (RGBl. S. 2189 ).

Reichsminister Erzberger trägt den anliegenden Entwurf eines Gesetzes über das Reichsnotopfer vor. Das Kabinett stimmt nach einer Aussprache dem Entwurf zu. Auf eine Anregung des Ministerpräsidenten soll zum § 5 geprüft werden, ob nicht auch das Gewerkschaftsvermögen insoweit, als es zu Unterstützungen bestimmt ist, von der Abgabe zu befreien ist4.

4

Zwar wird in der Regierungsvorlage an die NatVers. der Kreis der abgabefreien Organisationen usw. erweitert, doch nicht zugunsten der Gewerkschaften.

Reichsminister Dr. Mayer äußert Bedenken gegen die 30jährige Frist zur Abtragung der Steuer im § 30, weil in der Zwischenzeit die Vermögensverhältnisse[100] sich völlig verändern würden und die Abgabe dann als Jahresabgabe im einzelnen Falle leicht als zu hoch erscheinen könne. Reichsminister Erzberger erwidert: In den meisten Fällen werde freiwillige sofortige Zahlung in kurzen Zeiträumen erfolgen. Wer die lange Frist in Anspruch nehme, werde in der Regel damit den Zweck verfolgen, die Abgabe allmählich von seinen Einnahmen ohne Angreifen des Vermögens zu zahlen. Das reize an zu sparsamem und arbeitsamem Leben. Im übrigen entkräfte die 30jährige Frist den jetzt im Vordergrunde stehenden Einwand, daß die Abgabe dem Volksvermögen auf einmal zu viel entziehe. Auch aus diesem Grunde möge man abwarten, ob Anträge auf Verkürzung der Frist aus der Nationalversammlung hervorgehen würden. Das Kabinett beschließt hiernach, es bei der 30jährigen Frist zu belassen5.

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Da die Aufbringung der Steuerschuld in einer Summe den Steuerpflichtigen nicht zumutbar erscheint, wird eine Ratenzahlung in Form einer verzinslichen Tilgungsrente in Aussicht genommen und die Laufzeit im endgültigen Ges. von 30 auf 50 Jahre angehoben. Entgegen der Annahme des RSchM und des RFM droht die Stundung der Steuerschuld bei fortschreitender Inflation den Zweck der Vermögensabgabe hinfällig zu machen, so daß das System der Ratenzahlung durch ein Gesetz vom 20.12.20 aufgehoben wird (RGBl. S. 2144 ).

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